„Wer weiß, wo ich einmal ende (Marlene Dietrich)“
Allgemeine Informationen
Es war knorcke
„Es war knorcke“, notiert die damals mit ihrer Familie in Mailand lebende Elfriede Reuther über ihren Kino-Besuch am 27. Oktober 1931 in ihr Tagebuch. „Der Film hieß: ‚Alle soglie dell'impero‘ (An der Schwelle des Reiches). […] Mit Otto Gebühr, dem berühmten Schauspieler und Renate Müller. Über Friedrich den Großen und die Zeit vor dem 7-jährigen Krieg.“
Der Ufa-Film vom Regisseur Gustav Ucicky über einen Komplott gegen den Preußenkönig Friedrich II. mit dem Originaltitel Das Flötenkonzert von Sanssouci ist zu diesem Zeitpunkt schon fast ein Jahr alt. Die Uraufführung fand am 19. Dezember 1930 im Berliner Ufa-Palast am Zoo statt. Erst im September 1931 wurde er in Italien veröffentlicht.
Es war ein Erlebnis, ein Film voll Spannung von Anfang bis Ende, ergreifend und mitreißend
Tagebücher sind heute eine wertvolle Quelle, die zeigen, wie Filme zeitgenössisch und individuell rezipiert wurden. Aus dem Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen wurden drei Exemplare für die Ausstellung „Kino der Moderne“ entliehen. Sie geben einen anschaulichen Eindruck, wann und wie oft ins Kino gegangen wurde, ob alleine oder in Begleitung und vor allem, welche Filme gesehen wurden und wie sie gefallen haben. Und dies, obwohl die meisten Einträge zu Kinobesuchen sehr kurz gehalten sind – so wie heute Tweets oder Letterboxd-Reviews.
Der 31-jährige Hobbyfotograf und passionierte Kinogänger Erwin Schleyer schreibt am 16. November 1932 in sein Tagebuch: „Wir waren im Kino, zuerst gab es einen sentimentalen Soldatenfilm ‚Husarenliebe‘, danach ‚8 Mädels im Boot‘. Es war ein Erlebnis, ein Film voll Spannung von Anfang bis Ende, ergreifend und mitreißend.“
Lüstern spielen sie mit dem Feuer, bis sie sich einmal daran verbrennen. Das ist mein genaues Bild, bis auf den Schlusssatz, das kommt noch!
Auch von prominenten Persönlichkeiten existieren Zeugnisse über ihre Kinobesuche. Aus der umfangreichen Marlene Dietrich Collection der Deutschen Kinemathek findet sich in der Ausstellung das Tagebuch von Marlene, in dem die damals 17-Jährige im September 1919 festhält, wie sie ihre persönliche Lebenssituation in dem Film Moderne Töchter von Manfred Noa gespiegelt findet: „Eigentlich müsste ich mich recht schämen [...]. Für meine grenzenlose Sinnlichkeit kann ich ja aber nichts. Wer weiß, wo ich nochmal ende [...]. Jetzt spielt ein Film [...] über den die Kritik schreibt: An einem typischen Fall wird die Mentalität eines der jungen Mädchen aus der sogenannten guten Gesellschaft gezeigt, die in frühreifer Sinnlichkeit den prickelnden Reiz erotischer Abenteuer auskosten wollen, wo sie ihn finden. […] Lüstern spielen sie mit dem Feuer, bis sie sich einmal daran verbrennen. Das ist mein genaues Bild, bis auf den Schlusssatz, das kommt noch!“
Ob Marlene Dietrich, die sich selbst in den Filmfiguren wiedererkennt, oder Elfriede Reuther, die sich für den Film-Friedrich begeistert: Die überlieferten Tagebücher geben Auskünfte über die Vorlieben und Gewohnheiten der Kinobesucher in der Weimarer Republik und sind damit bis heute wichtige und vor allem seltene Zeugnisse.
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