Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er
Kultiges aus Ost- und Westdeutschland: Zur Retrospektive der Berlinale 2025 zeigen wir das grelle Genre-Kino der 1970er-Jahre.
Retrospektive der 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin
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Berlinale-Programm
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Im Rahmen der Berlinale 2025 feiert die Retrospektive »Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er« das deutsche Genre-Kino dieser Dekade.
Rainer Rother, Leiter der Retrospektive und der Kinemathek, erklärt: »Ein langlebiges Vorurteil lautet, dass der deutsche Film Genre nicht beherrsche. Doch schon das frühe deutsche Kino legte einflussreiche Grundlagen für die internationale Entwicklung von Fantasy und Science-Fiction. […] Wir schauen mit unserer Retrospektive auf Filme, die inmitten von Filmbewegungen wie dem Neuen Deutschen Film auf Genreformen setzten und damit spielten.«
In den 1970er-Jahren, geprägt von der Exploitationfilmwelle, entstanden zahlreiche außergewöhnliche Filme, die erzählerisch und ästhetisch neue Wege gingen. Roland Klicks ›Deadlock‹ (1970) verbindet Gangsterfilm und psychedelischen Spätwestern, während Hans W. Geißendörfer mit ›Jonathan‹ (1970) das Horrorgenre neu interpretiert. Aus der DDR bereichern ›Orpheus in der Unterwelt‹ (1974) und ›Nelken in Aspik‹ (1976) die Retrospektive. Ergänzt wird das Programm durch Werke von Rainer Erler, Klaus Lemke, Ulli Lommel und Wolfgang Petersen, die Genres wie Rockerfilm, Thriller oder Musical aufgreifen.
»Das heutige Publikum ist begeistert vom Genrekino und genießt es, die Wurzeln von Krimi, Science-Fiction, Horror und anderen Genres bis zu den Anfängen zurückzuverfolgen«, kommentiert Berlinale-Intendantin Tricia Tuttle. »Die Auswahl an spannenden, amüsanten und blutigen Filmen bietet viele Entdeckungen und beleuchtet unbekannte Winkel des deutschen Kinos.«
Die Filme der Retrospektive
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Blutiger Freitag
BRD/IT 1972, Regie: Rolf Olsen
Mit: Raimund Harmstorf, Amadeus August, Gila von Weitershausen, Gianni Macchia, Christine Böhm, Ernst H. Hilbich, Walter Buschhoff, E. O. Fuhrmann, Horst Naumann, Daniela Giordano
Ein Überfall auf eine Münchner Bank mündet in eine Geiselnahme und in eine Welle von Gewalt. Nach dem Vorbild aktueller authentischer Verbrechen entstanden, besticht der deutsch-italienische „Giallo“ durch seine Realitätsnähe und Drastik gleichermaßen.
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Deadlock
BRD 1970, Regie: Roland Klick
Mit: Mario Adorf, Anthony Dawson, Marquard Bohm, Mascha Rabben, Sigurd Fitzek, Betty Segal
In einer verlassenen Wüstensiedlung entspinnt sich unter sengender Sonne ein tödlicher Kampf um die Beute aus einem Bankraub. Ein berauschender Spätwestern mit der psychedelischen Musik der Kölner Krautrock-Band Can.
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Einer von uns beiden
BRD 1974, Regie: Wolfgang Petersen
Mit: Klaus Schwarzkopf, Elke Sommer, Jürgen Prochnow, Ulla Jacobsson, Kristina Nel, Anita Kupsch, Walter Gross, Fritz Tillmann, Berta Drews, Claus Theo Gärtner. Otto Sander, Tilo Prückner
Ein mittelloser Studienabbrecher erpresst einen Soziologieprofessor, nachdem er dessen Doktorarbeit als Plagiat entlarvt hat. Mit seiner actionreichen Verfilmung eines Berliner „Sozio-Krimis“ empfahl sich Wolfgang Petersen für eine Hollywood-Karriere.
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Fleisch
BRD 1979, Regie: Rainer Erler
Mit: Jutta Speidel, Wolf Roth, Herbert Herrmann, Charlotte Kerr, Christoph Lindert, Bob Cunningham, Tedi Altice, Ben Zeller, Ronnie Lee Williams
Während der Flitterwochen in den USA wird der Ehemann einer jungen Deutschen von Sanitätern entführt. Unterstützt von einem Trucker kämpft sie um seine Befreiung. Der Science-Thriller über illegalen Organhandel sorgte 1979 für heftige Diskussionen.
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Fremde Stadt
BRD 1972, Regie: Rudolf Thome
Mit: Roger Fritz, Karin Thome, Peter Moland, Werner Umberg, Eva Kinsky, Georg Marischka, Martin Sperr, Christian Friedel, Stefan Abendroth, Hans Noever
Ein Millionendieb sucht in München seine Ex-Frau auf, um mit ihrer Hilfe das gestohlene Geld zu »waschen«. Bald sitzen ihm ein Kommissar und gierige Verfolger im Nacken. Ein schwarzweißer Krimi in Cinemascope, inspiriert von amerikanischen B-Pictures.
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Hut ab, wenn du küsst!
DDR 1971, Regie: Rolf Losansky
Mit: Angelika Waller, Alexander Lang, Rolf Römer, Günter Junghans, Günther Grabbert, Peter Borgelt, Gerd E. Schäfer, Bruno Carstens, Johannes Maus, Carola Braunbock, Helga Sasse, Heide Kipp, Ulrich Anschütz
Ein Ingenieur hadert damit, dass seine Freundin als Automechanikerin arbeitet. Gezielt weckt sie die Eifersucht des altmodischen Paschas. Vor der Kulisse der Leipziger Messe schlägt die musikalische Liebeskomödie eine Bresche für die berufstätige Frau.
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Jonathan
BRD 1970, Regie: Hans W. Geißendörfer
Mit: Jürgen Jung, Hans-Dieter Jendreyko, Paul Albert Krumm, Hertha von Walther, Oskar von Schab, Ilona Grübel, Sophie Strehlow, Gaby Herbst, Arthur Brauss
Ein gräflicher Blutsauger und sein Gefolge terrorisieren einen ganzen Landstrich – bis sich die Volksmassen erheben. Ein bildkünstlerisch faszinierender Genrefilm mit zeitaktuellem Hintergrund. Frei nach Motiven aus Bram Stokers Vampirroman ›Dracula‹.
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Lady Dracula
BRD 1978, Regie: Franz Josef Gottlieb
Mit: Evelyne Kraft, Brad Harris, Theo Lingen, Eddi Arent, Stephen Boyd, Christine Buchegger, Walter Giller, Klaus Höhne, Roberto Blanco, Marion Kracht, Heinz Reincke, Christine Schuberth, Herbert Fux
100 Jahre nachdem Graf Dracula sie biss, erwacht eine Vampirin zu neuem Leben. Als Leichenkosmetikerin findet die souveräne Titelheldin in Wien frische Opfer. Ein Genremix aus Grusel, Krimi und derben Witzen mit einer dazumal noch namhaften Besetzung.
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Mädchen mit Gewalt
BRD 1970, Regie: Roger Fritz
Mit: Helga Anders, Klaus Löwitsch, Arthur Brauss, Rolf Zacher, Monika Zinnenberg
Eine junge Frau wird Opfer einer nächtlichen Vergewaltigung, doch erst am nächsten Morgen beginnt der wahre Albtraum. Ein krasser »Rape without revenge«-Exploitationfilm, der systemische toxische Männlichkeit auf verstörende Weise thematisiert.
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Männer sind zum Lieben da
BRD 1970, Regie: Eckhart Schmidt
Mit: Isi ter Jung, Horst Letten, Barbara Capell, Diana Nisbeth, Marianne Sock, Les Olvedi, Arthur Brauss, Jürgen Michaelis, Peter Przygodda, Wilhelm Roth
Frauen eines untergegangenen Kontinents verschleppen Männer, die sie beim Beischlaf geschrumpft haben, und machen Sexsklaven aus ihnen. Eine jedoch verliebt sich in ihr Opfer. Eine sehr zauberhafte Sexfilm-Satire mit burlesken und poetischen Elementen.
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Nelken in Aspik
DDR 1976, Regie: Günter Reisch
Mit: Armin Mueller-Stahl, Helga Sasse, Erik S. Klein, Helga Göring, Herbert Köfer, Eva-Maria Hagen, Edwin Marian, Norbert Christian, Winfried Glatzeder, Fred Delmare
Um einen Sprachfehler zu verbergen, verlegt sich ein Werbezeichner aufs totale Schweigen. Als genialer Neuerer geltend, steigt er zum Generaldirektor auf. Armin Mueller-Stahl brilliert in dieser subversiven Satire auf eine dysfunktionale DDR-Arbeitswelt.
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Nicht schummeln, Liebling!
DDR 1973, Regie: Joachim Hasler
Mit: Chris Doerk, Frank Schöbel, Dorit Gäbler, Christel Bodenstein, Karel Fiala, Rolf Herricht, Peter Bause, Heinz Behrens, Stefan Lisewski, Horst Schulze
Eine Schuldirektorin und ihr Schülerinnen-Fußballteam kämpfen gegen Privilegien, die der Bürgermeister ihrer Stadt der lokalen Männerelf einräumt. Ein schmissiges Musical mit flotten Choreografien und den DDR-Schlagerstars Frank Schöbel und Chris Doerk.
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Rocker
BRD 1972, Regie: Klaus Lemke
Mit: Hans-Jürgen Modschiedler, Gerd Kruskopf, Paul Lyss, Marianne Mim, Heidrun Rieckmann, Dennis O. Heinrich, Joe Ebel, Ole Jürgens, Eva Pampuch, Bloody Devils
Ein Hamburger Rocker-Boss und ein 14-jähriger Streuner stehen einander in einem gewalttätigen Umfeld bei. Mit Laien an den Originalschauplätzen gedreht, zeichnet der kleine, dreckige Motorradfilm das authentische Porträt einer großstädtischen Subkultur.
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Die Zärtlichkeit der Wölfe
BRD 1973, Regie: Ulli Lommel
Mit: Kurt Raab, Jeff Roden, Margit Carstensen, Ingrid Caven, Wolfgang Schenck, Brigitte Mira, Rainer Hauer, Barbara Bertram, Rainer Werner Fassbinder, Heinrich Giskes
Der von Ulli Lommel realisierte Serienmörderfilm schildert Verbrechen in der frühen Nachkriegszeit nach dem Vorbild des »Schlächters« Fritz Haarmann. Eine Mischung aus Fritz Langs M und Hitchcocks Psycho, die an Traditionen des Weimarer Kinos anknüpft.
Das Team der Retrospektive
Das Team der Retrospektive
Leiter der Retrospektive, Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek: Rainer Rother
Auswahlkommission Retrospektive: Rainer Rother, Annika Haupts
Programmkoordination: Annika Haupts
Festivalkoordination: Anke Hartwig
Festivalmanagement: Christin Meyer
Teamassistenz: Maria-Sophie Jenkel
Presse: Silke Lehmann
Autor: Jörg Schöning
Redaktion: Julian Born
Übersetzung: Rebecca M. Stuart
Koordination Untertitelung: Noémie Causse
Kopienkoordination: Steffen Vogt