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Hildegard Knef – Eine Künstlerin aus Deutschland
24.11.05 – 1.5.06
Allgemeine Informationen
Sonderausstellung zum 80. Geburtstag
Sie war der erste deutsche Filmstar nach 1945, die »Sünderin«, umjubelt am Broadway, eine Stilikone der sechziger Jahre, die Königin der Boulevard-Presse: Hildegard Knefs Karriere als Schauspielerin, Sängerin und Autorin war vom Erfolg ebenso geprägt wie vom Scheitern, und an beidem ließ sie die Öffentlichkeit teilhaben.
In einer Sonderausstellung ehrt das Filmmuseum Berlin die Künstlerin, die im Dezember 2005 ihren 80. Geburtstag gefeiert hätte.
Hildegard Knef ließ sich nicht festlegen auf eine Rolle, auf ein künstlerisches Ausdrucksmittel oder einen Aufenthaltsort. Sie spielte im ersten deutschen Nachkriegsfilm Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte, 1946), trat Mitte der fünfziger Jahre über sechshundert Mal als Ninotschka im Broadwaymusical »Silk Stockings« auf, drehte Filme in Frankreich, Italien, England, Deutschland und Hollywood. Es folgten Konzert- und Theatertourneen; legendär ist der Gesangsauftritt 1968 in der Berliner Philharmonie. Mit der Veröffentlichung ihrer Autobiografie Der geschenkte Gaul startete Hildegard Knef 1970 die dritte erfolgreiche Karriere als Buchautorin. In den achtziger und neunziger Jahren überraschte sie die Öffentlichkeit mit ihren Gemälden und einer eigenen Modekollektion; dennoch ist ihre Karriere von Scheitern ebenso geprägt wie von Erfolg. In zehn Stationen widmete sich die Sonderausstellung einer Wanderin zwischen den Welten, deren private und öffentliche Biografie eng mit der bundesdeutschen Kultur- und Mediengeschichte verbunden ist. Unveröffentlichte Fotos, Showkleider, Modeentwürfe von Pierre Balmain, Briefe von Henry Miller, Carl Zuckmayer, Carlo Schmid und Marlene Dietrich sowie weitere attraktive Exponate aus dem Knef-Nachlass wurden ergänzt von einer Medieninstallation mit Film-, TV- und Showaufnahmen aus fünf Jahrzehnten.
Pressereaktionen
Pressereaktionen
RBB, 22. November 2005
Die Aura unbestimmter Verruchtheit: Zum 80. Geburtstag von Hildegard Knef
Von Knut Elstermann
Blonde Mähne, leichter Silberblick, eine heisere Stimme, der man stets zutraute alles, aber auch alles auszusprechen: Hildegard Knef war ein Markenzeichen im deutschen Showbiz, der Liebling des Boulevard.
Die Knef gab alles preis
Anders als ihre große mütterliche Freundin Marlene Dietrich war die Schauspielerin, Sängerin und Autorin in jeder Phase ihres Lebens in der Öffentlichkeit präsent. Sie wurde nie zum Mythos, nie zum geheimnisumwitterten Star. Die Knef gab alles preis, sie gab über alles Auskunft, ließ alle an ihren Triumphen und Niederlagen, an Krankheit und Alter teilhaben. Ihr intensives Dasein als öffentliche Person aber sollte niemand mit Vertrautheit gleichsetzen, mit einer kumpelhaften Nähe zwischen ihr, dem Publikum und der Presse. Die Knef, eine Künstlerin von in Deutschland selten anzutreffender Internationalität, war ganz Diva: Sie legte die Regeln und ihr Bild in der Öffentlichkeit fest, und sie konnte sehr abweisend sein, wenn andere das Spiel bestimmen wollten. Für sie gab es nur einen Spezialisten in Sachen Knef, und das war sie selbst.
Der erste Star des deutschen Nachkriegskinos
Geboren am 28. Dezember 1925 in Ulm, wuchs sie in Berlin auf. Bei der UFA in Babelsberg arbeitete sie als Zeichnerin, bis sie im Alter von 17 Jahren für den Film entdeckt wurde. Ihre große Stunde schlug 1946, als sie zum ersten Star des deutschen Nachkriegskinos aufstieg. In Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns spielte sie eine junge Frau, die aus dem KZ heimgekehrt ist und nun nach Normalität sucht. Ihre Verletzlichkeit, die Offenheit ihres Blickes prägten sich ein und trugen wesentlich zum Erfolg dieses ersten deutschen Films nach dem Krieg bei.
In den Ruinen von Berlin
Unter schwierigsten Bedingungen habe sie damals gearbeitet, in den Ruinen von Berlin, und zugleich unendlich glücklich sei sie gewesen, bei diesem Aufbruch dabei sein zu können. So erzählte sie es mir einmal bei einem Interview und erinnerte sich mit Schrecken an die letzten Kriegstage in Berlin, an das fast ununterbrochene Artilleriefeuer auf die Stadt. So wie sie das sagte, klang es, als seien die Raketen ganz direkt und ausschließlich auf sie gerichtet gewesen. Noch öfter hörte ich bei ihr diesen Ton, diese Mischung aus persönlicher Betroffenheit, einem gewissen Pathos und einem erfrischenden Rest Berliner Direktheit. Das machte ihr keiner nach. Die Knef nahm sich ohne einen Anflug von Selbstironie sehr ernst.
Die Aura einer unbestimmten Verruchtheit
Ein sekundenlanger, aus weiter Ferne aufgenommener Nacktauftritt der Knef in dem Film Die Sünderin bescherte dem deutschen Kino 1951 einen handfesten, heute absolut nicht mehr nachvollziehbaren Skandal und ihr den internationalen Ruhm. Von da an umgab sie die Aura einer unbestimmten Verruchtheit, die auch in späteren Jahren nicht wich. Egal, was die Knef spielte, ob in Hollywood-Filmen an der Seite von Gregory Peck oderTyrone Power, oder am Broadway im Erfolgsstück „Silk Stockings" – die Knef war immer eine Frau mit Vergangenheit, als sei das Vorleben ihrer Figuren sichtbar, das um so aufregender schien je ungewisser es war.
Weltgrößte Sängerin ohne Stimme
Weder in Amerika, noch in Deutschland bot man ihr Rollen, die ihrem Talent angemessen waren. Sie hat in Frankreich, Italien und England gedreht, bis sie sich in den 60er Jahren ihrer zweiten Laufbahn zuwandte – dem Singen von selbst getexteten Chansons. Sicher sind es vor allem diese, mit tiefer Stimme, im unverwechselbaren Sprechgesang vorgetragenen Lieder, die dem Publikum in Erinnerung geblieben sind. Kleine, intime Geschichten, die unüberhörbar von ihr selbst erzählten. Als sie 1970 ihre Autobiographie Der geschenkte Gaul veröffentlichte, erschien das bald sehr erfolgreiche Buch wie eine logische Konsequenz eines immer öffentlich geführten Lebens. Die Knef hat bis zu ihrem Tode geschrieben und gesungen. Ella Fitzgerald soll sie als "weltgrößte Sängerin ohne Stimme" bezeichnet haben. Ein sicher zwiespältiges, aber zutreffendes Kompliment.
Liebling des Boulevard
Die Knef hat das Publikum mit Gemälden und einer Modekollektion überrascht und saß als spontan reagierender Gast in den Talkshows. Die Zuschauer wussten sich immer bestens informiert über das Leben der Knef, sie erfuhren alles über ihr Gesichtslifting, aber auch über ihre Krebserkrankung, gegen die sie somutig und unbeirrbar kämpfte. Jenseits des Klatsches, den sie gern bediente, durchbrach sie mit dieser Offenheit auch gesellschaftliche Tabus, ermutigte vielleicht auch andere, offensiv mit ihrer Krankheit umzugehen. In ihrem Roman Das Urteil hat sie diesen Kampf geschildert. Sie war zum Denkmal ihrer selbst geworden und dennoch lebendig geblieben, weil sie immer im Gespräch blieb. Am 1. Februar 2002 ist Hildegard Knef in Berlin gestorben.
Sonderausstellung zum 80. Geburtstag im Filmmuseum Berlin
In einer Sonderausstellung ehrt das Filmmuseum Berlin ab dem 24. November 2005 die Künstlerin, die im Dezember ihren 80. Geburtstag gefeiert hätte. In zehn Stationen widmet sich die Ausstellung einer Wanderin zwischen den Welten, deren private und öffentliche Biographie eng mit der bundesdeutschen Kultur- und Mediengeschichte verbunden ist. Unveröffentlichte Fotos, Showkleider, Modeentwürfe von Pierre Balmain, Briefe von Henry Miller, Carl Zuckmayer, Carlo Schmid und Marlene Dietrich sowie weitere attraktive Exponate aus dem Knef-Nachlass werden ergänzt von einer Medieninstallation mit Film-, TV- und Showaufnahmen aus fünf Jahrzehnten.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Essen, 23. November 2005
Für kurze Zeit ganz nah dran
Von Ulrike Mattern
Berlin. Am 28.12. wäre Hildegard Knef 80 Jahre alt geworden. Das Filmmuseum in Berlin ehrt die im Februar 2002 gestorbene Schauspielerin mit einer Sonderausstellung.
Da hockt sie, allein mit einem Fan vor dem Schlosspark-Theater. „New German Star" betitelt das Life Magazine im Mai 1947 diese Aufnahme mit einer Verehrerin, die dem neuen Stern am deutschen Filmhimmel für einen Moment ganz nah sein darf. Ein paar Schritte zuvor ist die kleine Knef in der guten Stube mit dem Stiefvater (1934) bzw. in ihrer ersten filmischen Übung an der Ufa-Schauspielschule (1944) zu sehen.
In der ersten Etage des Museums ist die Ausstellung thematisch und zeitlich gegliedert. Szenen eines bewegten Lebens. Nach den ersten Schritten auf der Bühne bekommt Hildegard Knef erste Rollen in Nachkriegsproduktionen wie Die Mörder sind unter uns, Zwischen gestern und morgen sowie Film ohne Titel, die im Ausstellungskino bzw. in einer Retrospektive im Kino Arsenal zu sehen sind. Der letzte so genannte Trümmerfilm ist abgedreht, da ist die Knef mit ihrem ersten Mann in die USA unterwegs.
Arbeitslos in Hollywood könne man diese Zeit nennen, sagt Kuratorin Daniela Sannwald. Konkrete Angebote gibt es nicht, stattdessen probiert das Studio aus, für welchen Rollentyp die Knef geeignet sein könne. Von diesem „Typ-Casting" zeugen Porträtaufnahmen. Der Erfolg und mit ihm Rollen in Dramen wie Entscheidung vor Morgengrauen (1951) oder Schnee am Kilimandscharo (1952) stellt sich erst ein, als man sich in der Heimat über eine flüchtige Nacktszene in Die Sünderin ereifert. Der Film ist ein Hit und öffnet ihr die Tür zum internationalen Markt.
„Krawall um die Sünderin" ist eine von 80 Schlagzeilen aus Artikeln, welche die Knef in ihren Notizbüchern gesammelt hat und die in der Ausstellung den „Ufa-Star Nr. 1" im Spiegel der Boulevardpresse beleuchten. Attraktive Filmpartner, drei Ehen, eine Tochter mit 43 Jahren und ein stetes Auf und Ab in ihrer Karriere als Schauspielerin, Sängerin, Autorin und Malerin – da gab es Stoff zum Klatschen. „Die Öffentlichkeit hat sich an ihr gerieben", charakterisiert die Kuratorin das Spannungsfeld, in dem die Künstlerin Knef eine „exemplarische Figur" sei, an der sich Medien- und Fernsehgeschichte nachzeichnen lasse. Für ihre Fans erschließt sich das Leben der Diva in dieser Ausstellung so wie für die Verehrerin auf dem Foto im Life Magazin: einen flüchtigen Moment ganz nah dran sein.
dpa, 23. November 2005
Filmmuseum Berlin zeigt Nachlass von Hildegard Knef
Von Wilfried Mommert
„Die Augen. Die Stimme. Der aufrechte Gang. Lange blonde Haare. Ein offenes Gesicht." Mit diesen Worten erinnert Hans Helmut Prinzler vom Filmmuseum Berlin an Hildegard Knef, die im Februar 2002 in Berlin gestorben ist.
Aus Anlass ihres 80. Geburtstages (28. Dezember) zeigt das Filmmuseum am Potsdamer Platz von diesem Donnerstag an in einer Ausstellung eine Auswahl aus dem erworbenen Nachlass der Schauspielerin, Chansonsängerin und Bestseller-Autorin (Der geschenkte Gaul). Dabei sind teilweise bisher noch unveröffentlichte Dokumente, Fotos und Briefe ebenso zu sehen wie Drehbücher und Filmausschnitte.
Unter dem Motto „Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland" ist es ein Rundgang an der Seite der melancholisch-schnoddrigen Preußin durch fünf Jahrzehnte bundesdeutsche Film- und Mediengeschichte über ein Leben voller Erfolge, Rückschläge, Niederlagen und Überraschungen, vom „Trümmermädchen" und der kleinen Trickfilmzeichnerin bei der Ufa, der „Sünderin" bis zum Broadway-Star. „Man sieht einen Menschen altern und wieder jünger werden", sagt Ausstellungsmacherin Daniela Sannwald.
Knefs letzter Ehemann Paul von Schell ist beim ersten Rundgang voller Erinnerungen und Lob: „Die Ausstellung ist sehr gewissenhaft und mit großer Liebe gemacht. Ich glaube auch, die Hilde kriegt das mit und ist sehr „happy"." Die Ausstellung zeige die ungeheure Vielseitigkeit seiner Frau als Künstlerin und gebe ungeschminkte Einblicke auch in den privaten Bereich, „mit all den Problemen und Krankheiten, wo man auch hilflos wird". Knef wurde 50 mal operiert. Er bereue nichts, sagt er vor Fernsehkameras. „Ich bin dankbar für die Jahre."
Gedanken versunken blickt er auf den lebhaften Potsdamer Platz herunter, den seine Frau noch als Trümmerwüste und Todesstreifen zu Mauerzeiten kannte, und wendet sich dann wieder den Dokumenten zu, die ein wechselvolles Leben im Nachkriegsdeutschland widerspiegeln, die einzigartige Filmkarriere eines deutschen Weltstars – auch mit 50 Wohnungsumzügen, wie die Ausstellung ganz nebenbei deutlich werden lässt.
„Diva Courage", „Die Überlebenskünstlerin", „Der elektronische Gaul" und „Die Frau, die sich verkaufte" sind einige der Ausstellungskapitel und im Katalog überschrieben, in dem sich auch Weggefährten, Freunde und andere Persönlichkeiten an „Hildchen" erinnern, wie Karlheinz Böhm an den „ersten Kuss" oder Oswalt Kolle, Walter Scheel und Ralph Giordano.
Mit zwei Rollen sicherte sich die Knef sehr schnell einen Platz in der deutschen Filmgeschichte: als lebensmutige Frau in Wolfgang Staudtes Defa-Film Die Mörder sind unter uns (1946) und als selbstbewusste Prostituierte Marina in Willi Forsts Film Die Sünderin von 1950, der in der noch prüden Nachkriegsgesellschaft in Deutschland einen heute kaum vorstellbaren Sturm entfachte. „Willi, wir verlassen das Lokal!" pflegten Frauen zu ihren Männern zu sagen, wenn die Knef den Raum betrat, so erinnerte sich die Schauspielerin später mit ihrem spöttischen Lachen an diese Jahre.
Daran erinnern zahlreiche Dokumente in der Ausstellung ebenso wie an die sensationelle Chansonkarriere in den 60er Jahren („Für mich soll's rote Rosen regnen") oder an die Brüche in ihrer Karriere, als die großen Filmangebote nach ihrem sensationellen Broadway-Erfolg und der Rückkehr nach Deutschland ausblieben. Auch die Affären, Ehen, Scheidungen, Krankheiten, Operationen und Abstürze werden nicht ausgespart.
„Ein Leben wie ein Illustriertenroman", heißt es im Ausstellungskatalog. „Ein Leben wie eine Achterbahn", wie es die Knef formulierte. „Aber schön war es doch", sang sie trotzig dazu. (...)
Yahoo News, 23. November 2005
Filmmuseum Berlin zeigt die vielen Gesichter der Knef
(ddp)
Die vielen Gesichter der Hildegard Knef zeigt ab Donnerstag die Ausstellung „Hildegard Knef. Eine Künstlerin in Deutschland" im Filmmuseum Berlin. Die kleine Schau in fünf Räumen präsentiert bis zum 17. April 2006 neben einer Reihe von Filmausschnitten bislang nicht veröffentlichte Fotos, Fan- und Freundesbriefe, Kostüme sowie einige Gemälde der Knef selbst, wie Kuratorin Daniela Sannwald am Mittwoch mitteilte. Die 2002 verstorbene Hildegard Knef wäre am 28. Dezember 80 Jahre alt geworden.
Möglich wurde die Ausstellung, nachdem das Filmmuseum Berlin vor drei Jahren den Nachlass der Knef erworben hatte. In der neuen Ausstellung sind nun auch einige Aufnahmen aus Privatwohnungen der Knef in Deutschland und den USA zu sehen. Dem Museum zufolge zog die Knef rund 50 Mal im Leben um. Nur wenige Jahre verfügte sie über einen deutschen Pass.
In den USA machte die Schauspielerin, die zunächst eine Lehre als Trickfilmzeichnerin begann, dennoch vor allem als „deutsches Fräulein" Karriere – wenn auch erst im zweiten Anlauf. Parallel zur Filmarbeit und ihrer Tätigkeit als Sängerin konzentrierte sich die Knef in den 70er Jahren vor allem aufs Schreiben. Ihr Autoren-Debüt mit dem autobiografischen Roman Der geschenkte Gaul brachte ihr auch als Schriftstellerin Anerkennung.
Breite Beachtung in der Presse fand stets auch das Privatleben der Knef, ihre drei Ehen, ihre Krankheit und die Operationen, der Alkohol- und Medikamentenkonsum. Nach ihrer neuerlichen Rückkehr nach Deutschland 1989 aus Los Angeles gelang ihr ein Comeback an der Seite junger Künstler und Musiker wie dem Jazzmusiker Till Brönner und der Rockband Extrabreit, die ihren erstmals 1968 aufgenommenen Song „Für mich soll´s rote Rosen regnen" 1999 in neuem Gewand produzierte.
Die Ausstellung kann mit einem Audio-Guide besucht werden, aufdem das Museum Auszüge aus dem «geschenkten Gaul» von der Knef selbst gelesen, versammelt. Ein Katalog widmet sich in thematischen Essays der Schauspielerin, Sängerin, Autorin und Malerin Knef und lässt daneben eine ganze Reihe von Zeitzeugen zu Wort kommen, darunter Ex-Mann David Cameron, Oswald Kolle, Günter Norris, Tochter Christina Gardiner, Walter Scheel, Roger Willemsen und Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).
Fluter.de, 23. November 2005
Die Knef, la Knef, the Knef
Von Ula Brunner
Da waren der fordernde Blick unter wüst getuschten Wimpern, mit rauchiger Altstimme rezitierte Songs, grandiose Autobiografien, schwerste Krankheiten und der unbedingte Wille, es zu schaffen. Die Knef – Selbstdarstellerin und Gesamtkunstwerk.
„Für mich soll’s rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen … Ich will, ich will" – in einem ihrer größten Chansonerfolge von 1968 beschwörte Hildegard Knef den eigenen Lebenshunger als persönliches Erfolgscredo. Aktrice, Chansonniere, Schriftstellerin: »Ehrgeiz ja. Aber ohne Ehr und ohne Geiz!«, sagte sie einmal; ein Leben als erkämpfter Erfolgsmarathon einer Frau, die in der Nachkriegszeit nach oben kam und dort bleiben wollte.
Geboren als Hildegard Frieda Albertine am 28. Dezember 1925 in Ulm, aufgewachsen in Berlin, am 1. Februar 2002 dort auch verstorben. Dazwischen eine halsbrecherische Biografie, die jede Menge Stoff für die Boulevardpresse bot. Bereits als Siebzehnjährige zieht es die entschlossene Berlinerin zur Ufa, wo sie nach einer Lehre als Trickfilmzeichnerin ins Schauspielfach wechselt. Gefördert durch einen einflussreichen NS-Geliebten, den sie nach der braunen Epoche schnell vergisst, reüssiert die charismatische Jungdarstellerin noch zu Kriegszeiten in kleinen Filmrollen. Verkleidet als männlicher Soldat, versucht sie aus demumstellten Berlin zu fliehen – und landet in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager. Irgendwie gelingt ihr die Flucht, Hauptsache Überleben und durch, scheint eine ihrer Devisen gewesen zu sein.
Gerade zwanzigjährig wird Hildegard Knef das neue, unverbrauchte Filmgesicht der Stunde Null. Lakonisch und erotisch herb begeistert sie im allerersten deutschen Nachkriegsfilm, Die Mörder sind unter uns, 1946 unter der Regie von Wolfgang Staudte, in der Rolle einer lebensbejahenden KZ-Überlebenden Presse und Publikum. Spätestens nach Film ohne Titel, 1947, für den sie in Locarno als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wird – der erste von vielen, vielen Preisen, die noch folgen sollen – ist »Hilde« eine nationale Institution: die Inkarnation der neuen deutschen Frau, die Trümmer des Zweiten Weltkriegs im Hintergrund, zupackend, nach vorn schauend.
Eine Frau mit Zukunft ist sie auch beruflich. Eine öffentliche Person ebenso. Das istihr auch Recht. Wie die Luft zum Atmen braucht Hildegard Knef ein Publikum, schert sich dennoch wenig um dessen moralische Empfindsamkeiten. 1950 provoziert in dem banalen Filmchen Die Sünderin ein sechssekündige Nacktszene Kinoverbote, Prügeleien und Landtagsdebatten.
Auch, weil sich das Trümmermädchenidol zur Kriegsbraut wandelte als sie ihrem ersten Ehemann, einem amerikanischen Besatzungssoldaten, in die USA folgte, zeigte man ihr hierzulande die kalte Schulter. »Ich wusste nie«, kommentierte Hildegard Knef die kollektive Entrüstung, »warum sie manchmal auf mir herumhackten, als hätte ich ihren Schrebergarten zertrampelt.« Erst als sich das deutsche Fräuleinwunder im Hollywood der 1950er-Jahre an der Seite von Ava Gardner oder Tyrone Power behauptete, ertönte auch aus der Heimat einstimmiger Jubel.
Ein wenig saß die Knef wohl immer zwischen den Stühlen: zu bodenständig für die Amerikaner, für die Deutschen zu mondän. Vielleicht erklären sich aus dieser Ambivalenz ihre beruflichen Berg- und Talfahrten. Weil sie jedoch auch in Krisenzeiten die Nase vorn behalten wollte, schaffte sie es auch immer wieder nach oben. Und setzte auf ihre Weise Trends.
„ … Erst war ich beleidigt, dann war ich verstört / doch dann hat mich einer singen gehört / ich hab ihn gewarnt, doch er sagte ich muss …“ – lautet der Knef-Song „Von nun an ging’s bergab" (1967). Mit rauer Sprech-Stimme und selbst getexteten, raffinierten Chansons revolutionierte Hildegard Knef die Softschnulzenszene der Sixties. »Völlig abgebrannt«, erinnerte sich ihr zweiter Ehemann David Cameron, seien sie gewesen als seine Frau das Angebot annahm, mit ihren Liedern auf die Bühne zu gehen. War die Knef noch Anfang der 1960er-Jahre diesseits und jenseits des Atlantiks eine aus der Mode gekommene Schauspielerin, kürte sie 1968 das Magazin »Musikmarkt« zur Interpretin des Jahres. Bis etwa Mitte der 1970er-Jahre erlebte sie ihren künstlerischen Zenit als Sängerin und Schriftstellerin. Der erste Teil ihrer literarischen Lebenserinnerungen, Der geschenkte Gaul (1970), ein klar und klug formulierter Bestseller, wurde in über 20 Sprachen übersetzt; die detailgetreue Schilderung ihrer Krebserkrankung in Das Urteil (1973) sorgte für Furore.
Und dann war es plötzlich vorbei. 1980 wurde ihre »Welt-Tournee« mangels Interesse bereits in Wolfsburg vorzeitig gestoppt und ihr letzter autobiografischer Roman So nicht (1982) floppte. Zwar war Hildegard Knef in den Medien noch immer präsent – mit ihren Operationen, Geldsorgen oder der letzten Ehe mit dem 15 Jahre jüngeren Paul von Schell. Bei Auftritten jedoch hinterließ sie bisweilen einen peinlich desolaten Eindruck, vielleicht auch in Folge des jahrelangen Alkohol- und Pillenkonsums.
Stur schaffte das »Stehaufmädchen der Nation« (Der Spiegel) in den 1990er-Jahren dennoch ein Minicomeback. 1992 stand die mit Extrabreit aufgenommen Rock-Version ihres »Rote-Rosen«-Evergreens wochenlang in den Hitparaden. Hunderte von roten Rosen sollte es zehn Jahre später bei ihrer Beerdigung in Berlin-Zehlendorf auf den Sarg regnen.
Die Knef – jung, älter, alt. »Ich habe gelernt zu tun. Ich kann nicht gottergeben dasitzen und warten, dass mir von irgendwo eine Lösung zufliegt«, erklärte sie einmal ihren kreativen Aktionismus. Sie hat im miefigen Nachkriegsdeutschland Akzente gesetzt, sich den Weg nach oben erkämpft. Ihre ungenierte Exponiertheit hat viele manchmal genervt. Aber sie traute sich was. Sie hatte den Mut zur Schwäche und den Willen zu siegen. Das hat sie groß gemacht. Anders als Marlene Dietrich zehrte diese Diva nicht hinter verschlossenen Türen von vergangenem Glanz. Sie hat gelebt. »Ich hab alles überstanden und es genossen, auch wenn es manchmal turbulent war.« Im Dezember wäre die Knef 80 Jahre alt geworden.
Der Tagesspiegel, Berlin, 24. November 2005
Das geheime Tagebuch
Aus dem Herzen des Wirtschaftswunders: Das Berliner Filmmuseum würdigt die deutsche Diva Hildegard Knef
Von Jan Schulz-Ojala
Die Boulevardpresse war immer dabei. Und sie lieferte sich auch schon mal Schlachten um die Knef. So informierte die Bild ihre Leser im März 1953 exklusiv über eine Romanze mit Gregory Peck, mit dem Hildegard Knef Schnee am Kilimandscharo gedreht hatte – und nun sei der verliebte US-Star ihr auch noch nach Europa nachgereist. »Die Filmküsse waren echt!«, jubelte das Blatt, was die härter recherchierende Münchner Abendzeitung noch am selben Abend – »Filmküsse waren nicht echt« – auflagesteigernd zu dementieren trachtete. Zwei Tage später brachte Bild, anderswo gilt so was als Journalistenschmach, eine zweispaltige Gegendarstellung – allerdings in Form eines elegant formulierten Knef-Briefs, abgesandt noch dazu in »Berlin, Hotel am Zoo«. Schon wieder exklusiv!
Rund 400 Mal in knapp 50 Jahren, weiß Ausstellungskuratorin Daniela Sannwald, war Knef Bild-Aufmacher, wahrscheinlich ewiger Star-Rekord – und »meistens positiv«. Ein Medienphänomen, vom Spiegel-Titel immerhin bereits in Nr. 19, erster Jahrgang (»Ein Fräulein kommt aus der Mode«) bis zur allerherzlichst vereinnahmenden Würdigung in der Berliner Morgenpost Anfang Februar 2002. »Danke, Hilde!« rief das Blatt, gewisslich stellvertretend für Millionen, der berlinischsten deutschen Diva ins Grab nach. Einem Menschen, der die Medien genutzt hatte von Anfang an und den die Medien, immer wieder auch mal schamlos, für ihre Zwecke ebenso nutzten. Eine win-win-situation fürs Leben, möchte man behaupten, und schon vor 50 Jahren sehr modern.
Nun wird diese stets diszipliniert öffentlich geführte Biografie noch einmal ins – gute – Licht gesetzt: Es ist ein deutsches Familienalbum, das das Berliner Filmmuseum mit der Ausstellung „Hildegard Knef – eine Künstlerin aus Deutschland“ aufblättert, vor ihrem 80. Geburtstag (28. Dezember) und drei Jahre nach der Erwerbung des Nachlasses. Es ist die Geschichte einer, die mit 19 Jahren nach Kriegsende durchstarten konnte, böse berauntes Buh-Mädchen zwar nach der kurzen Nacktszene in Willy Forsts Sünderin, die gleich drei Millionen Deutsche begafften, aber auch Identifikationsfigur: Da ließ eine nichts anbrennen auf dem Weg nach oben, da ging eine stellvertretend nach Hollywood, da kam 1947 Glamour in das kalte, kriegskaputte Land. Schon das erste Ausstellungsfoto zeigt »Hildchen« überlebensgroß am Flughafen Tempelhof, im Hintergrund eine BEA-Propellermaschine. Da steht sie im schicken weißen Mantel und mit dunklen Lederhandschuhen: ein Mädchen von Welt.
Sie lebte, vom frühen Anlauf in den vierziger Jahren bis zur stillen Rückkehr nach Los Angeles in den Achtzigern, mit Unterbrechungen in den USA, hatte schon mit Mitte Zwanzig einen amerikanischen Pass – aber nie haben die Deutschen sie verstoßen wie etwa Marlene Dietrich, der sie anfangs nacheiferte und mit der sie dann befreundet war. Nie aber auch hat sie sich so scharf gegen die Deutschen gestellt – »Typus des deutschen Mädchens in Reinkultur«, wie sie schon 1943 die »Berlin-Film« nach Probeaufnahmen beurteilt. Die Knef siedelte im Herzen der Wirtschaftswunder-Generation, und als sie 1955 mit dem Musical »Silk Stockings« als »Hildegarde Neff« endlich ihren Broadway-Durchbruch feierte, tönten die Glückwunschtelegramme aus tiefster Brust: »As one Berliner to the other: you were knorke!«
Klar, nüchtern, sorgfältig und zugleich warmherzig zeichnet die Ausstellung Knefs Lebensstationen nach – und lässt dabei jene kurze Phase, die sie postum noch einmal fast in die Boulevard-Schlagzeilen brachte, bewusst beiseite. Hat Hildegard Knef 1945 aus Karrieregründen ihren Ex-Nazi-Liebhaber an die Ami-Gegner verraten oder nicht? Dass damit eine nach Einspruch des Knef-Witwers Paul von Schell eingestampfte Knef-Biografie unlängst um Aufmerksamkeit trommelte, interessiert die Ausstellungsmacher nicht. »Keinerlei Belege« habe man für die böse These gefunden – und was nicht belegbar ist, bleibt außen vor.
Und doch, der Schatz dieser so scheinbar extravertierten Biografie ist noch nicht gänzlich gehoben. So zeigt die Ausstellung hinter Glas ein Tagebuch aus den Jahren 1962 und 1963, das der Witwer in seiner Gesamtheit noch eifersüchtig auch vorm Forscher-Einblick hütet. »Ich finde mein tägliches Leben so füllend und wichtig«, lesen wir da in schwungvoll großer Handschrift auf der freigegebenen Seite, »dass ich mich fürchte, in der Vergangenheit, und sei es für Stunden, unterzutauchen.«
Das hat die Knef später, zum ersten Mal in ihrem Geschenkten Gaul, dem damals erfolgreichsten deutschen Weltbestseller, ausführlich getan. Und für ihr Leben, das in der Tiefe ruhelos und unsicher zwischen Schauspielen, Chansonschreiben- und singen, autobiografischer Literatur und sogar Malerei oszillierte, immer wieder Rede und Antwort gesucht. Die Vaterlose, die labile Ehefrau, die zeitweise Alkohol- und Medikamentensüchtige, die von Krebs Geschlagene trat in zahllosen Talkshows auf, als das Format diesen Namen noch gar nicht hatte, und stellte sich. Einmal, da war sie fast 60 und hatte alles bekommen, was ein Star-Leben so möglich macht, sagte ihr der Journalist Matthias Walden vor der Kamera einen ewigen Nachholbedarf an Zärtlichkeit auf den Kopf zu. Kurzes Nachdenken und dann ertönt die verraucht-verbrauchte, unvergessliche Stimme selbstmitleidlos: »Ja, das muss ich zugeben.« Und Punkt.
Esslinger Zeitung, 24. November 2005
Es muss nicht Venedig sein
Zwischen Triumph und Tragödie: Das Berliner Filmmuseum am Potsdamer Platz zeigt den Nachlass von Hildegard Knef
Von Holger Mehlig
Berlin – Sie besitzt den höchsten Grad von Sex-Appeal, einem Appeal, der Männer und Frauen gleichermaßen anzieht, schrieb eine New Yorker Model-Agentur im Jahr 1950 über Hildegard Knef. Da war die 1928 in Berlin geborene Schauspielerin gerade US-Bürgerin geworden – und am Anfang ihrer Hollywood-Karriere. Knef war nach dem Zweiten Weltkrieg ein deutscher Exportschlager, Filmstar, umjubelt am Broadway, die Königin der Boulevard-Presse, Schauspielerin, Autorin und Sängerin zugleich. Am 28. Dezember wäre „Hildchen" 80 Jahre geworden. Aus diesem Anlass präsentiert das Filmmuseum Berlin derzeit die Sonderausstellung „Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland". Viele bislang unveröffentlichte Fotos und Briefe aus ihrem Nachlass, dazu Filmausschnitte, Kostüme, eigene Gemälde und Plakate zeichnen ihren Lebensweg nach, der am 1. Februar 2002 abrupt endete: Knef starb an einer Lungenentzündung.
Die große Sünderin
Es überrascht zu sehen, wie vielseitig Knef war, wie dicht bei ihr Triumph und Tragödie beieinander lagen – und wie gern sie an beidem die Öffentlichkeit teilhaben ließ. Beispielsweise 1951, als sie Ärger mit der katholischen Kirche hatte. Das kam so: In dem Film Die Sünderin spielt sie eine Prostituierte, die sich in einen erblindenden Maler verliebt, mit dem sie dann gemeinsam Selbstmord begeht. Das allein reichte nicht für einen Skandal. Diesen löste vielmehr eine kurze Szene aus – kaum länger als eine Sekunde –, in der sie als Aktmodell posiert. Die Presse verwendete den Filmtitel künftig als Synonym für die junge Schauspielerin und erinnerte immer wieder an den Nacktauftritt. Die Kirche protestierte – über drei Millionen Menschen sahen den Film daraufhin, und Knef bekam Filmangebote aus ganz Europa. Und für Hollywood wurde sie ebenfalls erst jetzt so richtig interessant.
Auch nach ihrem Weggang aus Deutschland blieb Knef immer in den Schlagzeilen. 1953 berichtete die Bild-Zeitung in großen Lettern von einer angeblichen Liebesromanze mit Gregory Peck. Die Filmküsse in Schnee am Kilimandscharo seien echt gewesen. Das ließ Knef umgehend dementieren. Als sie das gelesen habe, habe sie einen Wutanfall bekommen, wurde berichtet. 1957 kehrte die Diva aus Hollywood zurück, erhielt aber kaum noch Filmangebote. Grund: Das Fernsehen verbreitete sich und bewirkte eine Filmkrise. Anfang der 60er Jahre ging sie deshalb auf Theatertournee, später verlegte sie sich aufs Singen und begann auch kleine Texte zu schreiben. Lieder wie „Ich brauch' kein Venedig" oder „Für mich soll's rote Rosen regnen" führten die Hitlisten an.
Berührende Tagebucheintragungen
Besonders berührend sind Knefs Tagebuchaufzeichnungen, in dem sie von Problemen berichtet, ihr Leben aufzuschreiben. Sie empfinde die Gegenwart so wichtig, „dass ich mich fürchte, in der Vergangenheit, auch sei es nur für Stunden, unterzutauchen", schrieb sie im November 1963. Da hatte sie schon den Briten David Cameron geheiratet und spielte im europäischen Jet Set die erste Geige. Die auftrittsfreie Zeit nach der Geburt ihrer Tochter 1968 nutzte sie dann, um einen autobiografischen Roman zu vollenden. Schon kurz nach seinem Erscheinen 1970 wurde Der geschenkte Gaul zum Bestseller. Es folgten Schicksalsschläge: Sie erkrankte an Krebs, wurde mehrmals operiert. Ihre Ehe ging in die Brüche – und die Presse war dicht dabei. So auch bei der nächsten Heirat, 1977 war Paul von Schell der Auserwählte. Um Ruhe zu finden, „flüchtete" das Paar in die USA. Nach dem Fall der Mauer zog es Knef wieder in ihre Heimatstadt. Sie kehrte in die Öffentlichkeit zurück, trat in zahlreichen Talkshows auf.
Berliner Morgenpost, 24. November 2005
Auch die Wimpern fehlen nicht
Hommage zum 80. Geburtstag: Das Filmmuseum Berlin stellt den Nachlaß von Hildegard Knef aus
Von Peter Zander
Vor drei Jahren erwarb das Berliner Filmmuseum den Nachlaß von Hilde Knef. Jetzt werden erstmals Fundstücke daraus gezeigt: Von frühen Schul- bis späten Lebenszeugnissen wird auch die ganz private Knef erahnbar.
Eigentlich mag man's nicht mehr hören. Die roten Rosen, die's für sie regnen soll. Und die schon permanent regnen. Der 80. Geburtstag ist noch fünf Wochen hin. Dennoch ist Hildegard Knef schon omnipräsent, tummeln sich neue CDs, neue Theaterstücke, neue Bildbände auf dem Markt. Und jetzt auch noch eine Ausstellung? „Eigentlich", stöhnt die Kuratorin Daniela Sannwald, „hat jeder längst ein vorgefertigtes Bild von Hilde Knef." Damit schließt sie sich durchaus mit ein. Aber die Filmwissenschaftlerin war dazu auserkoren, anderthalb Jahre lang den riesigen Nachlaß der Knef aufzuarbeiten und zu einer erlebbaren Ausstellung zu formen. Und ihr Bild wurde revidiert: „Wir haben sie alle unterschätzt. Sie war noch viel vielseitiger, als wir alle gedacht haben."
In der Schau „Hildegard Knef – Eine Künstlerin aus Deutschland" werden jetzt erstmals Fundstücke aus dem Nachlaß, den das Filmmuseum vor drei Jahren erworben hat, öffentlich gemacht. Von ersten Schulzeugnissen („Verpaßte 64 Stunden") über Ufa-Prüfaufnahmen („Hildegard Knef vertritt in Reinkultur den Typus des deutschen Mädchens") über Filmplakate, nie gezeigte private Fotografien, Gemälde der passionierten Malerin bis hin zu den berühmten falschen Wimpern, die natürlich auch nicht fehlen dürfen. Außerdem zahllose Filmausschnitte, wobei selbst der Knef-Experte noch eine Trouvaille entdecken darf: einen Schnipsel des Films Es geschehen noch Wunder, den Willi Forst und die Knef gleich nach der gemeinsamen Sünderin gedreht hatten, heute aber verschollen ist.
Die Exponate sind allerdings nicht nur ausgestellt; sie sind sinnig inszeniert und verweisen über das bloße Objekt hinaus auf dieses rastlose Leben – vom ersten Nachkriegs-Filmstar über die skandalumwitterte „Sünderin" bis hin zu der Sängerin, Bestseller-Autorin und, auch dies, der boulevardesken Frau, die die Öffentlichkeit so suchte wie jene sich an ihr rieb.
Ein liebevoll beklebtes und verziertes Fotoalbum erzählt etwa nicht nur vom Stolz der ersten Erfolge und der frischen Liebe der ersten Ehe; sondern vor allem auch von der Langeweile, die sie mit Kurt Hirsch in Hollywood erlebte, wo sie unter Vertrag stand, aber keine Angebote bekam. In späteren Jahren sollte sie nicht mal mehr Zeit zum Sortieren haben und alles ungeordnet zusammenstopfen. Oder die große Bildwand mit Hollywood-Probeaufnahmen: Sie zeigen die Knef nicht nur in den verschiedensten Facetten – als verruchter Vamp, sportlicher Typ oder auch, kaum vorstellbar, als braves Maderl im Rüschenhemd –, sondern demonstrieren vor allem die Hilflosigkeit des Studios, wie sie am besten zu vermarkten sei.
Artikel der Boulevardpresse (allein bei der Bildzeitung soll sie es auf 400 Schlagzeilen gebracht haben) säumen wie ein roter Faden den Werdegang der durchaus publicity-trächtigen, am Ende gar -süchtigen Diva. Das kulminiert in einer riesigen Monitorwand, wo auf zwölf Bildschirmen Ausschnitte aus diversen Talkshows von 1967 bis 2001 rieseln. Beleg nicht nur für die Beliebt- und Gefragtheit dieses nie um pointierte Meinungen verlegenen Stars über Jahrzehnte hinweg. Nein: Davor stehend läßt sich auch trefflich über das Phänomen Talkshow selbst sinnieren, vom einst seriösen Format hin zur beliebigen Quasselrunde. Das gibt schon einmal einen Vorgeschmack darauf, wie das Fernsehmuseum, das im kommenden Jahr das Filmhaus komplettieren soll, aussehen und wirken könnte.
In allen Räumen ist Knef auch akustisch omnipräsent. Durch den Konzertmitschnitt in der Philharmonie 1967 wie auch auf dem Audio-Guide, mit dem sie quasi selbst durch ihr Leben führt. Ganz am Ende kann man sich dann auf einem Barhocker niederlassen und in einer Juke-Box aus 80 Liedern der Knef wählen. Die „Roten Rosen" selbstredend inklusive.
TIP Nr. 24, Berlin 2005
Hommage
Man kann der Knef auf verschiedene Weise verfallen. Sie war Schauspielerin, Tänzerin, Sängerin, Bestsellerautorin. Sie konnte prima auf Deutschland schimpfen, hinreißend über Berlin schwärmen und war ganz einfach der erste deutsche Star der Nachkriegszeit. Weil man sie nicht auf ein Genre reduzieren kann, heißt eine neue Sonderausstellung des Filmmuseums Berlin auch mit gutem Grund Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland. Die Ausstellung versammelt unter anderem unveröffentlichte Fotos, Showkleider und Briefe von Henry Miller, Carl Zuckmayer und Marlene Dietrich. Unser Bild zeigt Hildegard Knef im Sommer 1964 in ihrem Haus in Percha am Starnberger See, fotografiert von Ulrich Mack. Auch diese Fotosession ist erstmals in der Ausstellung zu sehen.
Berliner Zeitung, 24. November 2005
Das Gesicht ist unser Firmenschild
Das Filmmuseum Berlin zeigt die Ausstellung "Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland"
Von Carmen Böker
Am Anfang herrschte eine gewisse Ratlosigkeit in der Rezeption vor. „Das Gesicht der Hildegard Knef bleibt nicht immer gefüllt", hieß es anlässlich Wolfgang Staudtes Film Die Mörder sind unter uns (1946). Und zu Rudolf Jugerts Film ohne Titel (1948) wurde, ganz ähnlich unrund, formuliert: „Hildegard Knef spielt die Rolle mit dem jugendlichen Reiz verhüllter Reife." Man tat sich schwer mit der Kategorisierung jenes Fräuleinwunders, das schon in jungen Jahren einen so erwachsenen Eindruck machte, mit einer Frau, die so souverän spielte wie posierte, die in ihrer ganzen unverblümten Haltung eine Einladung aussprach, sich doch gefälligst mit dem zu beschäftigen, was unter ihrer modernen, mondänen, marmorkühlen, melancholischen Oberfläche lag: Die Knef war eine der ersten Filmschauspielerinnen, bei der sich das öffentliche Bild aus Leben und Werk fügte.
Wie kannte das Publikum denn bis dahin „seine" Stars? Doch nur durch gezielt gestreute und sorgsam ausgewählte Fotografien, mit denen sie zu Projektionen, zu entrückten Objekten der Begierde werden konnten. Sie waren gewissermaßen die dürren Ästlein, die man in ein Salzbergwerk warf, wo sie dann allmählich unter glitzernden Kristallen verschwanden – bis zur völligen Unkenntlichkeit des Charakters. Auch Marlene Dietrich, rund zwei Jahrzehnte älter als Knef, ist es trotz ihres Kontrollwahns ähnlich ergangen, sie zog irgendwann das Verschwinden dem protokollierten Verfall vor. Hildegard Knef, die mit ihr befreundet war, sagte über diesen Fall einmal: „Ich fand das furchtbar, dass sie (.) ihre Wohnung nicht mehr verließ. Sie war ein Opfer ihrer Schönheit geworden." Knef hingegen machte ihre Opfer für die Schönheit öffentlich: Alle wussten etwa von ihrer Gesichtsoperation in den späten Siebzigern – ihr war das nicht peinlich, ihren Interviewpartnern allerdings meistens schon. Als Joachim Fuchsberger sie mit heimlicher Häme fragte, wie sie sich nun fühle, antwortete sie knochentrocken: „Das Gesicht ist unser Firmenschild."
Am 1. Februar 2002 starb Hildegard Knef in Berlin an einer Lungenentzündung, am 28. Dezember 2005 wäre sie 80 Jahre alt geworden. Das Filmmuseum Berlin widmet ihr zu diesem Anlass ab heute die Ausstellung „Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland". Die mit Fotografien (darunter zahlreiche bisher unveröffentlichte Privataufnahmen), Plakaten, Filmausschnitten, Kostümen und von Knef gestalteten Collagen-Alben bestückte Schau präsentiert 80 Prozent des Nachlasses; der Witwer Paul von Schell hatte ihn vor drei Jahren dem Filmmuseum verkauft.
Die Knef-Hommage ist chronologisch organisiert, vor allem die Ära der großen Erfolge wird ausführlich bedacht; sie reicht von der Sünderin (1951) über die Broadway-Hauptrolle im Musical „Silk Stockings" (1954) und die großen Chanson-Tourneen, natürlich im Balmain-Maßkleid!, bis hin zu dem autobiografischen Roman Der geschenkte Gaul (1970) – ein Bestseller. Am Ende des recht übersichtlichen Rundgangs landet man vor einer Monitor-Wand: Für Krisen und Krankheiten, die nach dem Geschenkten Gaul folgten in Knefs Leben, stehen dezent stellvertretend ihre zahlreichen TV-Auftritte. Überhaupt sei die Schauspielerin, Sängerin, Autorin (und Freizeitmalerin) in dieser Hinsicht eine „exemplarische Figur", sagt die Kuratorin Daniela Sannwald: Mit ihrem Leben ließen sich vier Jahrzehnte Fernsehgeschichte erzählen.
Hildegard Knef sollte schon 1958 beklagen, dass die Medien kein Tabu mehr kennen und nur noch nach unwichtigsten Einzelheiten gieren würden: „Dieses Eingreifen in das private Leben: das ist Missachtung des Individuums." Dennoch bereitete es ihr keine Schwierigkeiten, die Geister zu dressieren, die sie rief. Der Geschenkte Gaul verkaufte sich auch deshalb so beispiellos gut, weil seine Publikation von einer großangelegten, damals eher unüblichen Werbekampagne eingeleitet wurde, nach ausführlichen Berichten über die schwere Geburt der Tochter Christina (1968) gab es natürlich alsbald einen Babyfototermin für die Presse,die mit Mundschutz erscheinen musste.
So selbstverständlich, wie Hildegard Knef mit den neuen medialen Möglichkeiten umzugehen wusste, so aufgeregt waren oft diejenigen, die sie ins Bild zu rücken hatten: Eine Einspielung zeigt die Vorbereitungen zu einem Porträt, das in einer der zahlreichen Wohnungen der Knef – sie zog 50 Mal um – produziert werden sollte. Hildegard Knef rutscht im kurzen Shiftkleid geduldig auf dem Teppich herum, arrangiert die Beine anders, den Kopf tiefer, ganz nach Belieben des planlos agierenden Teams. Und sagt inmitten des ganzen Durcheinanders: „Wenn ich mich jetzt nicht mal kurz hinlege, dann schlafe ich ein."
Rheinische Post, Düsseldorf, 24. November 2005
Ausstellung inszeniert Legende Hildegard Knef
(rpo)
Hildegard Knef. Ihr Leben und Lieben füllte drei Bücher: 1970 wurde Der geschenkte Gaul sofort zum Bestseller. Zwei weitere autobiographische Bände folgten. Knef war Filmdiva, Autorin und Sängerin. Diesem Phänomen widmet sich nun das Filmmuseum Berlin mit der Sonderausstellung „Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland". Anlass ist der Geburtstag der Filmlegende, die am 28. Dezember 80 Jahre alt geworden wäre.
Fünf Räume widmet das Museum in Berlin der deutschen Schauspielerin, die doch nur wenige Jahre über einen deutschen Pass verfügte. Früh suchte Hildegard Knef ihr Glück in den USA, zuerst an der Seite ihres ersten Mannes Kurt Hirsch. Dabei hatte die 16-Jährige zunächst eine Lehre als Trickfilmzeichnerin bei der Ufa begonnen, bevor sie ein Jahr später zum Schauspiel wechselte.
Ihre erste große Hauptrolle spielte Hildegard Knef direkt nach dem Krieg 1946 in Die Mörder sind unter uns, der endgültige Durchbruch kam mit Die Sünderin 1951, ein Skandal wegen einer sekundenkurzen Nacktszene. Danach trat sie 18 Monate am Broadway auf, drehte in Deutschland, Frankreich, England und den USA an der Seite von Hardy Krüger, O.W. Fischer, Gregory Peck.
Später machte vor allem ihr Privatleben Schlagzeilen. Die Ehe mit Schauspiel-Kollege David Cameron, die 1962 geschlossen und 1975 unter großem Anteil der Presse geschieden wurde, ihre Krebserkrankung, die dritte Ehe mit Paul von Schell und 1980 ihre Schönheitsoperation, die in den deutschen Schlagzeilen „Entsetzen und Jubel über ihr neues Gesicht" auslöste.
Solcherart Schlagzeilen sind es, die sich in der Ausstellung als roter Faden durch das bewegte Leben der Hildegard Knef ziehen. Parallel zeigt die Schau bislang unveröffentlichte Fotos von Film- und Bühnenrollen, auch aus Privatwohnungen, die sie dem Museum zufolge über 50mal im Leben wechselte. Die Exponate stammen aus dem Nachlass der Schauspielerin, den das Museum vor drei Jahren erwarb und nun erstmals ausführlich zugänglich macht.
Allerdings bleibt die große Künstlerin zwischen den vielen Pressefotos und Fanpostkarten, Filmplakaten, Bühnenroben und TV-Auftritten, die im Schlussraum der Ausstellung über Monitore flimmern, seltsam zurückgenommen. Kaum kommt sie selbst zu Wort. Zwar gibt es einige Briefe an Freundin Marlene Dietrich, auch ein Tagebuch wird gezeigt. Doch was hinter der Fassade einer Diva lag, bleibt auch nach einem Ausstellungsrundgang verborgen. Eine Auseinandersetzung mit dem Denken, Hoffen und Zweifel der Schauspielerin findet nicht statt.
So bleibt die Knef „die Knef". Die Ausstellung liefert eine Hommage an eine große Schauspielerin, die sich wie keine Zweite auch als Malerin, Autorin, Songschreiberin und Sängerin bewies. Ihr Comeback Ende der 90er Jahre mit der Extrabreit-Version ihres Chansons „Für mich soll's rote Rosen regnen" – ein Bild. Es bleibt.
Deutschlandradio Kultur, 24. November 2005
Unbekannte Seiten einer großen deutschen Diva.
Filmmuseum Berlin präsentiert Nachlass von Hildegard Knef
Von Michael Lachmann
Neben Marlene Dietrich gehört Hildegard Knef zu den bekanntesten deutschen Schauspielern im Ausland. Aus Anlass ihres 80. Geburtstages zeigt das Filmmuseum Berlin unbekannte Facetten der Knef anhand von Fotos und Dokumenten aus ihrem Nachlass. Den hatte das Museum vor drei Jahren von ihrem letzten Ehemann Paul von Schell erworben.
[Musik: Für mich solls rote Rosen regnen…]
Ob bei diesem Chanson oder „Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen" – wenn die Stimme der Knef zu hören ist, jagt es manchem Zuhörer auch heute noch einen wohligen Schauer über den Rücken. Die Stimme der deutschen Greco scheint unsterblich und die Fangemeinde verjüngt sich immer wieder. Ein Phänomen.
Neben Marlene Dietrich und Romy Schneider gehört Hildegard Knef unbestritten zu den wenigen deutschen Schauspielerinnen, deren Ruhm über Deutschlands Grenzen hinausreicht. Noch bevor der VW-Käfer in den USA Anfang der 50er zum deutschen Markenzeichen schlechthin werden sollte, war die junge blonde selbstbewusste Frau mit der dunklen Stimme und dem unverbrauchten Antlitz d e r Import aus Old Germany.
Vorausgeeilt war ihr zudem der Ruf, im Nachkriegsdeutschland in zwei wichtigen Filmen vor der Kamera gestanden zu haben – in Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (1946), dem ersten Spielfilm im befreiten Deutschland, wo sie eine KZ-Heimkehrerin spielt, und in Willi Forsts Die Sünderin (1950), in dem sie als Prostituierte für Sekunden in einer Nacktszene zu sehen war, was in der jungen Bundesrepublik damals mancherorts als Eklat empfunden wurde, ihr aber in den USA endgültigen Durchbruch im Spielfilm und am Broadway verschaffte.
Knef: Als der Film Die Mörder sind unter uns in Amerika herauskam, hat man mich gefragt, was das für eine entsetzliche Dekoration sei, das sei doch nun sehr übertrieben. Wir hatten nächtelang, monatelang, am Alexanderplatz gedreht, und ich sagte, das ist keine Dekoration – so sieht Berlin jetzt aus.
Dem wieder aufgebautenBerlin sollte sie, mit einigen längeren Unterbrechungen in den USA, die Treue bis zuletzt halten. Viel ist ja über dieses Multitalent, die Schauspielerin, Sängerin, Autorin, Malerin und ihre Höhen und Tiefen geschrieben worden, was sie selbst auch oft provoziert hat. Bei einer großen deutschen Gazette war sie in fünf Jahrzehnten gar 400 Mal der Aufmacher.
Aber ziemlich unergründet bleibt jene Zeit zu Beginn ihrer Karriere, als sie 1942 bei der UFA als Trickfilmzeichenlehrling anheuerte und 1943 als Entdeckung des Reichspropagandaministers zum Schauspiel zu wechseln hatte. Diesen frühen Lebensabschnitt analysierte am Abend, vorab im Filmmuseum präsentiert, die WDR/rbb-Fernsehdokumentation „Knef – Die frühen Jahre". Museumschef Hans-Helmut Prinzler mit seiner ersten Einschätzung:
„Felix Moeller hat sehr gut recherchiert, hat auch sehr gute Gesprächspartner gefunden, die in dieser Konstellation zum ersten Mal in einem Film beisammen sind, also z. B. alle Ehemänner, die sind nicht an einer Stelle zusammengekommen, sondern er hat sie an verschiedenen Stellen aufgesucht und ich denke, dass er sehr sorgfältig gearbeitet hat, nicht spekulativ und dass insofern man ein bisschen mehr, ein bisschen genauer in diesem Film sehen kann und ich denke, dass das aus dem Film auch klar wird, dass das eine sehr verwirrende Situation für viele Menschen war, auch für Hildegard Knef und dass sie sich da auch ein bisschen zwischen den Fronten verlaufen hat."
Gemeint ist u. a. ihr Liebesverhältnis zu dem Goebbels-Intimus und Reichsfilmdramaturgen Ewald von Demandowski, der, wie Autor Felix Moeller in Moskauer Archiven herausfand, 1946 von den Sowjets hingerichtet wurde. Moeller gelingt es, bisherige Grauzonen im Leben der Knef aufzuhellen und Spekulatives zu verdrängen.
Der Sohn des Jud Süss-Regisseurs Veit Harlan erinnert sich an Besuche der jungen Knef in der Uniform des Volkssturms im untergehenden Berlin. Der Film offenbart dieses Kapitel ihrer Liebe im Schatten einer schrecklichen Zeit, in der aber auch schon ihre rigorose Sehnsucht nach großer Karriere mitschwingt und sich ein dazu erforderlicher unermüdlicher Durchsetzungswille bereits andeutet. Kuratorin Daniela Sannwald war in der Ausstellung um viele Lebensfacetten bemüht:
Wenn man sich mit einem Nachlass beschäftigt, hat man die Möglichkeit, eine Person gleichzeitig in vielen verschiedenen Lebensphasen zu sehen. Man hat die Möglichkeit, Erfolge und Rückschläge mitzuverfolgen. Man sieht eine Person altern und wieder jünger werden. Man sieht sie korrespondieren, also man sieht die ersten Verehrerbriefe aus dem Jahr 1942. Man sieht beispielsweise an der Korrespondenz mit Boleslaw Barlog, wie sich jahrzehntelange Freundschaften entwickeln, ein Leben nachzuvollziehen und dann noch mit Leuten zu sprechen, die sie gekannt haben und die zusätzliche Informationspartikel beisteuern und wir hoffen, dass sich das in dieser Ausstellung niederschlägt.
„Sie hat alle Höhen und Tiefen eines faszinierenden Lebens ausgekostet", bescheinigt ein älterer Verehrer, Altbundespräsident Walter Scheel, der Künstlerin und aus ihrem geheimen Tagebuch der frühen 60er entdeckt der Besucher heraus getrennte selbstkritische Seiten. Folgeblätter sind offenbar noch in Familienbesitz, oder?
Private Fotos, viele davon noch nie zu sehen, führen wie ein roter Faden durch die Ausstellung und zeigen das bewegte Leben der Knef – demgegenüber Zeitungsartikel über Höhenflüge, Sinnkrisen und Krankheiten des Stars. Trotz ihrer 50 Umzüge (!) ist davon erstaunlich viel erhalten geblieben, registriert Sammlungsleiter Peter Mänz. Ein typisches Beispiel – die Knef gehört vielen Menschen.
Ein Foto von der Bundesfilmpreisverleihung 1959, da erschien Hildegard Knef erstmals mit ihrem späteren Mann, David Cameron, und da gibt es einen Schnappschuss: Eddie Constantine küsst Hildegard Knef und Cameron steht im Hintergrund und man sieht, dass er nicht gerade amüsiert ist und er hat natürlich ganz die Contenance bewahrt.
Durch Radio und Fernsehen erreichte die Knef mit ihren Chansons Millionen Zuhörer. Auszüge aus legendären Konzerten und aus Talkshowauftritten bieten Monitore an, laden zum Verweilen ein und machen deutlich, wie sehr die Karriere dieser Frau mit der Mediengeschichte der Bundesrepublik verknüpft war.
Die Welt, Berlin, 25. November 2005
Die Knef, privat.
Das Filmmuseum Berlin zeigt erstmals Stücke aus dem Nachlaß der Schauspielerin
Von Peter Zander
Eigentlich mag man's nicht mehr hören. Die roten Rosen, die's für sie regnen soll. Und die schon permanent regnen. Der 80. Geburtstag ist noch fünf Wochen hin. Dennoch ist Hildegard Knef schon omnipräsent, tummeln sich neue CDs, neue Theaterstücke, neue Bildbände auf dem Markt. Und jetzt auch noch eine Ausstellung? „Eigentlich", stöhnt die Kuratorin Daniela Sannwald, „hat jeder längst ein vorgefertigtes Bild von Hilde Knef." Damit schließt sie sich durchaus mit ein.
Aber die Filmwissenschaftlerin war dazu auserkoren, anderthalb Jahre lang den riesigen Nachlaß der Knef aufzuarbeiten und zu einer erlebbaren Ausstellung zu formen. Und ihr Bild wurde revidiert: „Wir haben sie alle unterschätzt. Sie war noch viel vielseitiger, als wir alle gedacht haben."
In der Schau „Hildegard Knef – Eine Künstlerin aus Deutschland" (bis 17. April) werden jetzt erstmals Fundstücke aus demNachlaß, den das Filmmuseum vor drei Jahren erworben hat, öffentlich gemacht. Von ersten Schulzeugnissen („verpaßte 64 Stunden") über Ufa-Prüfaufnahmen („Hildegard Knef vertritt in Reinkultur den Typus des deutschen Mädchens") über Filmplakate, nie gezeigte private Fotografien, Gemälde der passionierten Malerin bis hin zu den berühmten falschen Wimpern, die natürlich auch nicht fehlen dürfen.
Außerdem zahllose Filmausschnitte, wobei selbst der Knef-Experte noch eine Trouvaille entdecken darf: einen Schnipsel des Films Es geschehen noch Wunder, den Willi Forst und die Knef gleich nach der gemeinsamen Sünderin gedreht hatten, der heute aber verschollen ist.
Die Exponate sind allerdings nicht nur ausgestellt; sie sind sinnig inszeniert und verweisen über das bloße Objekt hinaus auf dieses rastlose Leben – vom ersten Nachkriegs-Filmstar über die skandalumwitterte „Sünderin" bis hin zu der Sängerin, Bestseller-Autorin und, auch dies, der boulevardesken Frau, die die Öffentlichkeit so suchte, wie jene sich an ihr rieb.
Ein liebevoll beklebtes und verziertes Fotoalbum erzählt etwa nicht nur vom Stolz der ersten Erfolge und der frischen Liebe der ersten Ehe, sondern vor allem auch von der Langeweile,die sie mit Kurt Hirsch in Hollywood erlebte, wo sie unter Vertrag stand, aber keine Angebote bekam. In späteren Jahren sollte sie nicht mal mehr Zeit zum Sortieren haben und alles ungeordnet zusammenstopfen.
Oder die große Bildwand mit Hollywood-Probeaufnahmen: Sie zeigen die Knef nicht nur in den verschiedensten Facetten – als verruchter Vamp, sportlicher Typ oder auch, kaum vorstellbar, als braves Maderl im Rüschenhemd –, sondern demonstrieren vor allem die Hilflosigkeit des Studios, wie sie am besten zu vermarkten sei.
Artikel der Boulevardpresse (allein bei der Bild-Zeitung soll sie es auf 400 Schlagzeilen gebracht haben) säumen wie ein roter Faden den Werdegang der durchaus publicity-trächtigen, am Ende gar -süchtigen Diva. Das kulminiert in einer riesigen Monitorwand, wo auf zwölf Bildschirmen Ausschnitte aus diversen Talkshows von 1967 bis 2001 rieseln.
Beleg nicht nur für die Beliebt- und Gefragtheit dieses nie um pointierte Meinungen verlegenen Stars über Jahrzehnte hinweg. Nein: Davor stehendläßt sich auch trefflich über das Phänomen Talkshow selbst sinnieren, vom einst seriösen Format hin zur beliebigen Quasselrunde. Das gibt schon einmal einen Vorgeschmack darauf, wie das Fernsehmuseum, das im kommenden Jahr das Filmhaus komplettieren soll, aussehen und wirken könnte.
In allen Räumen ist Knef auch akustisch omnipräsent. Durch den Konzertmitschnitt in der Philharmonie 1967 wie auch auf dem Audio-Guide, mit dem sie quasi selbst durch ihr Leben führt. Ganz am Ende kann man sich dann auf einem Barhocker niederlassen und in einer Juke-Box aus 80 Liedern der Knef wählen. Die „Roten Rosen" selbstredend inklusive.
Bild, Berlin, 25. November 2005
Jetzt veröffentlicht! Das Zeugnis der Knef.
Eine Ausstellung zum 80. Geburtstag des Weltstars zeigt in Berlin erstmals Dokumente aus dem privaten Nachlass
Von V. Schulemann
Ein Geschenk für eine Legende …
Die unvergessliche Knef – am 28. Dezember wäre sie 80 Jahre alt geworden. Das Filmmuseum Berlin präsentiert jetzt erstmals die schönsten Exponate aus dem Nachlass des Weltstars (gest. 2002). 18 Monate durchforstete Kuratorin Dr. Daniela Sannwald das Erbe der Hildegard Frieda Albertine (ihr Geburtsname). Wählte schließlich ihr Zeugnis, 137 Fotos, Kostüme, dutzende Briefe aus. Darunter amüsante Überraschungen: z. B. den Verehrerbrief von Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass ( Die Blechtrommel) von 1967: „Ich hoffe, dass sie unser zweitägiges Rendezvous mit unverlierbaren Augenzeugen nicht so absolut verdrängen werden…“. Marlene Dietrich, die die Knef 1947 in den USA kennen gelernt hatte, schrieb auf englisch („My dearest Hildekind …“) und empfahl der Freundin ihren New Yorker Astrologen. BILD zeigt die schönsten Stücke aus dem Knef-Erbe:
Hildchens Zeugnis: Das Zeugnis aus dem Winterhalbjahr 1933/34. In Aufmerksamkeit, Fleiß, Deutsch und Heimatkunde gab es jeweils Einsen. Hildchens Klasse: Hildchen in der 12. Volksschule in Wilmersdorf. Sie sitzt rechts neben der Lehrerin. Hat schon den berühmten Blick Hildchens Hund: Mit Hund am Strand von Los Angeles. Drei Jahre wartete sie auf den großen Hollywood-Erfolg – er gelang 1951 als Hildegarde Neff Hildchens Skizzen: 1942 hatte Hildegard Knef eine Ausbildung als Trickzeichnerin bei der UFA begonnen. Bis ins hohe Alter blieb sie der Malerei treu. Hildchens Mama: 1956 verewigte Hildegard Knef ihre Mutter Frieda Augusta in Öl. Nach ihrer Rückkehr aus den USA wohnten sie zusammen. Hildchens Selbstporträt: So sah sich die Knef selbst. Die Kreidezeichnung entstand 1957 – ein Jahr nach ihrem internationalen Durchbruch. Hildchens Wimpern: Die Kunst-Wimpern der Knef. Zu Glanzzeiten trug sie drei paar übereinander. Das Make-up richtete ihr Lieblings-Visagist René Koch.
Film-Dienst Nr. 25, Bonn 2005
Eine Diva, die polarisiert.
Berliner Ausstellung zum 80. Geburtstag von Hildegard Knef
Volker Baer
»Wer will mit mir tanzen ...?« Man vernimmt die charakteristische Stimme mit dem rauen Timbre, die von ihren frühen Tagen an bis ins hohe Alter ihren eigenwilligen Klang behalten hat: rauchig, herausfordernd, vielleicht auch ein wenig abweisend, ein wenig wehmütig und doch stets selbstbewusst. Noch bevor man all die Bilder sieht und all die Texte liest, ist man einmal mehr von dieser Stimme eingefangen. Unverkennbar, unüberhörbar: die Knef.
Aus Anlass des 80. Geburtstags der 2002 verstorbenen Schauspielerin zeigt das Filmmuseum Berlin eine Ausstellung, die sich vornehmlich auf ihren 2003 erworbenen Nachlass gründet. Biografisch und thematisch gleichermaßen aufgebaut (Kuratorin: Daniela Sannwald), erlaubt sie einen umfassenden Blick auf ein Künstlerleben mit all seinen Widersprüchen und Widrigkeiten, Auf- und Abstiegen: „Von da an ging’s bergab ...“ vernimmt man weithin aus einem anderen Raum, in dem man die Aufzeichnung eines Konzerts aus dem Jahr 1969 in der Berliner Philharmonie verfolgen kann, bei dem Hildegard Knef auch einen Song der Seeräuber-Jenny aus Brechts Dreigroschenoper ins Programm genommen hatte – mit aller Vitalität, aber auch mit leisen Zwischentönen.
Aus der Zeit gefallen
Zunächst verfolgt man, stets den Klang ihrer Stimme im Ohr, den Weg, den Hildegard Knef nahm. 1925 in Ulm geboren, wuchs sie nach dem frühen Tod ihres Vaters in Berlin auf. Und diese Stadt ließ sie, wie manch andere Schauspielerin auch, zur richtigen Berlinerin werden, für nicht wenige sogar zu einer Stimme Berlins. 1942 lernte sie als Trickfilmzeichnerin bei der Ufa, 1943 erhielt sie einen Ausbildungsvertrag als Schauspielschülerin, wenig später bereits stand sie vor der Kamera, in einem Spiel von Eleven, die vor einer Prüfungskommission auftraten. Sie wirkt, selbst noch Schülerin in diesem Übungsfilm, bereits gewandt und selbstbewusst, wie man auf einem kleinen Monitor beobachten kann. Die Filme, die sie noch vor Kriegsende drehte – Erich Engels Fahrt ins Glück und Helmut Käutners Unter den Brücken –, kamen erst Jahre später ins Kino. So gründete sich ihr früher Ruf zunächst auf ihre Theaterauftritte in Berlin, wofürman in Vitrinen Zeugnisse aller Art findet. Fotos dokumentieren ihr Spiel etwa in Inszenierungen von Boleslaw Barlog am Schlosspark-Theater. Der Durchbruch kam mit Wolfgang Staudtes Film Die Mörder sind unter uns, der noch vor Gründung der DEFA mit sowjetischer Lizenz realisiert wurde. Hier fiel ein junges, vor allem neues Gesicht im deutschen Film auf, das sich auch weiterhin, wie man beobachten konnte und noch immer ermessen kann, gegen das geläufige Frauenbild der Zeit absetzte; eigenwillig, vielleicht auch ein Protest gegen die Zeit. Es fiel gleichsam aus der Zeit heraus, prägte sich, markant im Profil, früh ein. Am Ende schien es fahl, farblos, vom Leben gezeichnet.
Die Ausstellung folgt dem Weg der Schauspielerin akribisch, überspringt jedoch (mitDiskretion?) die Tage und Wochen des Kriegsendes, in denen Hildegard Knef zunächst mit einem NS-Filmfunktionär liiert war, dann, angeblich, in Uniform in den Krieg zog, in Gefangenschaft geriet, aus der sie alsbald flüchtete. Hier ist so manches, was sie erzählte, nicht belegt, andererseits vieles, was in jüngster Zeit behauptet wurde, nicht gesichert, weshalb denn auch jüngst eine Knef-Biografie zurückgezogen werden musste. Die Ausstellung hält sich aus diesem Streit heraus, widmet sich stattdessen dem Werden eines Stars, den Wanderungen zwischen Europa und Amerika, den Bewegungen zwischen den unterschiedlichsten Metiers, Film und Bühne, Musikpodium, Literatur und Malerei. Die Vielseitigkeit eines Talents jedenfalls teilt sich dem Betrachter mit. Ansprechend etwa die Porträtstudien, die eine selbstbewusste Frau zeigen, die mit ihren Mitteln durchaus zu spielen und zu wuchern versteht. Hildegard Knef versteht es, ihren Typ zu ändern, und bleibt doch immer dabei »die Knef«, ein reizvolles Spiel mit mimischen Mitteln, wirkungsvoll wechselnden Kostümen. Szenen- und Arbeitsfotos zeugen von ihrer Film- und Bühnentätigkeit, nicht zuletzt von ihrem Spiel im Musical »Silk Stockings« (1955 in New York), ein überaus erfolgreicher Auftritt, der ihr wie manch anderes von einem Teil der deutschen Presse missgönnt wurde. Sie war nicht selten ein Spielball sensationslüsterner Berichterstattung, was den Zeitungsausschnitten zu entnehmen ist, die sich wie ein Band an den Wänden durch die Ausstellung ziehen. Hildegard Knef wurde, mitleidlos, zum Objekt mehr oder minder unseriöser Schlagzeilen, und gerade die bestimmten zum nicht geringen Teil ihr Bild in der öffentlichen Meinung. Wie Hildegard Knef sich ihrerseits der Presse zu bedienen wusste, sie raffiniert in ihre Dienste nahm, kommt in der Ausstellung weniger zum Tragen; dafür gibt es im vorzüglichen Begleitbuch einen aufschlussreichen Beitragvon Peter Mänz zu diesem Thema. Wie überhaupt der Katalog ein hilfreicher Weg zur Information und zur Auseinandersetzung ist. Hier werden die Filmschauspielerin (von Daniela Sannwald), die Fernsehdarstellerin (von Klaus Kreimeier), die Autorin (von Iris Radisch), die Malerin (von Vera Thomas) porträtiert und interpretiert; hier berichtet Werner Sudendorf über die Freundschaft mit Marlene Dietrich, und hier verfolgt Felix Moeller kritisch das Kriegsende »der Knef«. Ein informativer, optisch ansprechender Band mit großzügiger Bebilderung: eindringliche Aufnahmen eines Stars (Gestaltung: Volker Noth).
Eine Künstlerin in ihrer Zeit
Was in der Ausstellung fehlt, gleichsam als Gegengewicht zum Geschwätz der Boulevardpresse, sind Kritiken und Interviews von seriöser Hand. Dafür bietet sich reichlich Gelegenheit, Hildegard Knef in Bild und Wort zu begegnen: Auf zwölf Monitoren und mit ebenso vielen Kopfhörern kann man Gespräche aus der Zeit zwischen 1967 und 2001 verfolgen, unter ihnen Begegnungen u. a. mit Friedrich Luft und Matthias Walden; an einem weiteren Monitor lässt sich ein Bericht von Felix von Eckardt (der auch einmal Adenauers Pressesprecher war) betrachten, hoch über den Dächern von Hollywood. Solche Begegnungen machen die Ausstellung lebendig, die auch vielerlei zum Lesen bietet, Briefe von Freunden, unter ihnen Henry Miller, Briefe von offizieller Hand, u. a. von Willy Brandt als Bundeskanzler und Walter Scheel als Bundespräsident, von Kollegen wie Helmut Käutner und, wohl etwas kurios, von Günter Grass (der Katalog bietet ein Foto von Grass und der Knef).
Eine Künstlerin in ihrer Zeit – aus einigen Dokumenten spricht der meist ungute Zeitgeist, etwa wenn einst Regensburgs Oberbürgermeister selbstherrlich die Vorführung des Films Die Sünderin verboten hat oder die Filmbewertungsstelle 1959 ein Prädikat für den Mann, der sich verkaufte verweigerte, weil der Film »im Negativen haften bleibt«. Hildegard Knef erhielt für ihre Rolle in dieser Inszenierung einen Bundesfilmpreis. An Auszeichnungen hat es ohnehin nicht gefehlt: sie füllen, ob »Bambi« oder Festspiel-Trophäen, Orden oder ein Filmband für ihr hervorragendes und langjähriges Wirken im Film, mehr als eine Vitrine. Glitzer auch in anderen Glasschränken: Kleider von gepflegter, mitunter leicht überspannter Eleganz, Bühnenkostüme, Roben der Sängerin. Auch dies ist »die Knef«, ebenso wie die pompöse Einrichtung einer ihrer Wohnungen in Berlin, die einer Filmszenerie gleicht. Dann aber auch, ganz ernst, ganz konzentriert die Autorin: Allein 14 ausländische Ausgaben ihres autobiografischen Romans (oder ihrer romanhaften Autobiografie?) Der geschenkte Gaul zeugen vom internationalen Erfolg der Schriftstellerin, die man auch bei einer Lesung auf einem Monitor sehen kann – und hören: jene unverwechselbare dunkle Stimme, berlinischer Klang, Mutterwitz und ein wenig Sentimentalität – eine Diva, die bis auf den heutigen Tag polarisiert. Zumindest waren manche ihrer 40 Filme – zwölf von ihnen sind in Ausschnitten zu sehen – umstritten, bei Publikum und Kritik.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Dezember 2005
Gott weiß, ich will kein Engel sein.
Der Wandelstern: Eine Ausstellung ehrt Hildegard Knef
Von Andreas Kilb
Wenn man die Bilder aus ihren ersten Filmen sieht, die Fotos, die Schlagzeilen, die Telegramme, die Briefe, und dazu ihre Chansons hört, gesungen von einer Frauenstimme, die Glück und Jugend hinter sich hat, spürt man eine tiefe Bitterkeit. Es ist die Trauer über so viele deutsche Stars, die keine wurden, über so viele ziellose und fragmentarische Filmkarrieren nach dem Krieg, über Horst Buchholz und Hardy Krüger, Ruth Leuwerik und O. W. Fischer, Lilli Palmer und Maria Schell. Manche von ihnen leuchteten kurz, andere länger. Aber es gab eine Zeit, da überstrahlte Hildegard Knef sie alle. Als das deutsche Kino, wie das ganze Land, in Ruinen lag, brauchte es nichts dringender als ein neuesGesicht, eine Frau, von der man träumen konnte, deren Schönheit ein Versprechen auf die Zukunft gab. Und das war sie.
In Staudtes Die Mörder sind unter uns, 1946, spielt sie die tapfere Hausfrau, die sich, kaum aus dem Lager zurückgekehrt, wieder an die Arbeit macht, in Harald Brauns Zwischen gestern und morgen, ein Jahr später, die allein erziehende Kat, die sich mit Hilfe verschiedener Männer durchs Leben schlägt. Zwei kleine, schlichte Rollen, aber sie genügen, um die Zwanzigjährige ans Firmament des deutschen Nachkriegskinos zu heben. Als die erste Ausgabe des Stern erscheint, ist sie auf dem Titelblatt. Unter lauter älteren Männern, Hans Albers, Victor de Kowa, Willi Forst, verkörpert sie den Lebenshunger einer neuen Generation; was sie braucht an Liebe, Arbeit, Geld und Sex, nimmt sie sich, ohne bei den Amtsträgern nachzufragen. In Forsts Die Sünderin, 1950, zieht sie sich aus und sorgt für den ersten Filmskandal der fünfziger Jahre. Die Kirche warnt vor der zweifelhaften Moral und der Todessehnsucht des Films, aber die Massen strömen ins Kino, um die nackte Knef zu sehen, in Regensburg erzwingen sie durch Demonstrationen die Öffnung der Lichtspieltheater. Die Schauspielerin aber, auf dem Gipfel des Ruhms, geht den nächsten Schritt: nach Hollywood.
Schon 1947 hat sie den amerikanischen Army-Leutnant Kurt Hirsch geheiratet und ist mit ihm nach New York gezogen, kurz entschlossen und mit jener Mischung aus Kalkül und Leidenschaft, die alle ihre Lebensentscheidungen prägt. Aber die Angebote bleiben aus, die Ehe scheitert, erst 1951 nimmt Hildegard Knef einen neuen Anlauf. Jetzt steht sie mit den Stars der Stunde vor der Kamera: mit Oskar Werner in Entscheidung vor Morgengrauen, mit Gregory Peck in Schnee am Kilimandscharo. Dennoch geht sie zurück nach Deutschland, dreht mit Rabenalt Alraune, mit Rudolf Jugert Illusion in Moll und Eine Liebesgeschichte, zartbittere, schwarzweiße, sehr deutsche Geschichten; in Julien Duviviers La fête à Henriette ist sie eine Zirkusreiterin, in André Michels Geständnis unter vier Augen eine Reporterin. Aber noch bevor sich das Publikum an sie gewöhnen kann, ist sie wieder fort. Am Broadway spielt sie zwei Jahre en suite die Ninotschka-Rolle in Cole Porters „Silk Stockings", dann läuft das Musical aus – und abermals zieht sie nach Deutschland. So geht das hin und her in den fünfziger und frühen sechziger Jahren, ein Film hier, ein Film dort, und nirgendwo schlägt der Wandelstern Wurzeln, die Erfolge bleiben folgenlos, bis sie schließlich ausbleiben. 1962 muss Hildegard Knef froh sein, dass sie die Seeräuber-Jenny in Staudtes Dreigroschenoper singen darf, für einen italienischen Kostümfilm spielt sie Katharina die Große und in Alfred Weidenmanns Das große Liebesspiel ein Callgirl, es folgen Rollen in Filmen wie Gibraltar, Mozambique und Alfred Vohrers Agententhriller Wartezimmer zum Jenseits, dersich James Bond zum Vorbild nimmt und den keiner sehen will.
Die sprechfaulen Amerikaner haben Hildegard Knef einen neuen Namen gegeben: Hildegarde Neff. Sie wird gegen ihn kämpfen und den Kampf verlieren, ein Leben lang. Solange sie in ausländischen Filmen auftritt, ist sie Hildegarde Neff. In der Unvereinbarkeit von Knef und Neff steckt die Tragödie eines nicht zu Ende geborenen Stars, eines Talents, das sich nie ganz entfaltet hat. Erst Billy Wilder schreibt in Fedora ihren richtigen Namen in den Abspann. Aber da, 1978, ist der Ruhm auch schon vorbei, für Wilder wie für Knef.
Sie hat sich neu erfunden. Die Fotos, die Trophäen, die Bücher und Manuskripte, die in Berlin ausgestellt sind, erzählen von einer zweiten und dritten Karriere als Chansonsängerin und Buchautorin, jede mit einem Paukenschlag beginnend und ausklingend mit einem Seufzer, vom neuen Ehe- und Kinderglück in den sechziger, von Krebserkrankung und Krise in den siebziger Jahren. Als 1970 ihre Autobiographie Der geschenkte Gaul erscheint, ist Hildegard Knef fünfundvierzig Jahre alt, aber sie schreibt mit dem Furor und der Erinnerungswut einer Greisin, als hätte sie fast die doppelte Zeit verbraucht, immer auf der Jagd nach dem, was sie, wenn es ihr auf der Leinwand, auf Schallplatten oder zwischen zwei Buchdeckeln entgegenkam, schon wieder verloren hatte: dem Glanz des ersten Wurfs, des großen Augenblicks. Wie so oft kann der zweite Schritt nicht halten, was der erste versprach; die Nachfolgebücher Das Urteil und So nicht holen den Geschenkten Gaul nicht mehr ein. Zuletzt, 1983, schreibt Knef ein Buch über Romy Schneider. Sie will sich in ihrem Schmerz, ihren Wunden erkennen, aber in Wahrheit sind sie Antipoden. Romy hat in Frankreich kein dauerhaftes Glück, aber die Erfüllung als Künstlerin gefunden. Die Schauspielerin Hildegard Knef dagegen hat sich nie erfüllt. Sie musste singen, was sie nicht spielen durfte.
„Mit sechzehn sagte ich still: / Ich will alles – oder nichts. / Für mich soll's rote Rosen regnen, / Mir sollten sämtliche Wunder begegnen ..." Sämtliche Wunder, die man im Kino und auf der Bühne erleben kann, sind Hildegard Knef begegnet – und vorbeigegangen. Als sie in den neunziger Jahren mit ihrem dritten Ehemann Paul von Schell nach Deutschland zurückkehrt, beginnt ihre vierte Karriere in den Talkshows der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender. Sie hat alles hinter sich, den Ruhm, die Schönheitsoperationen, das Vermögen, die Affären, und sie steckt Fernsehprofis wie Alfred Biolek und Thomas Gottschalk noch immer mühelos in die Tasche, wie man auf den Berliner Monitoren sehen kann. Das letzte, was sie vor ihrem Tod im Februar 2002 aufnimmt, ist ein Lied: „Gott weiß, ich will kein Engel sein". Den Engel, der sie nicht sein wollte, hätte das deutsche Kino gebraucht: als Rächer der verdrängten Geschichte. Dass Fassbinder sie nicht vor die Kamera holte, hat sie bis zu ihrem Tod bedauert.
Marlene Dietrich, die alles hatte, wonach Hildegard Knef vergeblich strebte, schrieb für sie ein Gedicht, aus ihrer Pariser Matratzengruft: „Du liebtest mich / Nicht nur wie eine Schwester / Sondern wie eine Überlebende / Die einen Kopf / Über Wasser hält / Zum Atmen / Aus keinem anderen Grund / Als einer leblosen Schwester / Leben zu geben". Wie seltsam sich da ein Schicksal zum anderen neigt. Zwei Schwestern in tiefem Wasser, das war die große Zeit des deutschen Films.
Süddeutsche Zeitung, München, 28. Dezember 2005
Eine Frau wie Berlin. Ihr Leben war so wirr und bunt und überbordend wie ein Bollywood-Drehbuch: Heute wäre Deutschlands »Nachkriegsgesamtkunstwerk« achtzig Jahre alt geworden
Von Alex Rühle
Goebbels will sie zur großdeutschen Schauspielerin aufbauen, im Kampf um Berlin verkleidet sie sich als Mann und sitzt angeblich kurz in russischer Gefangenschaft, dann die porzellanene und doch pragmatische Schönheit inmitten grauer Trümmer, in Wolfgang Staudtes Film Die Mörder sind unter uns, in dem sie als KZ-Heimkehrerin seufzt: »Endlich einmal leben, das wäre wunderbar.« Sie heiratet den amerikanischen Juden Kurt Hirsch, wird Ikone und Hassfigur, als sie in Die Sünderin für Sekunden ihren Busen zeigte, nackt auf einer Gartenliege; die Kirchen riefen zum Boykott des Films auf, was ihr einen Hollywoodvertrag einbrachte.
Seither war ihr der Boulevard in Hassliebe verbunden, nannte sie »unsere Diva« und hetzte sie mit erfundenen Schlagzeilen wie dem Bunte-Titel »Knef: Ich hasse alle Deutschen« aus dem Land (»Ich bin vor dem Pressefaschismus in Deutschland geflohen«). In Schnee am Kilimandscharo singt sie für Gregory Peck »You Do Something To Me«. Cole Porter gefiel ihre Stimme so gut, dass er ihr die Hauptrolle in »Silk Stockings« gab, 675 ausverkaufte Vorstellungen am Broadway, wahrscheinlich war das die schönste Zeit, jedenfalls war es der internationale Durchbruch.
Uff, das waren gerade mal zehn Jahre, und die Knef sagte selbst in den Achtzigern, ihr Leben sei immer eine Achterbahnfahrt gewesen. Sie sagte es im fernen Perfekt, in einer der Talkshows, durch die sie damals tingelte, als sei für eine Sechzigjährige längst alles vorbei. Heute fragen die jungen Verkäuferinnen im Hugendubel, angesprochen auf den neuen Bildband, der zu ihrem heutigen achtzigsten Geburtstag erschienen ist, wer das sei, Hilde wienochmal?
Der volle Mund, die fleischige Nase, die riesigen grünen Augen – wenn man die Bilder des Modefotografen Rico Puhlmann anschaut, die in dem Band versammelt wurden (Hildegard Knef, von Corinna Weidner, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 49.90 €), fragt man sich, ob der Skandal der Sünderin tatsächlich nur den paar Sekunden oben ohne geschuldet ist. Ob die Deutschen nicht eher einen Anlass suchten, um über sie herzufallen. Man muss sie nur mal sehen neben der braven Ruth Leuwerik oder der adretten Sonja Ziemann, um zu verstehen, wie sehr sie aufgefallen sein muss im nachkriegsdumpfen Deutschland, als es in den Treppenhäusern nach Kohl roch und in den Medien nach saurem Moralin.
Die Medien haderten ähnlich mit ihr wie mit ihrer Freundin und Antipodin Marlene Dietrich, die sich aber in späteren Jahren mehr und mehr zurückzog und so zur unsichtbar Göttlichen Dietrich wurde, während die Knef zunächst hierzulande deshalb ein so furioses Comeback feierte, weil sie alles mit exhibitionistischem Furor ins Rampenlicht zerrte: die unbedarfte Jugend im Dritten Reich, den Krebs, die Enttäuschung über das schleppende Ende ihrer Karriere, die Schönheitsoperationen – ohne zu merken, dass über ihr das Rampenlicht längst so funzelig und schwach geworden war, dass man sie nur noch als extravagantes Überbleibsel einer untergegangenen Zeit wahrnahm.
Es war merkwürdig, wie ihr Leben und die deutsche Nachkriegsgeschichte in den Nachrufen vor drei Jahren ineinander überblendet wurden: Christoph Schlingensief nannte sie damals die »Deutschlandmutter«, die taz adelte sie zum »Nachkriegsgesamtkunstwerk«, und Klaus Wowereit sagte bei ihrer Beerdigung: »Knef war wie Berlin. Wie die Stadt hat sie Höhen und Tiefen durchlebt, aber nie aufgegeben.«
Heute würde Hildegard Knef ihren 80. Geburtstag feiern. Und Deutschland feiert sieplötzlich wieder: Der zitierte Bildband ist zur Ausstellung »Hildegard Knef« im Museum für Photographie in Braunschweig erschienen (bis 12. Februar), der Puhlmanns Aufnahmen von den Fünfzigern bis in die siebziger Jahre zeigt, der Zeit, in der sie ihre zweite, dritte und vierte Karriere begann, als Mutter, Schriftstellerin und Sängerin. Das Filmmuseum Berlin zeigt bis Februar das Gesamtkunstwerk Knef, Modeentwürfe, Filmszenen, Chansons, Briefe, darunter ein Gedicht der Dietrich, geschickt aus der Pariser Matratzengruft: „Du liebtest mich / Nicht nur wie eine Schwester / Sondern wie eine Überlebende / Die einen Kopf / Über Wasser hält / Zum Atmen / Aus keinem anderen Grund / Als einer leblosen Schwester / Leben zu geben“.
Und dann sind da die obligatorischen CDs, wiederaufgelegte Rosenregenschauer, die nikotingeschrubbte Stimme, alles klingt so durchlitten und durchseufzt, Leben unplugged, emanzipiert, bevor es diesen Ausdruck überhaupt gab. Dem Schicksal begegnet sie in ihren Chansons mit berlinerischem Schisslaweng, aber das wusste man ja schon. Interessanter ist eigentlich die CD »Ihre Lieder sind anders«, auf der Bands wie Paula, Jan Plewka, Stereo Total oder Die Moulinettes Knefsche Titel covern, so unbefangen und frech, wie sie selbst damals anfing, als sie den Satz erfand, die Knef sei die »weltbeste Sängerin ohne Stimme« und ihn Ella Fitzgerald in den Mund legte.
EMMA, Köln, Januar/Februar 2006
Mensch Hilde!
Sie war der erste deutsche Nachkriegsstar und sie hätte ein Weltstar werden können, wenn – ja wenn sie nicht eine zu früh Emanzipierte gewesen wäre. So hetzte Hildegard Knef, die am 28. Dezember 80 geworden wäre, bis zu ihrem Tod am 1. Februar 2002 durch die Rollen, Klischees und Genres. Das Multitalent war eine großartige Schauspielerin, Sängerin, Schriftstellerin – ja sogar Malerin (und nur die mittelmäßig). Geboren 1925 war sie noch von Goebbels UFA entdeckt worden, hatte sich in Berlin als 18-Jährige mit einem Nazi-Regisseur liiert und nach Kriegsende in Hollywood einen jüdischen Emigranten geheiratet. Sie hat eines der ehrlichsten Bücher ihrer Generation geschrieben (Der geschenkte Gaul) und wird doch posthum von Nachgeborenen der Verlogenheit bezeichnet. Alle Aspekte ihres bewegten Lebens und ihrer schillernden Persönlichkeit verspricht jetzt die Ausstellung des Filmmuseums Berlin, die bis zum 17. April am Potsdamer Platz zu sehen ist. Filme, Fotos, Dokumente, Kleidungsstücke, Objekte.
epd-film, Frankfurt am Main, Januar 2006
Es regnet rote Rosen.
Die Hildegard-Knef-Ausstellung im Filmmuseum Berlin
Von Rudolf Worschech
Am 28. Dezember wäre sie 80 Jahre alt geworden, vor drei Jahren ist sie gestorben: Hildegard Knef. Die Kuratorin Daniela Sannwald hat den Nachlass der Schauspielerin, Sängerin und Malerin aufgearbeitet, dendas Filmmuseum Berlin präsentiert.
Im Film der frühen Jahre war sie eine Ausnahmeerscheinung. Ihre Karriere begann, noch vor der Gründung der Bundesrepublik, wie mit einem Knall. Und sie war sektorenübergreifend. Mit drei Rollen, in Wolfgang Staudtes DEFA-Film Die Mörder sind unter uns (1946), dem ersten deutschen Nachkriegsfilm überhaupt, Harald Brauns Zwischen gestern und morgen und Rudolf Jugerts Film ohne Titel hat Hildegard Knef ein Genre geprägt, das von den Zeitgenossen euphorisch bis abschätzig »Trümmerfilm« genannt wurde. Auch wenn man gegen diese drei Filme heute einiges einwenden kann, die Ufa-Melodramatik in Zwischen gestern und morgen, die Expressivität in Die Mörder sind unter uns: Hildegard Knef bleibt. Sie brachte einen neuen Ton in den deutschen Film, Natürlichkeit, sie schien, zumindest auf der Leinwand, unkompliziert, sie konnte ein guter Kamerad sein – und hat trotzdem nie ihre erotische Ausstrahlung verborgen.
Das hat schon der NS-Film erkannt. »Hildegard Knef vertritt in Reinkultur den Typus des deutschen Mädchens. Sie gefällt durch natürliche Anmut, hübsches Lachen und durch klare, offene Blicke«, heißt es 1942 nach Probeaufnahmen der »Berlin-Film« in einem Gutachten, das die Ausstellung präsentiert. Knefs Karriere ist alles andere als eine Wirtschaftswunder-Biografie, ein Leben in Brüchen, auch wenn man so etwas spürt wie einen unbedingten Willen, nach oben zu kommen. Ende der vierziger Jahre ging sie in die USA, konnte da allerdings nicht reüssieren – obwohl ihre Rolle als desillusionierte Wehrmachtshelferin in Entscheidung vor Morgengrauen 1951 zu ihren stärksten Leistungen zählt –, sie machte mit der Sünderin (1951) den Filmskandal der Nachkriegszeit, sie feierte Erfolge Mitte der fünfziger Jahre auf dem Broadway mit dem Musical »Silk Stockings« – und war sich trotzdem nicht zu schade für eine Rolle in Staudtes trashiger Dreigroschenoper (1963). 1970 veröffentlichte sie ihren Lebensroman Der geschenkte Gaul, und in ihren letzten Jahrzehnten dürfte sie als Sängerin („Für mich soll’s rote Rosen regnen“) bekannter gewesen sein denn als Schauspielerin. Allerdings war schon das von ihr gesungene Titellied zu Rudolf Jugerts Illusion in Moll 1952 ein traurig intonierter Ohrwurm.
Die Deutschen haben Hildegard Knef, anders als Marlene Dietrich, geliebt. Sie war auch ein Medienphänomen, eine öffentliche Person, die schon im ersten Jahrgang des Spiegel auf dem Titel war. Die Ausstellung macht das sinnfällig durch eine gelbe Schiene, mit den Schlagzeilen und Geschichten, die ihr Leben begleitet haben, und durch eine Monitorwand mit Interviewausschnitten. Auch die Ausstellung begleitet dieses Leben, liebevoll, seriös, in schlichter, zurückgenommener Aufmachung. Die Exponate sind chronologisch geordnet – wie in fast allen biografischen Ausstellungen des Filmmuseums Berlin in den letzten Jahren. Es gibt viel zu entdecken in dieser Ausstellung, von früher Opel-Werbung (1950) über die schönen Porträts von Ulrich Mack (eines ziert den Katalog) aus den sechziger Jahren bis hin zu ihren letzten Auftritten in Talkshows. Die Gerüchte um ihre Zeit nach Kriegsende, ausgelöst durch eine – inzwischen wieder zurückgezogene – Biografie, bleiben allzu höflich ausgespart. Im Katalog, dem man auch eine Filmo- und Diskografie gewünscht hätte, kommt diese Zeit ausführlicher vor, mit einem Text von Felix Möller, Autor der Fernseh-Doku Knef – Die frühen Jahre. Und wie bei allen faktografisch und wertneutral operierenden Ausstellungen bleibt am Ende die entscheidende Frage immer noch offen: wieso ausgerechnet sie, Hildegard Knef?
Lespress, Bonn, 12/2005
So oder so ist das Leben.
Wiegenlied für ein Wunderkind: Hildegard Knef
Von Dagmar Trüpschuch
Gleich zwei Ausstellungen in Berlin, im Filmmuseum und im schwulen Museum, widmen sich dem Leben von Hildegard Knef (1925-2002), die am 28. Dezember 80 Jahre alt geworden wäre. Neben Marlene Dietrich zählt Hildegard Knef zu den großen Diven Deutschlands, doch im Gegensatz zu Marlene Dietrich, die es irgendwann satt hatte „die Dietrich" zu sein, und sich zu Tode fotografiert fühlte, suchte Hildegard Knef Presse und Öffentlichkeit. Während Marlene Dietrich sich in ihren letzten Lebensjahren nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigte, gibt es noch Aufnahmen und Interviews von und mit Hildegard Knef, die sie im Krankenbett und ein Jahr vor ihrem Tod im Interview zeigen.
Die Knef und die Dietrich waren miteinander befreundet. In der Ausstellung im Filmmuseum ist eine kurze Korrespondenz nachzulesen, ein Brief von Marlene aus dem Jahre 1975, in dem sie die Freundin mit „dearest Hildekind" anspricht und um einen geschäftlichen Rat bittet. Ein Brief von Hilde an Marlene aus dem Jahr 1979, in dem sie ihr einen Agenten für eine Buchveröffentlichung vorschlägt, ist mit „Ich umarme dich in Liebe" unterschrieben. Öffentlichkeit und Presse versuchten Parallelen zwischen den Stars zu ziehen. Doch dem widersetzte sich die um 24 Jahre jüngere Hildegard Knef. Sie hatte es satt, so berichtete damals die Filmzeitschrift Cinemonde, mit der Dietrich verglichen zu werden, mit der sie nichts gemeinsam hatte außer dem Geburtsland und vielleicht der Augenfarbe. Marlene Dietrich war ein Star, unfehlbar in den Augen der Fans, unerreichbar wie ein Stern am Firmament. So definiert ihre Tochter Maria Riva die Bedeutung von „Star". Hildegard Knef war genau das Gegenteil von dem, was einen „Star" im ursprünglichen Sinne kennzeichnet, denn sie war fehlbar, schwerkrank, zeitweise süchtig und präsentierte sich mit all diesen ihren Schwächen der Öffentlichkeit.
Hildegard Knef lernte Marlene Dietrich 1948 in Los Angeles kennen, wohin es die beiden deutschen Schauspielerinnen verschlagen hatte. Die Dietrich aus politischen Gründen und Hildegard Knef, weil sie sich hier eine Karriere erhoffte. In Deutschland hatte sie zuvor in erfolgreichen Filmen gespielt wie Die Mörder sind unter uns, aber die Aussicht auf einen Vertrag mit David O. Selznick ließ sie ihrem frisch angetrauten Ehemann Kurt Hirsch in die Staaten folgen. Konkrete Rollenangebote blieben jedoch aus. Sie hatte zwar einen Vertrag in der Tasche, blieb aber knapp drei Jahre ohne Arbeit. Die Studios wussten nicht so recht, wie sie die Frau mit dem herben, ausdrucksstarken Gesicht verkaufen sollten. Davon zeugen einige sehr schöne Aufnahmen, die sie einmal als Mädchen vom Land, einmal als Grand Dame, dann verrucht oder burschikos in Szene setzen. Erst 1951, nach dem Erfolg und dem Skandal, den der Film Die Sünderin hervorrief, bekam sie auch eine Chance in Hollywood. Die „Sünderin" war eine Hure, die Geliebte eines blinden Malers, die für ihn mit anderen Männern ins Bett ging. Hier war die Knef sekundenlang in einer Nacktszene zu sehen. Das war ein Skandal. Und letztendlich ging sie gemeinsam mit dem Maler in den Selbstmord. Nochmal Skandal. Für die Kirche genügend Gründe, um Sturm gegen diesen Film zu laufen und damit für ausverkaufte Häuser zu sorgen.
In der Ausstellung ist auf einer großen Fernsehbildwand auf verschiedenen Monitoren Talkshow-Filmgeschichte von 1967 bis 2001 zu sehen. In einer Szene aus dem Jahr 1993 spricht der damalige Prälat der Kirche Dr. Carl Klinkhammer, der seinerzeit gegen den Film eingetreten ist, mit Günther Jauch und einer in knallgrün gekleideten Knef über den Sündenfall der „Sünderin".
Doch zurück nach Amerika. Nach dem Welterfolg des Skandalfilms kam der Durchbruch für Hildegarde Neff, wie sie in den Staaten genant wurde, auch in Hollywood. Sie drehte u. a., Schnee am Kilimandscharo mit Gregory Peck und hatte 1954 großen Erfolg am Broadway mit dem Musical „Silk Stockings".
Hildegard Knef war ein rastloser Geist, sowohl privat als auch beruflich. Sie ist in ihrem Leben mehr als 50 Mal umgezogen und Ruhm erlangte sie nicht nur als Schauspielerin in Film und Theater, sondern ebenfalls als Sängerin und Bestsellerautorin. Nicht zu vergessen, dass sie Zeit ihres Lebens gerne gemalt hat und in Los Angeles eine ansehnliche Ölgemäldeserie „Los Angeles – Eindrücke zwischen Armut und Reichtum" fertigte.
Hildegard Knef war in ihrer Freizeit eine leidenschaftliche Fotosammlerin. Anfangs klebte sie die Fotos noch liebevoll in ein Album und kommentierte die einzelnen Bilder, später wurden sie dann leider nur noch in Sammeltüten gepackt, die Zeit reichte einfach nicht mehr zum liebevollen Archivieren. Und sie schrieb Tagebuch. Doch davon sind nur die ersten beiden Seiten zu lesen. Den Rest des Buches hat ihr letzter Ehemann, Paul von Schell, noch nicht freigegeben. Schade für die Fans, aber es zeugt von hohem Respekt gegenüber einer Privatperson, die ja jeder Prominente auch ist, wenn die geheimsten privaten Aufzeichnungen, auch nach dem Tod privat bleiben dürfen. Als sie 1963 anfing ihr Tagebuch zu schreiben, wusste sie noch nicht, dass sie bald Buchautorin ihrer Memoiren und Erlebnisse werden sollte. Denn dort schrieb sie noch: „Ich finde meine Gegenwart, mein tägliches Leben so füllend und wichtig, dass ich mich fürchte in der Vergangenheit, und sei es nur für Stunden, einzutauchen." Erst zehn Jahre später, nach der Geburt ihrer Tochter Christina und ihrer ersten Krebserkrankung wurde Hildegard Knefs Welterfolg Der geschenkte Gaul veröffentlicht.
Von der Zeit vor ihrem Durchbruch als Schauspielerin, gibt es nur wenig Material. In der Ausstellung wird nicht thematisiert, dass es Propagandaminister Goebbels war, der die Knef als Schauspielerin entdeckte und auch ihr Verhältnis zu Ewald von Demandowsky, einen Nazikünstler und Goebbels-Freund, kommt nicht zur Sprache. In dem TV-Dokumentarfilm Hildegard Knef – Die frühen Jahre, der zum Anlass der Ausstellung im Filmmuseum gezeigt wurde, wird diese Zeit beleuchtet, aber nicht aufgeklärt, weil es nur Vermutungen, aber keine Beweise gibt. Auch nicht für die Vermutung, dass die Knef letztendlich wegen ihrer Karriere ihren Liebhaber verraten habe, der nach Kriegsende von den Russen hingerichtet wurde. Ohne Belege sind diese möglichen Biografie-Ergänzungen kein Thema für eine Ausstellung. Gerade erst musste der Autor Jürgen Trimborn seine Biografie Das Glück kennt nur Minuten zurückziehen, weil er unbewiesene Behauptungen als Tatsachen veröffentlichen wollte.
Aber die Diskussionen um diesen möglichen dunklen Punkt in der Knef-Biografie laufen außerhalb des Museums. Im Kinosaal des Filmhauses im Rahmen der Sonderveranstaltungen und in den Feuilletons. Auch die Diskussion darüber, in wie weit ein Künstler nur aufgrund seiner künstlerischen Ambitionen politisch uninteressiert bis gleichgültig oder naiv sein darf.
Manch eine mag sich fragen, warum gerade das schwule Museum Hildegard Knef eine Ausstellung widmet. Sie war weder lesbisch noch hatte sie je eine Affäre mit einer Frau. Zumindest ist dies nicht bekannt.Doch ihren eigenen Worten nach, spürte sie zeitlebens eine gewisse Affinität zur homosexuellen Szene. Gemeinsam mit ihrem Ehemann David Cameron nahm sie 1971 in New York an der Gay-Pride-Demonstration teil, dem zweiten Jahrestag der Geschehnisse in der Christopher Street, um für die Rechte von Schwulen und Lesben zu kämpfen. Wieder in Berlin gab sie dem ersten deutschen Homomagazin Du und ich ein großes Interview und das genau in der Zeit, als Homosexualität noch ein großes Tabu in der Gesellschaft war. Um Tabus jedoch hat sich Hildegard Knef nie geschert – sie hat gemacht und getan, was immer sie für richtig hielt, genau so, wie der Titel eines ihrer Chansons lautet: „So oder so ist das Leben".