Fotografien zur Berliner Kinogeschichte
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Felix Endruweit
fotoarchiv [at] deutsche-kinemathek.de (fotoarchiv[at]deutsche-kinemathek[dot]de)
»Berlin ist natürlich großartig. Man denkt, man sitzt im Kino.«
Mit diesen Worten wird in Erich Kästners Roman ›Emil und die Detektive‹ die Stadt zum Kino, wenn es am Nollendorfplatz dunkel wird, und ringsum die Lichtspielhäuser ihre Türen öffnen. Das Kino eröffnet Welten voll Abenteuer und Attraktionen. Kinos sind Orte der Begegnung, des Vergnügens oder des Nachdenkens. Sie sind Teil unserer persönlichen Erinnerungen, des gesellschaftlichen Lebens und der städtischen Architektur. Auch das Stadtbild Berlins war und ist von seinen Kinos geprägt: Viele der kleinen und großen Lichtspieltheater sind verschwunden, wurden abgerissen oder umgebaut, nur einige wenige sind seit vielen Jahrzehnten erhalten geblieben.
In unserem Fotoarchiv gibt es zahlreiche Fotografien von Berliner Kinos, die wir hier erstmals zusammen zeigen. In sieben chronologisch angelegten Fotogalerien können Sie unsere Bestände zur Kinogeschichte entdecken und in historische Ansichten Berlins eintauchen.
Fotogalerien
Zur Geschichte der Berliner Kinos
Berliner Kinogeschichte
Kinos gehören seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zum kulturellen Leben der Stadt Berlin. Von Anfang an gab es verschiedene inhaltliche und bauliche Konzepte, die sich im Laufe der Jahrzehnte wandelten: vom Panoptikum des Varietés über kleine Ladenkinos bis hin zu riesigen Kinopalästen, von kommunalen zu kommerziellen Kinos. Das Programm bewegte sich in einem Spektrum zwischen Information und Unterhaltung – jeweils zeitgenössisch geprägt und daher auch ideologisch oder propagandistisch einzuordnen. Konkurrenz gab es schon früh: seit den 1920er-Jahren den Rundfunk, später das Fernsehen, heute digitale Filmanbieter. Immer wieder wurde und wird dabei vom Kinosterben gesprochen. Stetiger Wandel gehört jedoch zur Berliner Kinokultur, die mit ihren Schließungen, Pausen, Neugründungen und Wiedereröffnungen bis heute die Stadt prägt.
1903–1918: Erste Kinos im Kaiserreich
Ende 1895 fand im Varieté Wintergarten des Central-Hotels die erste öffentliche Filmvorführung in Berlin statt: Max und Emil Skladanowsky zeigten hier ihre »lebenden Bilder«. Der erste dauerhaft der Vorführung von Filmen gewidmete Veranstaltungsort entstand vermutlich vier Jahre später in der Spandauer Vorstadt (heute Berlin-Mitte): Otto Pritzkows Abnormitäten- und Biograph-Theater in der Münzstraße. In der Folgezeit gab es einen rasanten Anstieg von Kinoeröffnungen, häufig in proletarischen Gegenden; 1905 waren es 16, 1907 bereits 139. Die sogenannten Ladenkinos wurden oft mit einem Bierausschank kombiniert. Das typische »Kintopp« unterhielt seine Gäste als eine Mischung aus Kino und Unterhaltungskneipe, lebte durch die lautstarke Beteiligung des Publikums.
Technische Innovationen und findige Tüftler ermöglichten immer neue Projektionsmöglichkeiten. Man experimentierte mit auditiven Medien. So wurden zum Beispiel im Varieté Apollo-Theater Anfang des 20. Jahrhunderts bereits Opernszenen mittels synchronisiertem Grammophon und Projektor als »Tonfilm« gezeigt. Und schon 1913 gab es in Charlottenburg ein Freiluftkino, das Garten-Kinematographen-Theater. Zwei Jahre später zählte die Reichshauptstadt ca. 300 bis 400 Kinos – »das Kino ist dem Berliner Lebensbedürfnis.« (Der Kinematograph 267, 7.2.1912)
1919–1932: Weimarer Republik
Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte die Kinoarchitektur – analog zur Entwicklung der Großstadt – eine Blütezeit. Einige Kinos zeigten das vielfältige Programm in mehreren Vorstellungen über den Tag verteilt. Filmpaläste fassten mitunter mehr als 1000 Zuschauer. Der Ufa-Palast am Zoo konnte 1740 Plätze vorweisen (nach dem Umbau von 1925 sogar 2165 Plätze), der Kreuzberger Phoebus Palast knapp 1400 und der riesige Titania-Palast in Steglitz fast 2000. Die Gebäude waren häufig eine Mischung aus Repräsentativ- und Zweckbauten, sollten zugleich festlich sein und zerstreuen. Das U.T. (Union-Theater) am Kurfürstendamm beispielsweise wurde im Wilhelminischen Klassizismus mit tempelähnlicher Giebelfront gebaut.
Zu den wichtigsten Kinoarchitekten dieser Zeit zählte Fritz Wilms. Mitte der 1920er-Jahre konzipierte er den Umbau des Großkinos Colosseum an der Schönhauser Allee. Er arbeitete zudem an der Entstehung der Mercedes-, Turm- und Luna-Paläste, des Alhambra und des Piccadilly. Eine der prächtigsten Kinobauten der Stadt stammt von Hans Poelzig: 1929 plante er das Babylon am Bülow-Platz, in der heutigen Rosa-Luxemburg-Straße, das noch heute mit seiner originalen Kinoorgel besucht werden kann. Ebenfalls 1929 wurde die Lichtburg eröffnet, das kulturelle Zentrum der neu erbauten Gartenstadt Atlantic, entworfen von Rudolf Fränkel. Otto Werner zeichnet für das Filmtheater am Friedrichshain im neoklassizistischen Stil verantwortlich und Erich Mendelsohn erbaute inmitten eines Gebäudeensembles das Kino Universum, heute als Theater Schaubühne genutzt.
1933–1945: Nationalsozialismus
Nachdem am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, waren die Auswirkungen auf die Film- und Kinobranche schnell spürbar. Die Diskriminierung, Enteignung und Verfolgung jüdischer oder politisch unliebsamer Film- und Kinoschaffender war die Folge. Mehr als 1500 Filmkünstler*innen flohen in der kommenden Zeit ins Exil. Jüdischen Kinobesitzer*innen wurde die Fortführung ihrer Tätigkeit verboten. In der gesamten Filmbranche wurde die sogenannte Gleichschaltung durchgesetzt, also das Tätigkeitsverbot für jüdische Deutsche auf allen Ebenen. Die verbliebenen Kinobetreiber*innen, die sich oft vormals jüdisches Eigentum angeeignet hatten, wurden auf Adolf Hitler vereidigt.
Auch jenseits der Produktion von explizit nationalsozialistischen Propagandafilmen verhinderten vielfältige Regelungen für die Filmindustrie das Entstehen »subersiver« oder gegen die NS-Ideologie verstoßender Titel. Das Publikum ließ sich aber nicht immer auf eine Lesart festlegen und genoß mitunter Ambivalenzen in Unterhaltungsfilmen. Gleichzeitig zeigten die Kinos auch ausländische, bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten auch US-amerikanische Filme. Einige Theater wurden zu Kinos umgebaut. Die Hauptspielstätten befanden sich weiterhin vor allem zwischen Schöneberg und Tiergarten, darunter das Astor, das 1934 am Kurfürstendamm mit knapp 300 Plätzen erbaut wurde. 1935 eröffnete das erste reine Tonfilmkino Berlins in der Charlottenburger Giesebrechtstraße: Die Kurbel.
Die Luftangriffe der Alliierten auf Berlin während des Zweiten Weltkrieges, insbesondere ab 1943, führten zur Zerstörung zahlreicher Kinos, wie beispielsweise des Gloria-Palasts, der 1943 nach einem Bombeneinschlag niederbrannte. Dennoch wurden bis August 1944 viele Berliner Kinos noch bespielt. In den folgenden Monaten mussten zahlreiche Filmtheater schließen, nur einige wenige wurden bis 1945 weiter betrieben, wie zum Beispiel das Premierenkino Tauentzienpalast.
1946–1949: Nachkriegszeit
In den Nachkriegsjahren sorgte das Kinoprogramm für Ablenkung und Zerstreuung – in allen Sektoren der besetzten Stadt. Die ersten Kinos nahmen in den Trümmern des völlig zerstörten Berlins ihren Betrieb wieder auf. In den Sektoren der westlichen Alliierten wurden Filme und Wochenschauen im Sinne der Re-Education im Kino ausgewertet, darunter Hanus Burgers Dokumentarfilm über die Konzentrationslager ›Die Todesmühlen‹ (Deutschland West / USA 1945), der 1946 in 51 Berliner Kinos lief. Auch im sowjetisch besetzten Teil Berlins wurden Filme gezeigt, die der Umerziehung der deutschen Bevölkerung dienen sollten, wie beispielsweise der Dokumentarfilm über die Nürnberger Prozesse ›Sud narodov‹ (›Gericht der Völker‹, UdSSR 1947). Da die wenigen repräsentativen Filmpaläste sich im Westen der Stadt befanden, wurde versucht, das Babylon als Premierentheater des Ostens zu etablieren - eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Im westlichen Teil Berlins wurde 1946 das Bali/Bahnhofslichtspiele in Zehlendorf neu eröffnet. Die Kurbel zeigte bereits im Mai 1945 wieder Programm, 1948 folgte das KiKi – Kino im Kindl. Kurze Zeit später entstand das Cinéma Paris im Maison de France am Kurfürstendamm.
1949–1960: Nach Gründung der beiden deutschen Staaten
Ab 1949 wurden in beiden Teilen Berlins zahlreiche Kinos wiedereröffnet oder neu gebaut. In Westberlin fand 1951 die erste Berlinale auf Initiative des US-amerikanischen Filmoffiziers Oscar Martay statt, die ab 1957 mit dem Zoo Palast ihr zentrales Kino erhielt. Ab 1949 wurden unter anderen das Delphi am Zoo wieder in Betrieb genommen, und das teilzerstörte Alhambra in Charlottenburg als Bonbonniere wiedereröffnet. In Schöneberg folgte 1950 die Sylvia Filmbühne, die ihre programmierten Filme in Originalsprachfassungen zeigte. Das Colosseum im Prenzlauer Berg konnte bei seiner Wiedereröffnung 1957 Vorführungen in Totalvision bzw. Cinemascope anbieten und wurde zum ersten Premierenkino der DEFA.
Eine Berliner Kinobesonderheit jener Zeit stellten die sogenannten Grenzkinos dar. Diese Kinos lagen direkt an der innerstädtischen Grenze im westlichen Sektor und wurden zwischen 1950 und 1961 betrieben. Dort konnten die Bewohner*innen Ostberlins Kinokarten zum Umtauschkurs 1 DM West : 1 Mark Ost erwerben und so für wenig Geld auch Westfilme anschauen. Zu diesen Kinos gehörten unter anderem das Lido am U-Bahnhof Schlesisches Tor und das City direkt am Checkpoint Charlie (beide im amerikanischen Sektor), das Bali in Reinickendorf im französischen Sektor sowie das Welt-Kino in Alt-Moabit am Lehrter Stadtbahnhof im britischen Sektor.
1961–1989: Geteiltes Berlin nach dem Mauerbau
Westberlin war mit der Studentenrevolte der 1960er-Jahre von kritisch-politischen Bewegungen geprägt, in die sich auch die kommunale Kinobewegung einreihte. Diese führte in den folgenden Jahrzehnten zu mehreren Kollektiv-Kinogründungen. Das Arsenal in der Welserstraße, 1970 vom Verein der Freunde der Deutschen Kinemathek gegründet (heute: Arsenal. Institut für Film und Videokunst), gehörte zu den ersten kommunal getragenen Kinos der Bundesrepublik Deutschland. 1981 wurde das Eiszeit (dessen Name sich auf seine fehlende Heizung im besetzten Haus in Schöneberg bezieht) als Alternative zu den scheinbar rein wirtschaftlich geführten Kinos eröffnet. Zur gleichen Zeit gründeten sich die Kinokollektive Regenbogenkino und Sputnik in Kreuzberg.
Kinos in Ostberlin wurden zum großen Teil verstaatlicht und 1963 in der Bezirksfilmdirektion zusammengefasst. Die alten bürgerlichen Kinobauten waren oftmals in schlechtem Zustand, so dass sie in der Regel nicht nachgenutzt wurden. Andere, wie 1961 die Tilsiter Lichtspiele in Friedrichshain, mussten schließen.
Das Fernsehen bedeutete einen Wendepunkt in der Kinokultur. Seit Ende der 1950er-Jahre sanken in der Bundesrepublik und in der DDR die Besuchszahlen gleichermaßen. Eine Folge war, dass erstmals Großraumkinos zu Schachtelkinos umfunktioniert wurden. Dennoch wurden weiterhin große Kinos, wie beispielsweise 1962 das Kosmos und 1963 das International an der Karl-Marx-Allee, eröffnet, beides architektionisch prägende Solitäre in moderner Formensprache.
Seit 1990: Vereintes Deutschland
Bereits im Februar 1990 nutzten die Internationalen Filmfestspiele Berlin Aufführungsorte im westlichen und östlichen Teil der Stadt und brachten so nach jahrelanger Trennung verschiedene Filmtheater Berlins in einen gemeinsamen kulturellen Zusammenhang. Im Folgejahr eröffnete in Berlin Weißensee mit dem Kino in der Brotfabrik das erste Ostberliner Programmkino. Die Kollektivgründungen setzten sich auch in der Nachwendezeit fort: Nach über 30 Jahren Zwangspause im Berliner Ostteil eröffnete ein Verein die Tilsiter Lichtspiele wieder, und in einem von Künstlern besetzten Haus wurde der Filmrauschpalast Moabit e.V. gegründet. Das kleine fsk (Flugzeugsesselkino) zog 1994 im westlichen Teil aus der Wiener Straße an den Segitzdamm und behielt als Markenzeichen einige der Flugzeugsitze. Eine Reminiszenz an große Kinotage blieb noch jahrelang der Schriftzug des Turm-Palasts in Moabit – der jedoch seit Mitte der 1970er-Jahre nicht mehr bespielt wurde und wie viele andere verwaiste Kino-Gebäude zu einem Kaufhaus umfunktioniert wurde.
Mitte bis Ende der 1990er-Jahre entstanden in den Berliner Bezirken große Kinokomplexe mit im Durchschnitt bis zu zehn Sälen. Aber auch die großen Wirtschaftsunternehmen waren nicht vor Schwierigkeiten gefeit: Das Vorzeige-Kino CineStar am Potsdamer Platz im Sony Center musste im Dezember 2019 nach 20 Jahren schließen.
2020: Fortsetzung folgt ...
»Wie keine andere Stadt lebt und liebt Berlin seine Kinos und die europaweit einzigartige Programmvielfalt.« So ein Zitat aus dem Kampagnentext von fast 40 Berliner Programmkinos – im Juni 2020. Die Filmtheater hatten sich im Zuge der Covid-19-bedingten Schließungen ihrer Theaterbetriebe zusammengetan. Sie starteten eine wohl einzigartige Crowdfunding-Kampagne, die helfen sollte, die Vielfalt der Berliner Kinolandschaft zu bewahren. Zu diesen Kinos zählen nicht nur das älteste noch betriebene Kino Berlins – das Moviemento, gegründet im Jahr 1907, sondern auch die in den 2010er-Jahren neugegründeten, wieder Gaststättenbereich mit Kino verbindenden und teilweise durch Schwarmfinanzierung initiierten Kinos, wie die Neuköllner Spielstätten Il Kino und Wolf. Am 2. Juli 2020 durften die Kinos nach einer erzwungenen Programmpause wieder ihre Pforten und Leinwände öffnen. Nach vier Monaten eingeschränktem Betrieb mussten die Kinos am 2. November aufgrund neuer Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 wieder die Türen schließen. Wir hoffen, dass unsere einzigartige Kinolandschaft der aktuellen Krise standhält.
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Ihre Kinofotos in unserem Archiv
Kinofotos sind einer unserer Sammlungsbestände, die im Laufe der Jahrzehnte gewachsen sind, jedoch nie systematisch gesammelt wurden und daher lückenhaft geblieben sind: Nach 1960 nimmt die Zahl der Kinofotos ab, aus den letzten 20 Jahren finden sich nur noch vereinzelt Fotos. Die DDR und Ostberlin sind weniger stark vertreten als die BRD. Helfen Sie uns, diese Lücken zu schließen und die Erinnerung an unsere Kinos lebendig zu halten. Teilen Sie Ihre Fotos von Berliner Kinos mit uns und allen – in unserem Fotoarchiv ist ihnen ein langes Leben garantiert.
Impressum
Impressum
Projektidee: Julia Riedel
Projektleitung: Peter Mänz
Konzept und Bildauswahl: Julia Pattis, Julia Riedel
Text zur Berliner Kinogeschichte: Jennifer Borrmann
Facharchivarische Recherche: Julia Riedel
Inhaltliche Beratung: Matthias Struch, Jörg Becker
Digitalisierung: Siegmar Brüggenthies
Dank
Wir bedanken uns bei Volker Noth, der uns sein Archiv anvertraut hat, und dessen zahlreiche Fotografien von Berliner Kinos der Ursprung der Idee zu einer Online-Präsentation waren. Wir danken den mit Leidenschaft betriebenen Websites zur Kinogeschichte, die uns inspiriert haben und uns als Quelle für unsere Recherchen gedient haben, insbesondere www.allekinos.com und www.kinokompendium.de.
Copyright
Alle im Rahmen der Online-Präsentation veröffentlichten Inhalte und Fotografien sind urheberrechtlich geschützt und dürfen von Dritten nur mit schriftlicher Genehmigung weiterverwendet werden.