Jüdische Lebenswelten im DEFA-Film
Informationen
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Obgleich die Darstellung jüdischen Lebens in Deutschland, die Entrechtung der jüdischen Bevölkerung im »Dritten Reich« sowie der Holocaust nie im Zentrum des DEFA-Filmschaffens standen, produzierten die DEFA-Studios in den mehr als 45 Jahren ihres Bestehens dennoch eine bedeutende Anzahl an Spiel-, Dokumentar- und sogar Animationsfilmen, die sich mit jenen Themenfeldern auf verschiedenartige Weise auseinandersetzen.
Das Verleihangebot »Jüdische Lebenswelten im DEFA-Film« umfasst zwölf Spielfilme, gegliedert in drei thematische Blöcke, sowie drei Kurzfilmprogramme, bestehend aus insgesamt zehn Kurzfilmen. Es stellt eine repräsentative Auswahl von sowohl bekannten als auch unbekannteren Werke vor: Neben Klassikern wie ›Ehe im Schatten‹ (1947) von Kurt Maetzig oder ›Jakob der Lügner‹ (1975) von Frank Beyer sind selten rezipierte Produktionen zu entdecken, wie János Veiczis Debütfilm ›Zwischenfall in Benderath‹ (1957), der herausragende Animations-Kurzfilm ›Angst‹ (1983) von Günter Rätz oder der Kurz-Spielfilm ›Rechtsfindung‹ (1986) von Peter Waschinsky. Viele der hier präsentierten Filme wurden von der DEFA-Stiftung neu digitalisiert und sind nun als DCP zum Teil erstmalig wieder verfügbar.
Spielfilme
- Geschichte vor 1933 und Beginn der NS-Herrschaft
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Levins Mühle
DDR 1980, Regie: Horst Seemann, 118 Min., Format: 35mm DVD
In den 1870er-Jahren leben in einem westpreußischen Dorf Deutsche, Juden und Polen zusammen. Zu Konflikten kommt es, als der deutsche Mühlenbesitzer Johann seinem jüdischen Kollegen Levin den Erfolg neidet. Der Streit eskaliert in der Vernichtung von Levins Mühle. Horst Seemanns Verfilmung des gleichnamigen Romans von Johannes Bobrowski bleibt eng an der literarischen Vorlage.
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Affaire Blum
D (Ost), Regie: Erich Engel, 110 Min., Format: DCP, Blu-Ray, DVD
Ein antisemitisch motivierter Justizskandal zur Zeit der Weimarer Republik: Der arbeitslose Kriminelle Gabler erschlägt bei einem Diebstahl einen Mann. Untersuchungsrichter und Staatsanwalt negieren die wahre Identität des (deutschen) Täters und verdächtigen stattdessen den jüdischen Fabrikanten Blum, dem sie mit allen Mitteln und durch konstruierte Beweisführung den Mord nachzuweisen suchen.
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Professor Mamlock
DDR 1961, Regie: Konrad Wolf, 100 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
»Es gibt kein größeres Verbrechen – nicht kämpfen wollen, wo man kämpfen muss« – mit diesen Worten gesteht sich der jüdische Arzt Mamlock ein, dass er nach der Machtergreifung der Nazis nicht weiter als unpolitischer Mensch agieren kann. Konrad Wolf verfilmte 1961 das gleichnamige Theaterstück seines Vaters Friedrich Wolf und schuf in Zusammenarbeit mit Kameramann Werner Bergemann ein in seiner Bildsprache herausragendes Werk.
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Die Schauspielerin
DDR 1988, Regie: Siegfried Kühn, 87 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Nach einem Roman von Hedda Zinner: In den 1930er Jahren startet Maria Rheine eine große Schauspielkarriere auf deutschen Bühnen. Ihr jüdischer Partner Marc Löwenthal hingegen kann nur noch im Jüdischen Kulturbund auftreten. Um nach Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze mit Marc zusammen sein zu können, beschließt Maria, eine jüdische Identität anzunehmen. Corinna Harfouch erhielt für ihre darstellerische Leistung 1988 den Darstellerpreis in Karlovy Vary.
- Zweiter Weltkrieg und Holocaust
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Stielke, Heinz, fünfzehn...
DDR 1987, Regie: Michael Kann, 99 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Heinz Stielke, 15, blond und blauäugig, ist ein überzeugter Hitlerjunge, dessen Welt zusammenbricht, als sich herausstellt, dass sein im Krieg als Offizier gefallener Vater Jude war: Er wird vom Gymnasium verwiesen und von seinen vermeintlichen Freunden bei der Hitlerjugend verprügelt und verjagt. Michael Kanns Debütfilm wird getragen durch die Präsenz des bei Drehbeginn erst dreizehnjährigen Hauptdarstellers Marc Lubosch.
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Ehe im Schatten
D (Ost) 1947, Regie: Kurt Maetzig, 104 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Angelehnt an das Schicksal des UFA-Stars Joachim Gottschalk im »Dritten Reich«, erzählt Kurt Maetzigs Filmdebüt vom Schauspieler Hans Wieland, der die Scheidung von seiner jüdischen Ehefrau Elisabeth verweigert. Da dieser daraufhin seine Engagements verliert, bleibt dem Paar nur noch der Ausweg in den gemeinsamen Freitod. ›Ehe im Schatten‹, kurz nach Kriegsende gedreht und nah an den Ereignissen des Naziterrors, war der besucherstärkste Spielfilm der DEFA.
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Lebende Waren
DDR 1966, Regie: Wolfgang Luderer, 97 Min., Format: 35mm, DVD
1944 wird SS-Sturmbannführer Kurt Becher nach Budapest versetzt. Angesichts der von Deportation bedrohten ungarischen Juden ersinnt er einen teuflischen Plan: Entweder überschreiben ihm die Juden Besitz und Vermögen oder er lässt sie sofort verschleppen. Wolfgang Luderers Film beruht auf wahren Begebenheiten. Zum Zeitpunkt des Drehs lebte der reale Becher als reicher Geschäftsmann unbehelligt in Bremen.
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Jakob der Lügner
DDR 1975, Regie: Frank Beyer, 101 Min., Format: DCP, 35mm, Blu-Ray, DVD
In einem Ghetto 1944: Als Jakob Heym per Zufall an eine Information über das Vorrücken der Roten Armee gelangt, glaubt ihm zunächst keiner. Dann behauptet er, ein Radio zu besitzen, und wird so plötzlich zum Hoffnungsträger für das ganze Ghetto. Frank Beyers vielschichtige Adaption des gleichnamigen Romans von Jurek Becker erhielt 1976 eine Oscar-Nominierung für den besten ausländischen Film. Vlastimil Brodský wurde für seine beeindruckende Gestaltung der Titelrolle mit dem Silbernen Bären auf der Berlinale 1975 ausgezeichnet.
- Nachkriegszeit und Antisemitismus
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Zwischenfall in Benderath
DDR 1956, Regie: János Veiczi, 98 Min., Format: DCP, DVD, 35mm im Bundesarchiv
Antisemitismus an einer westdeutschen Schule in den 1950er-Jahren: Studienrat Päker, Lehrer mit nationalsozialistischem Gedankengut, drangsaliert und beleidigt seinen jüdischen Schüler Jakob Lewin. Dessen Freunde fordern eine Entschuldigung und verlassen das Gymnasium. Die Lehrerschaft droht ihnen daraufhin mit einem Schulverweis. János Veiczis dramaturgisch straffer Filmerstling entwickelt sich, über sein Sujet hinaus, zu einer Parabel über die Durchsetzbarkeit von Gerechtigkeit.
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Chronik eines Mordes
DDR 1965, Regie: Joachim Hasler, 92 Min., Format: DCP, DVD, 35mm im Bundesarchiv
Basierend auf dem Roman ›Die Jünger Jesu‹ von Leonhard Frank, erzählt Joachim Haslers dritter Spielfilm von der Jüdin Ruth Bodenheim, die in einer westdeutschen Kleinstadt den neu gewählten Bürgermeister Zwischenzahl erschießt. In ausgefeilten Rückblenden inszeniert, erhellt der Film das Motiv der Tat, Zwischenzahls ungesühnt gebliebene Verbrechen während der NS-Zeit. Angelica Domröse etablierte sich mit der Rolle der Ruth als herausragende Charakterdarstellerin.
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Der Prozess wird vertagt
DDR 1958, Regie: Herbert Ballmann, 97 Min., Format: DCP, DVD, 35mm im Bundesarchiv
Zehn Jahre nach Kriegsende kehrt Michael Vierkant, der als Jude aus Deutschland fliehen musste, in seine Heimatstadt zurück. Er erschießt Dr. Korn, der den Tod seiner Schwester verursachte. Die Staatsanwaltschaft versucht, eine kommunistische Verschwörung zu konstruieren, aber Maria Jäger, einst Vierkants Nachbarin, enthüllt die wahren Zusammenhänge. Herbert Ballmanns Film, meisterhaft fotografiert von E.W. Fiedler und Otto Hanisch, beruht auf Leonhard Franks Novelle ›Michaels Rückkehr‹.
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Jetzt und in der Stunde meines Todes
DDR 1964, Regie: Konrad Petzold, 98 Min., Format: 35mm im Bundesarchiv
Kriminalfilm nach einem Drehbuch von Egon Günther: Journalistin Ella Conradi verlässt entsetzt von den Verbrechen, die im Prozess gegen Adolf Eichmann aufgedeckt werden, Jerusalem. Nach ihrer Rückkehr untersucht sie die Hintergründe von zwei Morden und kommt dem Wirken eines weitverzweigten Netzes nationalsozialistischer Kräfte auf die Spur, das Justiz, Politik und Wirtschaft in Westdeutschland kontrolliert.
Kurzfilme
- Entrechtung und Vernichtung im »Dritten Reich«
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Rechtsfindung
DDR 1986, Regie: Peter Waschinsky, 21 Min., Format: DCP, DVD, 35mm
Innovativer Kurzfilm nach Bertolt Brecht. Richter, Staatsanwalt und Inspektor debattieren, wie der Überfall eines SA-Trupps auf ein jüdisches Geschäft dem Besitzer selbst als »Provokation« angelastet werden kann.
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Angst
DDR 1983, Regie: Günter Rätz, 14 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Poetisch gestalteter Animationsfilm mit der Musik von Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert: Die innige Freundschaft eines Jungen mit einem jüdischen Mädchen wird nach der Machtergreifung der Nazis jäh beendet.
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Dawids Tagebuch
DDR 1981, Regie: Konrad Weiß, 27 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Nur ein einziges Foto aus dem Jahre 1937 existiert von dem jüdischen Jungen Dawid Rubinowicz aus Krajno in Polen. Von 1939 an bis zu seiner Verschleppung nach Treblinka 1942 führte er heimlich Tagebuch.
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Jeder konnte es sehen
DDR 1988, Regie: Karl Gass, 23 Min., Format: 35mm, DVD
Nüchterne Bestandsaufnahme der zunehmenden Entrechtung der jüdischen Bevölkerung im NS-Staat bis zur sog. Reichskristallnacht, basierend auf Original-Fotomaterial.
- Jüdische Künstler und Intellektuelle
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Ein Jahrhundertkerl – Heine in Paris
DDR 1986, Regie: Uwe Belz, 20 Min., Format: 35mm, DVD
Heinrich Heine im Exil in Paris. Auszüge aus Briefen, Texten und Gedichten Heines unterstreichen das revolutionäre Ethos des Dichters.
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Arnold Zweig
DDR 1963, Regie: Joop Huisken, 20 Min., Format: DCP, DVD, 35mm im Bundesarchiv
Filmporträt des Schriftstellers Arnold Zweig, dessen Lebensweg sowie dessen künstlerische Ansichten und politische Einstellungen anhand eigener Textdokumente und im Interview beleuchtet werden.
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Wissen Sie nicht, wo Herr Kisch ist?
DDR/ČSSR 1985, Regie: Eduard Schreiber, 19 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Ein Blick auf die verwinkelten Gassen Prags durch die Augen des Journalisten Egon Erwin Kisch, der hier lebte und arbeitete, ergänzt durch Originalfotografien von Kisch und seinen Zeitgenossen.
- Jüdische Traditionen im Heute
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Memento
DDR 1966, Regie: Karlheinz Mund, 16 Min., Format: DCP, DVD, 35mm im Bundesarchiv
Jüdische Friedhöfe in Berlin als Orte der Erinnerung und Mahnung an die brutale Vernichtung des kulturellen und intellektuellen jüdischen Lebens der Stadt durch die nationalsozialistische Diktatur.
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Spuren
DDR 1989, Regie: Eduard Schreiber, 21 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Schreibers Film fragt nach den Spuren jüdischer Lebenswelten, die bis ins Heute reichen. Zugleich Hommage an den Schauspieler Martin Brandt, den letzten Überlebenden des Theaters des Jüdischen Kulturbundes.
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Das Singen im Dom zu Magdeburg
DDR 1988, Regie: Peter Rocha, 20 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Über Konfessionsgrenzen hinweg musizieren der Domchor zu Magdeburg und der jüdische Kantor Estrongo Nachama aus Westberlin gemeinsam im Magdeburger Dom im Gedenken an Tod und Zerstörung.