Selects #10 – Das Streaming-Angebot der Deutschen Kinemathek
Pressemitteilung
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Deutsche Kinemathek
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Gemeinsam sind wir stärker? Menschen finden sich von Kindesbeinen an in verschiedensten Gemeinschaften wieder: in der Familie, in der Schule, in erzwungenen oder selbstgewählten Haus- und Wohngemeinschaften oder am Arbeitsplatz. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe prägt immer die Identität – ob selbstgewählt oder nicht. Aus diesen Umständen heraus können sich beengende bis traumatisierende Verhältnisse ergeben oder sich befreiende politische Bewegungen und kollektive Erfahrungen entwickeln. Ergänzend zur diesjährigen und gleichnamigen Ausgabe des Festivals »Film Restored« (23.–27.10.) stellen wir in neun Filmen unterschiedliche Facetten von Gemeinschaft vor.
›Menschen untereinander‹
D 1926, Regie: Gerhard Lamprecht, 119 min, engl. UT, Altersbewertung: ab 0
Mit: Alfred Abel, Aud Egede-Nissen, Eduard Rothauser, Renate Brausewetter, Berthold Reissig, Paul Bildt, Elsa Wagner, Mathilde Sussin, Andreas Bull, Max Maximillian, Margarete Kupfer
Ein gewöhnliches Mietshaus als Abbild der Gesellschaft im Berlin der 1920er-Jahre: Im Parterre und in der Beletage leben ein Anwalt, ein Juwelier, eine wohlhabende Witwe und ein Staatsbeamter. Von Stockwerk zu Stockwerk werden die Mieter*innen ärmer, bis hin zum Dach, wo ein Klavierlehrer und ein Luftballonverkäufer mit seiner Familie wohnen. Geldgier, Armut, Korruption und Einsamkeit haben in dieser Hausgemeinschaft ebenso ihren Platz wie Mitgefühl und Liebe.
›Kameradschaft‹
D 1931, Regie: G.W. Pabst, 88 min, engl. UT, FSK: ab 12
Mit: Alexander Granach, Fritz Kampers, Ernst Busch, Daniel Mendaille, Marguerite Debos, Elisabeth Wendt, Gustav Püttjer, Hélèna Manson, Oskar Höcker, Andrée Ducret
In einer Kohlegrube nahe der deutsch-französischen Grenze ereignet sich ein folgenschweres Unglück, bei dem französische Bergarbeiter verschüttet werden. Unter Lebensgefahr helfen französische und deutsche Arbeiter gemeinsam bei der Bergung der Kumpels, ungeachtet der Ressentiments und feindlichen Stimmung, die nach dem Ersten Weltkrieg auf beiden Seiten der Grenze fortbestehen. Der Film beeindruckt durch die klaustrophobischen Aufnahmen aus dem Stollen und die realitätsnahe Darstellung des Bergarbeitermilieus. Darüber hinaus ist er ein Plädoyer für Völkerverständigung vor dem Hintergrund des aufkommenden Nationalsozialismus.
›Lawale‹
BRD 1969, Regie: Dore O., 30 min, ohne Dialog, Altersbewertung: ab 6
Eine filmische Familienaufstellung, die erstarrte Verhältnisse zum Ausdruck bringt. In einzelnen statischen Sequenzen bittet die Regisseurin Dore O. Familienmitglieder, allein oder in verschiedenen Konstellationen, in den Räumen einer alten Villa vor die Kamera. Die über die stummen Szenen gelegten Kratz- und Quietschgeräusche betonen die Disharmonie selbst dort, wo gemeinsam musiziert, getanzt oder Kaffee getrunken wird.
›Lokomotive Kreuzberg‹
BRD 1975, Regie: Sophokles Adamidis, Axel Brandt, Michael Gregor, Ewald Katjivena, Wolfgang Kroke, Helga Reidemeister und Elizabeth Waelchi, 34 min, engl. UT, Altersbewertung: ab 0
Mit: Andreas Brauer, Manfred Praeker, Karl-Heinz Scherfling, Volker Hiemann, Uwe Holz, Bernhard Potschka
Die Krautrock-Band »Lokomotive Kreuzberg« hatte sich zum Ziel gesetzt, Musik mit gewerkschaftlichem Engagement zu verbinden. Von 1972 bis 1977 tourte sie mit kabarettistischen und musikalischen Nummern wie »Solidaritätslied«, »Lohnpredigt« oder »Geldsack« durch Deutschland. Der Film zeigt Aufnahmen von Proben, Auftritten und politischen Diskussionen mit dem Publikum. Die Musiker schildern ihren Werdegang von der klassischen Musikausbildung hin zum Polit-Rock. Mitglieder der bis 1977 in wechselnden Besetzungen spielenden Band wurden später mit legendären Gruppen wie Embryo, Nina Hagen Band und Spliff bekannt.
›Helfen können wir uns nur selbst‹
BRD 1974, Regie: Gardi Deppe, 50 min, engl. UT, Altersbewertung: ab 0
Gardi Deppes Film begleitet Frauen, die eine sechswöchige Kur in einer (im damaligen Westdeutschland einzigartigen) Kurklinik für »berufstätige Mädchen und Frauen zwischen 15 und 21 Jahren« absolvieren. Der Film zeigt eklatante Unterschiede zwischen der Wahrnehmung der Kurpatientinnen und dem Ansatz der Klinik und ihrer ausschließlich männlichen Ärzte. Die Frauen führen ihre gesundheitlichen Probleme auf gesellschaftliche und arbeitspolitische Zusammenhänge zurück. Die Kurklinik reagiert darauf mit Medikation, Sportprogramm und Beschäftigungstherapie. Der Film unterstreicht die Notwendigkeit von Selbstorganisation und endet mit der Erkenntnis, dass die Frauen ihre eigenen Strategien entwickeln müssen.
›Alle meine Mädchen‹
DDR 1980, Regie: Iris Gusner, 86 min, engl. UT, FSK: 12
Mit: Lissy Tempelhof, Madeleine Lierck, Barbara Schnitzler, Viola Schweizer, Evelin Splitt, Andrzej Pieczyński, Klaus Piontek, Wolfgang Dehler, Fritz Marquardt, Jaecki Schwarz
Fünf junge Frauen und eine Meisterin bilden die Frauenbrigade im Berliner Glühlampenwerk NARVA – ein vorbildliches Arbeitskollektiv, über das der Regiestudent Ralf einen Film drehen soll. Doch hinter der Fassade brodeln Probleme und Spannungen. Insbesondere der Abiturientin Kerstin, die als vorbestrafte Diebin auf Bewährung im Werk arbeitet, wird mit Misstrauen begegnet. Auch die resolute Meisterin Marie Boltzin muss sich schweren Vorwürfen von ihrer Brigade stellen und erleidet schließlich einen Nervenzusammenbruch.
›Allrad e.V.‹
BRD 1980, Regie: Rosi S. M., 53 min, Deutsch ohne UT, Altersbewertung: ab 16
Hautnahe Einblicke in das Leben einer Kommune bietet dieser Film von Rosi S.M., der in enger Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen einer Dachetage in Berlin-Schöneberg entstanden ist. Die Frauen und Männer suchen nach alternativen Lebens- und Gemeinschaftsformen und teilen alles miteinander – auch ihre Partner*innen. Den Film als Medium für kritische Selbstdarstellung zu nutzen und Öffentlichkeit für die politischen Inhalte des gemeinsamen Engagements herzustellen, war das erklärte Ziel des gemeinsamen Projekts.
›Leben am Fließ‹
DDR 1990, Regie: Peter Rocha, 28 min, Deutsch ohne UT, FSK: 6
Die Produktionsgruppe Sorbischer Film wurde 1980 von der DEFA gegründet, um das kulturelle Erbe der Sorb*innen zu dokumentieren und lebendig zu halten. Peter Rocha, selbst sorbischen Ursprungs, porträtiert die Niederlausitz, eine Region, die von reizvoller Natur ebenso geprägt ist wie von Tagebau und Kraftwerken. Der Film stellt einen Spreewaldkahnfahrer und seine Familie vor, die durch ein starkes Gemeinschaftsgefühl verbunden sind. Beobachtungen des Alltags werden mit den Gedanken des Mannes über die Verbundenheit des Menschen mit der Natur verknüpft.
›Die Überlebenden‹
D 1996, Regie: Andres Veiel, 88 min, engl. UT, FSK: 12
Mit: Helmut Günther, Georg Hummler, Veit Göller, Gudrun Göhlich, Amanda Kramer, Rose Mattenklott, Britta Mattenklott, Klaus Gergs, Hella Schmidt, Susan Motion, Bruno Jaschke, Doris Jung, Ina Kattwinkel, Herr Hofrichter, Frau Hofrichter, Martin Hofrichter
Drei Suizide hinterlassen noch viele Jahre nach dem Abitur Lücken in der Klassengemeinschaft, die der Regisseur und ehemalige Mitschüler Andres Veiel auf seiner Spurensuche wieder aufsucht. So unterschiedlich die Persönlichkeiten, Lebensläufe und Todesumstände der drei Verstorbenen auch waren, so symptomatisch sind sie für das Leben in einer südwestdeutschen Kleinstadt der 1980er-Jahre: Leistungsdruck und Karriereerwartung der Eltern kollidieren mit den Wünschen der Jugendlichen nach kreativer oder sexueller Selbstverwirklichung. Auch Jahre später spiegelt Unausgesprochenes das Unsagbare, das die Hinterbliebenen umtreibt.
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