Die Kinemathek in Kinderschuhen

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Als ich im September 2023 meine ehemalige Kollegin Helga Belach besuchte, drückte sie mir zum Abschied ein halbes Dutzend Bilder in die Hand: fotografische Eindrücke der Ausstellung »Schöpferische Filmarchitektur« aus dem Jahr 1971. Die Kinemathek, damals noch keine Stiftung, sondern ein Verein, residierte seit 1966 in einer großbürgerlichen Wohnung nahe dem Kurfürstendamm, in der Schlüterstraße 41. In einem »exklusiven Ambiente«, wie sich der Autor Peter Nau einmal erinnerte, ließ man Ausstellungen und Filme auf sich wirken.

Das Fotogeschenk ergänzt nun unsere Sammlung von bereits vorhandenen visuellen und schriftlichen Zeugnissen früher Ausstellungen in der Schlüterstraße. Auf den Fotos aus jenen Jahren ist zu erkennen, wie anders die damalige Präsentation von Objekten im Vergleich zu heute gewesen ist: kein Bildschirm, bestenfalls ein Diaprojektor, dafür Vitrinen, Fotos und Plakate an nackten Wänden, Technik der Frühzeit zum Anfassen. Auch Gäste und Personal des Hauses sind abgebildet. Einzig vom damaligen Filmvorführraum, der kein Kino im landläufigen Sinn war, kennen wir (noch) keine Fotos. Der Zeitzeuge Heiner Roß berichtet von einem Raum für etwa 45 Gäste und einem 16-mm-Standprojektor mitten im Raum, dessen Kabel unterhalb der Stühle entlanggeführt wurden – ein etwas rustikaler Charme.

Mitunter verließ man für eine Ausstellung die eigenen Räume und baute sie – welches Ambiente wäre passender? – im Foyer eines alten Kinos auf. So geschehen etwa 1970 bei der Präsentation von Materialien zum legendären österreichischen Filmpionier Richard Oswald in der nicht minder legendären Filmbühne Wien am Kurfürstendamm.

Nach dem Umzug von der Schlüterstraße in die Pommernallee 1 im April 1971 verfügte die Kinemathek für knapp 30 Jahre über keine eigenen Ausstellungsmöglichkeiten und musste dafür stets Ausweichorte finden – bis zur Eröffnung des Filmhauses am Potsdamer Platz im Jahr 2000.

Rolf Aurich

wuchs mit Schulfilmen der 1940er- und 1950er-Jahre auf und ging während des Studiums täglich ins Kino, wo er sich alsbald als Kartenabreißer ein Zubrot verdiente. Die Herausgabe einer nichtkommerziellen Filmzeitschrift bildete die Grundlage für vieles, was später kam, auch für die Arbeit als wissenschaftlicher Redakteur an der Kinemathek.