Wolfdietrich Schnurre, 1920 geboren und 1989 gestorben, zählt zu den bedeutendsten Erzählenden der jungen Bundesrepublik. Der Ruf eines Meisters der Kurzgeschichte prägte nachhaltig sein Image. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den er als Soldat an der Front überlebte, machte er das Schreiben zu seinem Beruf. Der von Deutschland ausgegangene Krieg und Völkermord, der Rassismus und Hass auf Außenseiter, die deutsche Schuld blieben zeitlebens seine Themen. Dass Schnurre in den ersten Nachkriegsjahren über den zeitgenössischen Film und die Premieren in allen vier Berliner Besatzungssektoren kontinuierlich Kritiken und Aufsätze verfasst hat, blieb im Werkkontext bislang eine wenig beachtete Marginalie. Mit diesem Band liegen seine Filmtexte nun erstmals in einer repräsentativen Auswahl vor. Als Verfechter eines kunstvollen Filmrealismus mit einem Interesse am wirklichen Menschen, einer überzeugend vorgetragenen ethischen Haltung und einer Abneigung gegenüber jedwedem Illusionismus stellte Schnurre 1950 mit der Streitschrift zur ›Rettung des deutschen Films‹ eine schonungslose Diagnose. Auch diese Schrift wird hier wieder zugänglich gemacht.
»Die Herausgeber haben wieder vorzügliche Arbeit geleistet: Das gilt auch für den einleitenden Essay von Jörg Becker. Hier kann man einen ganz anderen und doch wieder ganz typischen Schnurre kennenlernen, von dem Marcel Reich-Ranicki sagte, er sei ›ein schwieriger Einzelgänger‹. (...) Dass es dem deutschen Film trotz gelegentlicher Rückfälle besser geht, ist kompromisslosen Mahnern wie Wolfdietrich Schnurre zu verdanken. Umso aufmerksamer sollten nicht nur heutige Filmkritiker, sondern die ganze Branche diese Werkauswahl des ›unbekannten‹ bzw. vergessenen Filmkritikers Wolfdietrich Schnurre lesen und sie sich für alle Fälle unters Kopfkissen legen«. (Herbert Spaich, SWR2, 7.6.2010)