Den Fernsehfilmen Karl Fruchtmanns eignet eine ganz eigene Kontur. Das gilt für die Themen, besonders jene, die eingreifen in die Debatte um die Darstellbarkeit der Shoah, aber auch für seine spezifische Inszenierungsweise, die Präzision seiner Bildschöpfungen und für seine filmische Poetik.
1915 in Thüringen geboren, als Jude verfolgt und zeitweilig in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert, emigrierte Fruchtmann 1937 nach Palästina. Anschließend für einige Zeit in London und New York ansässig, kehrte er 1958 ins Nachkriegsdeutschland zurück. Beim WDR erlernte er das filmische Handwerk und führte dort auch 1962 zum ersten Mal Regie. Sein Heimatsender aber wurde Radio Bremen, wo er ab 1963 allein 21 Filme verwirklichte. Fruchtmanns Grundthemen waren die Unterdrückung und die Gewalt von Menschen gegen andere Menschen, wesentlich gespeist durch seine Lagererfahrungen. Filme wie ›Kaddisch nach einem Lebenden‹ (1969), ›Zeugen. Aussagen zum Mord an einem Volk‹ (1981) und ›Die Grube‹ (1995) sind Marksteine bei dem Versuch, die Schrecken der Verfolgung, Ausgrenzung und des millionenfachen Mords an den europäischen Juden einem Fernsehpublikum begreifbar zu machen. Fruchtmann, der seine jüdische Identität nicht versteckte und der 2003 starb, war zeitlebens bestrebt, gegen das Vergessen anzukämpfen.
Seine Filme sind unbequem, konfrontierend, verstörend. In ihrer Zeit wurden sie nicht selten zur Hauptsendezeit des Fernsehprogramms ausgestrahlt – und ernteten mitunter die rabiatesten Zuschauerreaktionen. Sie setzen streng auf eine analytische Erzählstruktur. Fruchtmanns Stil ist zurückgenommen und besteht aus dem genauen Blick auf die Gesichter seiner Protagonisten und einer nuancierten Tonalität.
Dem Band liegt eine DVD mit einem von Fruchtmanns wichtigsten Filmen bei, ›Kaddisch nach einem Lebenden‹, der erstmals auf diese Weise veröffentlicht wird.