Als Kritiker und Essayist ging Seeler keinem Streit aus dem Weg. Geboren 1896, lebte und agierte er in Berlin. Umtriebig und ideenlustig gründete er dort 1922 die »Junge Bühne«. Er arbeitete und zankte mit Brecht. Der Film ›Menschen am Sonntag‹ wäre ohne ihn nicht entstanden. Als Jude verfolgt, zudem homosexuell, tauchte er 1933 unter. Neun Jahre später wurde er nach Riga deportiert und dort ermordet. Wer war dieser Moriz Seeler, der Wert darauf legte, dass er kein Moritz war?
Traumatisiert von den Schrecken des Ersten Weltkriegs kam Seeler, der aus dem pommerschen Greifenberg stammte, 1916 nach Berlin: als »untauglich« vom Militär entlassen. Er begann zu studieren und zu schreiben. Im Kabarett »Schall und Rauch« trug er geschliffene Parodien auf literarische Berühmtheiten vor und macht sich damit einen Namen. Mit Hans Heinrich von Twardowski gab er 1918 das Buch ›Der rasende Pegasus‹ heraus: Bosheiten über die literarische Szene Berlins. 1922 gründet Seeler die »Junge Bühne«, ein Matinee-Theater, in dem ausschließlich Uraufführungen neuer Stücke noch unbekannter Autorinnen und Autoren gespielt werden sollten. Zur Aufführung kamen Stücke von Bertolt Brecht, Marieluise Fleißer, Hans Henny Jahnn, Carl Zuckmayer, Arnolt Bronnen und anderen. Seeler wurde zudem Filmproduzent, stand hinter dem »Filmstudio 1929«, zu dem die angehenden Autoren und Regisseure Billy Wilder, Robert und Kurt Siodmak sowie Edgar Ulmer ebenso gehörten wie der Kameramann Eugen Schüfftan. Mit Laiendarstellenden drehte man den Film ›Menschen am Sonntag‹ – ein Sensationserfolg, damals Avantgarde, heute ein Klassiker der Filmgeschichte.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten war für Moriz Seeler plötzlich alles vorbei. Er tauchte unter. Die Emigration scheiterte. Er wurde verhaftet und musste Zwangsarbeit leisten. 1942 wurde er nach Riga deportiert und dort vermutlich erschossen. Der ›Reichsanzeiger‹ gibt den 8. September 1942 als seinen Todestag an.