Zwischen Aufbruch und Resignation
Inhalt
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Verleihdatenbank
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Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls präsentiert der DEFA-Filmverleih das Filmangebot »Zwischen Aufbruch und Resignation: Adoleszenz im DEFA-Film zur Wendezeit«. Die Reihe stellt zu Unrecht vergessene Filme aus der Wendezeit vor, in denen Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Zumeist geht es dabei um Themen, die erst Ende der 1980er-Jahre verhandelt werden konnten, oder um kritische Gedanken, die erst kurz vor Zusammenbruch der DDR als Filmstoff freigegeben wurden. Nach der Wiedervereinigung und den sich rapide verändernden Lebensumständen wurden die teils sehr DDR-kritischen Werke kaum mehr rezipiert. Das Verleihangebot ermöglicht nun eine Neubewertung mit zeitlichen Abstand.
Spielfilme
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Vorspiel
DDR 1987, Regie: Peter Kahane, 92 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Tragikomödie über das Spannungsverhältnis von schwärmerischem Ideal und tristem Alltag: In einer Kleinstadt vertreibt sich der Dekorationslehrling Tom die Langeweile mit pubertären Streichen und träumt von der großen Liebe. Als eines Tages Corinna, die Tochter des neuen Museumsdirektors, in die Stadt zieht, unternimmt Tom alles, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Zwischen Aufbruch und Stagnation, Hoffnung und Frustration pendelnd, zeichnet ›Vorspiel‹ ein Porträt zweier Generationen und ihres kleinstädtischen Alltags kurz vor dem Ende der DDR. Dabei spielen Bilder von bröckelnden Häuserfassaden und herbstliche Farben dramaturgisch eine ebenso bedeutsame Rolle wie der nuancenreiche Dialog.
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Vernehmung der Zeugen
DDR 1987, Regie: Gunther Scholz, 76 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Widerwillig folgt der 17-jährige Maximilian seiner Mutter aus Berlin in ein kleines Dorf. Zunächst wird er von seinen neuen Mitschülern schikaniert. Vor allem Rainer, der die gesamte Klasse dominiert, drangsaliert ihn. Als sich beide Jungen für ihre Mitschülerin Viola interessieren, kommt es zu einer Katastrophe: Maximilian ersticht Rainer im Affekt. In Rückblenden werden die Hintergründe der Tat beleuchtet. Dabei inszeniert Gunther Scholz die Aussagen von Familie, Freunden, Lehrern formal außergewöhnlich, indem diese »Zeugen« wie bei einem Interview direkt in die Kamera berichten. Der quasi dokumentarische Kunstgriff legt Abgründe offen, die das Versagen von Eltern und Lehrern verdeutlichen.
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Mit Leib und Seele
DDR 1988, Regie: Bernhard Stephan, 90 Min., Format: 35mm
Der 17-jährige Gießerei-Lehrling Jonas revoltiert gegen soziale Vorschriften. Nachdem Jonas die Gymnasiastin Melanie kennenlernt und mit ihr ein Wochenende auf einem zerfallenen Kahn verbringt, will er das Schiff restaurieren. Doch nach einem Streit mit Melanie setzt Jonas es versehentlich in Brand. Die metaphorische Zerstörung dieses Fluchtorts und Selbstverwirklichungsprojekts führt aber nicht in die Krise, sondern versöhnt Alt und Jung hinsichtlich gesellschaftlicher Konventionen. Die Unterbindung individualistischer Ausbruchsversuche wird somit zum Spiegelbild der Stagnation in den Jahren 1987/1988, als vielen eine Veränderung bestehender Verhältnisse kaum denkbar erschien.
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Grüne Hochzeit
DDR 1989, Regie: Herrmann Zschoche, 99 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Susanne, 17, und Robert, 18, sind ein junges Paar mit einem romantisch verklärten Blick auf die Liebe. Als Susanne schwanger wird, fühlen sie sich verpflichtet zu heiraten. Doch unter den wachsenden An- und Überforderungen des Alltags weicht die anfängliche Romantik schnell der Ernüchterung. Zu Beginn kritisiert Zschoches Film ironisch-augenzwinkernd die Lebensbedingungen im real existierenden Sozialismus der späten 1980er-Jahre, wie Wohnungsmangel, bürokratische Willkür und Schmiergeldzahlungen für Dienstleistungen. Doch mit dem fortschreitenden Zerbrechen der Beziehung von Susanne und Robert nimmt ›Grüne Hochzeit‹ eine dunklere, ernsthaftere Note an.
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Abschiedsdisco
DDR 1990, Rolf Losansky, 90 Min., Format: DCP, 35 mm, DVD
An einem Sommertag macht sich der 15-jährige Henning, der unter dem Tod seiner Freundin Silke leidet, allein mit dem Rad auf, um seinen Großvater zu besuchen. Dieser lebt im Dorf Wussina in der Lausitz, das in Kürze dem Braunkohletagebau weichen soll. Ist Henning zunächst nur außenstehender Beobachter, werden ihm durch Begegnungen mit unterschiedlichen Leuten zunehmend die Augen geöffnet.
Rolf Losansky nimmt in ›Abschiedsdisco‹ die in seinem Film ›...verdammt ich bin erwachsen‹ 1974 bereits thematisierte Zerstörung des Naturraums durch den Braunkohletagebau wieder auf. Die Todesmetapher eines fallenden Baumes zu Filmbeginn wird in der letzten Szene ersetzt durch das Pflanzen von Bäumen als Zeichen des Widerstands.
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Verbotene Liebe
DDR 1990, Regie: Helmut Dziuba, 90 Min., Format: DCP, 35 mm DVD
Barbara und Georg, Nachbarskinder in einem kleinen Dorf, kennen und lieben sich seit jeher. Als sie als Jugendliche auch die körperliche Seite ihrer Beziehung entdecken, wird dies zum Anlass, ihre Liebe durch Hass, Neid und Missgunst zu diskreditieren: Barbaras Vater zeigt den 18-jährigen Georg, Sohn des verhassten Parteisekretärs, an, seine 13-jährige Tochter sexuell missbraucht zu haben. Helmut Dziubas poetisch-ruhige Inszenierung von ›Verbotene Liebe‹ verdeutlicht die Diskrepanz zwischen Recht und Gesetz und zeigt die Bigotterie und moralische Kleingeistigkeit, die auch in der DDR im Jahre 1986 noch im Denken und Handeln herrschen.
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Biologie!
DDR 1990, Regie: Jörg Foth, 89 Min., Format: DCP (in Kürze verfügbar), 35 mm, DVD
Entstanden nach Wolf Spillners Jugendroman ›Wasseramsel‹: Bei einem Klassenausflug entdeckt die Zehntklässlerin Ulla, die sich vehement für den Naturschutz engagiert, dass in einem Landschaftsschutzgebiet widerrechtlich ein Wochenendhaus gebaut wird. Zur gleichen Zeit lernt Ulla Winfried kennen. Dessen Vater, einem Generaldirektor, ist es unter Umgehung zuständiger Stellen im Umweltamt gelungen, die Baugenehmigung für das Haus zu erhalten. Jörg Foths ›Biologie!‹ äußert nicht nur harsche Kritik am mangelnden Umweltbewusstsein breiter Bevölkerungsschichten, sondern legt zugleich Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption unter den Führungsschichten der DDR offen, die kritische Einwände mit Phrasen und Floskeln abtun.
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Tanz auf der Kippe
D 1991, Regie: Jürgen Brauer, 96 Min., Format: DCP (in Kürze verfügbar), 35 mm, DVD
Eine Parabel über Ehrlichkeit und Opportunismus, Kompromisslosigkeit und Konformismus: In der Nacht der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR wird der 17-jährige Gerat Lauter auf einer Mülldeponie zusammengeschlagen und verliert sein Augenlicht durch eine Hornhautverätzung. In Rückblenden erzählt der Film, wie es dazu kam. ›Tanz auf der Kippe‹, von Jürgen Brauer nach der Erzählung ›Augenoperation‹ von Jurij Koch geschrieben und zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung inszeniert, seziert metaphorisch überhöht die Hintergründe der Dekonstruktion des Landes DDR.
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Das Mädchen aus dem Fahrstuhl
D 1991, Regie: Herrmann Zschoche, 95 Min., Format: DCP, 35 mm, DVD
Der 16-jährige Frank, Sohn eines Betriebsdirektors, verliebt sich in seine gleichaltrige Nachbarin und Mitschülerin Regine, die aus komplizierten Verhältnissen stammt. Als er öffentlich die fehlende Meinungsfreiheit an seiner Schule anklagt, entbrennt ein erbitterter Streit zwischen ihm und der Schuldirektorin. Eine Freigabe des Stoffes wurde 1988 noch abgelehnt, sodass Herrmann Zschoche seinen Film erst Ende 1989/Anfang 1990 realisieren konnte. Uraufgeführt auf der Berlinale im Februar 1991, konnte ›Das Mädchen aus dem Fahrstuhl‹ seine politische Brisanz – die scharfe Kritik an einem Schulsystem, das auf Gleichschaltung und Unterdrückung freier Meinungsäußerung dringt – jedoch nicht mehr vollständig entfalten.
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Banale Tage
D 1992, Regie: Peter Welz, 92 Min., Format: DCP (in Kürze verfügbar), 35 mm, DVD
Alltag und Frustration unter Jugendlichen im Berlin der späten 1970er-Jahre: Schüler Michael lernt den Lehrling Thomas kennen. Beide ecken durch ihr nonkonformistisches Verhalten in Schule und Lehrstelle ständig an. Das Filmdebüt von Peter Welz, angefüllt mit Wort- und Bildzitaten, entwickelt im Verlauf ein zunehmendes Maß an theatraler Verfremdung und kippt gen Filmende in eine skurrile Farce. Nach dem Mauerfall im Frühsommer 1990 realisiert, hegt ›Banale Tage‹ keine Hoffnung mehr auf eine mögliche Umstrukturierung des Landes DDR, sondern blickt metaphorisch-distanzierend auf die Gründe von dessen Niedergang durch politische und kulturelle Stagnation.
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Jana und Jan
D 1992, Regie: Helmut Dziuba, 92 Min., Format: DCP, 35 mm, DVD
Der 16-jährige Jan wird aus dem geschlossenen Jugendwerkhof Torgau in ein neues Heim verlegt. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren, Gewalt unter Jungen wie unter Mädchen ist an der Tagesordnung. Aus einer Wette heraus beschließt die 17-jährige Jana, den Neuling Jan zu verführen. Durch Fernsehausschnitte, politische Kommentare und Plakate klar in der Wendezeit zwischen Oktober 1989 und Juni 1990 verortet, entwirft Helmut Dziubas kompromisslosester und härtester Film eine Welt voller Trostlosigkeit, in der sich trotz der politischen Umbrüche kaum etwas an den Gegebenheiten für die Insassen des Jugendwerkhofs verändert.