70 Jahre DEFA
Die DEFA feiert 2016 ihr 70-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass präsentiert der Filmverleih der Deutschen Kinemathek eine Filmreihe mit selten gezeigten Filmen der DEFA-Produktion.
Filmauswahl
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Spielbank-Affäre
DDR/SE 1957, Regie: Arthur Pohl, 93 Min., Format: DCP
Die Kriminalgeschichte um Korruption und Betrug in westdeutschen und Schweizer Spielbanken war eine verdeckte ost-westdeutsche Koproduktion und sollte publikumswirksam über finstere Machenschaften beim kapitalistischen Nachbarn »aufklären«. Mit Totalvision, Agfacolor und Außenaufnahmen im Tessin setzte die DEFA auf üppige Schauwerte. Nach Ende der Dreharbeiten beschlossen die verantwortlichen Filmfunktionäre jedoch aus Angst vor der Leuchtkraft des »goldenen Westens«, den Film in der DDR nur in Normalformat und Schwarz-Weiß vorzuführen. Die vollständige Fassung des Films wanderte ins Archiv und ist nun nach 60 Jahren erstmals wieder zu sehen.
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Die Russen kommen
DDR 1968/1987, Regie: Heiner Carow, 92 Min.
Heiner Carows autobiografisch inspirierter Film erzählt von dem 16-jährigen Günter Walcher, für den die Niederlage der Nazis in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs eine Katastrophe darstellt. 1968 passte diese Geschichte über den Faschismus ohne antifaschistischen Helden nicht in das kulturpolitische Konzept der DDR-Regierung. Die Produktion wurde nicht fertiggestellt, allerdings versah Carow 1970 Ausschnitte daraus mit einer Rahmenhandlung für seinen Film ›Karriere‹. Erst 1987 konnte ›Die Russen kommen‹ unter Verwendung einer stark beschädigten Arbeitskopie vollendet werden.
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Treffen in Travers
DDR 1989, Regie: Michael Gwisdek, 105 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
1793 treffen sich der Forscher Georg Forster und seine Frau Therese in den Schweizer Bergen, um ihre Scheidung zu besprechen. Aufgrund Forsters Beteiligung an der Französischen Revolution sind beide gezwungen, ohne Aussicht auf Rückkehr nach Deutschland im Exil zu leben. Durch die Anwesenheit von Thereses neuem Lebensgefährten Huber entspinnt sich eine spannungsgeladene Menage-à-trois. Der letzte DEFA-Film vor dem Fall des Eisernen Vorhangs besticht mit einer atmosphärisch-dichten Bildsprache und dem intensiven Spiel der Protagonist*innen. 1989 lief der Film bei den Festspielen in Cannes in der Rubrik »Un Certain Regard«.
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Gejagt bis zum Morgen
DDR 1957, Regie: Joachim Hasler, 80 Min., Format: 35mm, DVD
Weil Martha Kurda keinen Arzt bezahlen kann, stirbt ihr Sohn Ulli an einer Lungenentzündung. Sein 13-jähriger Bruder Ludwig will ihm wenigstens ein Begräbnis im eigenen Sarg ermöglichen, doch auch der Tischler Baumann fordert Geld für seine Arbeit. Nach einem Streit mit Ludwig verunglückt der betrunkene Tischler tödlich auf dem Friedhof und Ludwig wird des Mords verdächtigt. Angelehnt an die Erinnerungen des Arbeiterschriftstellers Ludwig Turek schildert der Film mit einer ausgefeilten, vom Expressionismus inspirierten Schwarz-Weiß-Bilddramaturgie die Flucht des Jungen durch das nächtliche Berlin.
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Stielke, Heinz, fünfzehn…
DDR 1987, Regie: Michael Kann, 98 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Heinz Stielke, 15, blond und blauäugig, ist ein überzeugter Hitlerjunge, dessen Welt zusammenbricht, als sich herausstellt, dass sein im Krieg als Offizier gefallener Vater Jude war. Er wird daraufhin vom Gymnasium verwiesen, von seinen »Kameraden« in der Hitlerjugend verprügelt und verjagt. Michael Kanns Debütfilm wird getragen von der Präsenz seines Hauptdarstellers Marc Lubosch, der bei Drehbeginn gerade mal 13 Jahre alt war.
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Der fliegende Holländer
DDR 1964, Regie: Joachim Herz, 98 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Senta, Tochter des reichen Reeders Daland, flieht aus ihrem eintönigen Alltag in ein Reich der Fantasie. Dort erscheint ihr der sagenhafte Fliegende Holländer, der dazu verdammt ist, ruhelos die Weltmeere zu durchstreifen. In ihrer Vorstellung gelingt es Senta, ihn mit ihrer Liebe zu erlösen, wodurch sie zugleich die Kraft gewinnt, sich den Realitäten ihres Lebens zu stellen. Mit dem Wechsel des Bildformats zwischen 4:3-Standard und Totalvision fand Joachim Herz – der sonst nur als Opernregisseur arbeitete – eine brillante filmische Lösung um die Übergänge zwischen Traum und Realität zu charakterisieren.
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Vorspiel
DDR 1987, Regie: Peter Kahane, 92 Min., Format: 35mm, DVD
In einer Kleinstadt vertreibt sich der Dekorationslehrling Tom die Langeweile mit pubertären Streichen und träumt von der großen Liebe. Um Corinna, der Tochter des neuen Museumsdirektors Dr. Lange, zu imponieren, will Tom Schauspieler werden. Gleichzeitig versucht er, die Gunst von Dr. Lange zu gewinnen, der jedoch einen deutlich realistischeren Blick auf das Leben hat. Das vielschichtige Porträt zweier Generationen kurz vor dem Ende der DDR pendelt mit Bildern von bröckelnden Häuserfassaden, herbstlichen Farben und dem nuancenreichen Dialog zwischen Aufbruch und Stagnation, Hoffnung und Frustration.
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Wozzeck
Deutschland (Sowjetische Zone) 1947, Regie: Georg C. Klaren, 101 Min., Format: 35mm, DVD
Vor der Leiche des gehängten Wozzeck diskutieren der Doktor und ein Student über das Schicksal des Toten. War er ein kaltblütiger Mörder oder ein unglücklicher Mensch und das Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse? Wozzek, Füsilier bei einem Regiment, muss Demütigungen von allen Seiten erdulden. Dem Wahnsinn verfallen, ermordet er schließlich seine Gefährtin Marie. Klaren bereichert Büchners Textvorlage mit eigenen Ideen sowie Elementen aus Alban Bergs gleichnamiger Oper. Die expressionistische Bildgestaltung mit Überblendungen und Doppelbelichtungen verdeutlichen den fortschreitenden Zusammenbruch des geschundenen Protagonisten.
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Unbändiges Spanien
DDR 1962, Regie: Kurt Stern, Jeanne Stern, 87 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Den Ausgangspunkt für Kurt und Jeanne Sterns Arbeit bildete der Film ›Spanische Erde‹ (USA 1937) von Joris Ivens, mit einem Kommentar von Ernest Hemingway, über den Kampf des spanischen Volks gegen den rechtsgerichteten Militärputsch unter General Franco. Die Produktion zeigt nicht nur die historischen Hintergründe des Bürgerkriegs auf, sie beleuchtet auch die Unterstützung der Putschisten durch die faschistischen Regimes in Deutschland und Italien sowie das Versagen der Westmächte – zwei Faktoren, die wesentlich zum Untergang der Zweiten Spanischen Republik und zur Etablierung der Franco-Diktatur beitrugen.
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Das Luftschiff
DDR 1983, Regie: Rainer Simon, 116 Min., Format: DCP, 35mm, DVD
Der (fiktive) deutsche Erfinder Franz Xaver träumt seit der Jugend davon, ein Windmühlenluftschiff zu bauen – wozu es allerdings niemals kommt. Er wandert nach Spanien aus, wird erfolgreicher Geschäftsmann, gerät zwischen die Fronten des Spanischen Bürgerkriegs und kehrt schließlich nach Deutschland zurück, wo ihn die Nationalsozialisten in ein Irrenhaus sperren und 1945 töten. Zeichnungen, die der Künstler Lutz Dammbeck in Originalnegative eingekratzt hat, markieren Zeitsprünge in die Vergangenheit, verweisen aber auch auf das Innenleben des Protagonisten