Ulrike Ottinger – Ausstellung und Retrospektive
13.9. – 2.12.07
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Publikation
Mit der Reihe „film.kunst" stellt die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen deutschsprachige Filmschaffende vor, die sich an der Schnittstelle verschiedener künstlerischer Disziplinen bewegen. Den Auftakt bildet eine Ausstellung über die Regisseurin und Fotografin Ulrike Ottinger.
Ulrike Ottinger gilt als eine der eigenwilligsten deutschen Filmemacher*innen von internationalem Rang. Vom Surreal-Theatralischen, vom Stilisiert-Artifiziellen bis zum Ethnologisch-Abbildenden, vom Fiktionalen bis zum Dokumentarischen reicht ihr Œuvre. Ihre Motive findet sie in Europa, Asien und Nordamerika. Im Zentrum der Ausstellung stehen ihre großformatigen Fotografien, die häufig parallel zu den Filmarbeiten entstanden sind, jedoch ganz eigene visuelle Akzente setzen. Regionale Schwerpunkte bilden dabei China und die Mongolei, die Ottinger wiederholt bereist hat. Das Abwegige, Abseitige und Groteske rückt sie in den Mittelpunkt ihrer Bilder.
Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden. Überbordende Dreh- und Arbeitsbücher, vielschichtige Collagen ihrer Recherchen, verdeutlichen den filmischen Arbeitsprozess. Die phantasievollen Kostüme aus Filmen wie Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984) oder Johanna d'Arc of Mongolia (1989) arrangiert Ottinger zu theatralen Installationen.
Credits
Mit Unterstützung von:
Goethe-Institut
Medienpartner:
3sat
die tageszeitung
Pressereaktionen
Tip Berlin, Ausgabe 19/07
Ulrike Ottinger
»Den Bilderrausch der Filme in eine museale Inszenierung zu übersetzen«, das ist das Ziel der neuen Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen, mit der Ulrike Ottinger geehrt wird. Passend dazu und zum Berlin-Start ihres jüngsten Films Prater würdigt das Arsenal die Filmemacherin mit einer Retrospektive im Oktober.
Der Tagesspiegel, 13. September 2007
Die Welt ist eine Geisterbahn
Von Christina Tilmann
(…) Vier Räume, vier Regionen: von Berlin über China und die Mongolei bis in den Osten der Südostpassage und der 14 Stühle. Besonders bei ihren großen Dokumentarfilmen China: die Künste – der Alltag, Taiga, Exil Shanghai oder Südostpassage ist parallel ein immenses Foto-Œuvre entstanden, aus dem die Regisseurin nun schöpfen kann. Wie in ihren Filmen erweist sich Ottinger in ihren Fotos als unwiderstehliche Zeitvernichterin. Einen geradezu magischen Sog entfachen die Bilder, die als Diashow in einem Extraraum laufen – mit den prächtigen Kostümen, altersklugen Gesichtern, weiten Landschaften voller weißer Pferde, aber auch mit den traurigen Resten der Berliner Industriearchitektur.
Die Tageszeitung, 14. September 2007
Barockes Welttheater
Von Katrin Bettina Müller
(…) Schon die Tür, durch die man die Ausstellung betritt, wirkt wie eine Schleuse in die Welt der künstlichen Wunder. Sie ist von einem breiten Rahmen aus Pappmaché mit gemalten Einhörnern und geflügelten Wesen eingefasst. Dahinter nehmen den Besucher drei Ritter in Empfang, mit Rüstungen aus Ofenrohren, Kuchenformen und Käsereiben. (…) »Ich wünschte, dass man meine Bilder liest wie in der Zeit des Barock«, sagt die Regisseurin, und dem kommt das Medium Ausstellung tatsächlich entgegen. Drei Räume sind Ottingers Reisen und ihren dokumentarischen Filmen gewidmet, durch China, in die Mongolei und von einem Containermarkt in Odessa. In den achtziger Jahren verschob sich ihr Fokus von den literarisch-mythologischen Stoffen immer mehr zu einer Erkundung der realen Welt, die nicht weniger reich an Schönheit schien. (…)
Berliner Morgenpost, 14. September 2007
Kirmesfahrt durch ein Gesamtwerk
Von Barbara Schweizerhof und Peter Zander
(…) In die Ausstellung taucht man wie in eine Geisterbahn. Durch ein Opernportal, das sie einst für ihren Film Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse entworfen hat. Dann gelangt man in vier verschiedene Räume, die die Welten repräsentieren, die sie bereist und befilmt hat, und ihr Hauptthema aufnehmen: die Missverständnisse unterschiedlicher Kulturen. Zu sehen sind Kostüme aus ihren Filmen, etwa kunstvoll gebastelte Puppen aus Filmdosen, Küchenreiben und Waschbrett. Hüte aus diversen Filmen, zu einer Pyramide installiert. Und die vielen Fotografien, mit denen die gebürtige Konstanzerin recherchiert und die doch gleichberechtigt neben ihrem Filmoeuvre stehen. Eine Art Fundus, wie sie sagt, »den ich im Kopf habe und immer wieder in neue Kombinationen zusammensetze.« Die Fotos stehen hier im Vordergrund. Denn mit dieser Schau wird die neue Reihe »film.kunst« eröffnet für Filmemacher, »die zu kreativ sind, um nur Regisseure zu sein«, so Museumsleiter Rainer Rother. (…)
Zitty Berlin, 21. September 2007
Faszinierendes Universum
Von Jan Gympel
(…) In den nächsten Monaten besteht noch weitaus mehr Gelegenheit, in das faszinierende Universum Ulrike Ottingers einzutauchen: Der neue Streifen läuft zu einer großen, von ihr mitgestalteten Ausstellung über das Gesamtschaffen der vielseitigen Künstlerin im Filmmuseum am Potsdamer Platz an. Zu sehen sind großformatige Fotos, die die gebürtige Konstanzerin häufig parallel zu den Dreharbeiten geschaffen hat, oder oft collagenartige Dreh- und Arbeitsbücher, die ebenfalls den Rang eigenständiger Kunstwerke beanspruchen können. Nicht zu vergessen barock inszenierte Kostüme, wurden doch Ulrike Ottingers eher experimentelle Spielfilme wie Madame X – Eine absolute Herrscherin, Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse oder Freak Orlando bekannt durch kunstvolle Dekors, Masken und Gewänder, fantastische Bildkompositionen, traumwandlerische Handlungsstränge. (…)
Aviva-Berlin.de, September 200
Menschen, Tiere, Sensationen. Fotos von Ulrike Ottinger
Von Anna Opel
(…) Beim Gang durch die Ausstellung (…) stellt man zuallererst eines fest: das visuell Sensationelle ist der rote Faden, der sich durch Ulrike Ottingers heterogenes bildnerisches Oeuvre zieht. (…) Durch ein aufwendig bemaltes Eingangsportal, das im Film Dorian Gray in verschiedene Landschaften gestellt ist, betritt man die Ausstellungsräume und wird auf die Quadrage als zentrales inszenatorisches Prinzip gestoßen, das auch in Ottingers Bildern immer wieder zu entdecken ist: Mit Hilfe eines Rahmens werden einzelne Elemente hervorgehoben und bleiben trotzdem in ihrem Kontext. Dieses Verfahren erlaubt einen neuen, schärfenden Blick auf Einzelheiten im scheinbar Vertrauten und Alltäglichen und hält gleichzeitig, indem der Rahmen immer sichtbar bleibt, den Akt des Zeigens präsent. (…) Zum Ausklang dürfen wir es uns in einem abgedunkelten Raum auf dem Diwan bequem machen, und der ganze Ottinger-Kosmos wird in seiner Fülle und Überfülle noch einmal an unseren Augen vorbeigeklickt, bis wir in einen vorcineastischen Zustand geraten. Jetzt heißt es fliehen, bevor das Fernweh ausbricht.
Südkurier, 21. September 2007
Der fremde Blick macht's
Von Roland Mischke
(…) Für ein gutes Foto könne sie sich »lange auf die Lauer legen«, bekennt Ulrike Ottinger. Gesichter, die zu Grimassen werden und sich dann wieder in menschliche Antlitze zurückverwandeln – das zieht sie an. So hat sie die Schauspielerinnen Valeska Gert und Tabea Blumenschein in verschiedenen Situationen abgelichtet. Gesichter in nahezu unfassbaren Wandlungen, der wohl faszinierendste Teil menschlicher Ausdrucksfähigkeiten.
Aus China, das sie schon vor dessen rasanter Wirtschaftsentwicklung besuchte (…), der Mongolei, der Taiga und der Ukraine hat sie nicht nur gute Filmszenen, sondern berückende Fotos mitgebracht, die erstmals als Gesamtwerk zu sehen sind. In Vitrinen liegen einige ihrer Dreh- und Arbeitsbücher, voll gepackt mit Zeichnungen, Kritzeleien, eingeklebten Fotos. Materielle Überbleibsel einer überbordenden Verschmelzung von forschendem Blick und unstillbar neugieriger Schaulust. (…) bei Ulrike Ottinger ist die Kunst zuallererst: Bild. Eine sinnlich-expressive Schau.
Neues Deutschland, 29. September 2007
Komponierte Bilder des Abseitigen
Ausstellung und Retrospektive ehren im Filmmuseum die Multikünstlerin Ulrike Ottinger
Von Volkmar Draeger
(…) Hatte sie Einzelausstellungen bereits von Madrid bis Chicago, so erscheint ihr fotografisches Werk nun erstmals kompakt in Deutschland. Dass neben der Fotografin über eine komplette Retrospektive im Kino Arsenal auch die Regisseurin geehrte wird (…) und »Prater«, Ottingers neuester Streifen, derzeit seinen Berliner Filmstart erlebt, macht die Geburtstagsfeierlichkeiten für eine so eigenwillige wie international erfolgreiche Chineastin rund. (…) Empfangen wird man von den Kostümen dreier Soldaten des Großinquisitors aus »Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse«: lauter Don Quichotes, behängt mit Reibeisen, Töpfen, Sieben, Ofenrohr. (…) Absurd, grotesk, surreal wirken die Fotos mit der Personnage in opulent-dekadenten Kostümkreationen und in der originalen Kulisse, etwa Industrielandschaften, Friedhöfen, Berliner brachen. Eine Fotowand mit Motiven von Architekturen bis zu Fabelwesen und Missgeburten weist Ottingers Archiv aus, Vitrinen zeigen dickleibige Dreh- und Arbeitsbücher als fundierte Kompendien zum jeweiligen Thema.
epd Film, 11/2007
Sehnsucht nach Bildern und Reisen. Das Filmmuseum Berlin stellt Ulrike Ottinger aus
Von Claudia Lenssen
Ottinger (…) hat für die Ausstellung ihre Archive geöffnet und die Räume am Potsdamer Platz selbst gestaltet. Fotografien, Drehbücher, Entwürfe, Kostüme und Kontext-Materialien sind mit ausgeprägtem Sinn fürs Gesamtkunstwerk, für die Beziehungen zwischen Rauminstallationen und zweidimensionalen Bildwelten inszeniert – das Ganze ein Pilotprojekt unter dem Stichwort film.kunst, das in Zukunft weitere Grenzgänger zwischen den Medien würdigen soll. Auch die Vorhalle des Filmhauses wird genutzt: Ein monumentaler Bildstreifen mit Filmmotiven wirkt bei Fahrten mit den gläsernen Aufzügen wie eine rasante Geisterbahntour durch ihr Kino.
Süddeutsche Zeitung, 21. November 2007
Hereinspaziert
Ulrike Ottinger – eine Ausstellung und eine Retrospektive in Berlin
Von Anke Sterneborg
(…) Wenn man im Berliner Filmhaus durch den Rahmen tritt, der einst in Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (…) einen Bühnenraum eröffnete, dann verbinden sich die vielen Teile eines großen Lebenspuzzles zu einem schillernden Bild: Standfotos aus frühen Spielfilmen, Momentaufnahmen aus späteren großen Dokupanoramen, schrill bunte Kostüme und leuchtende Trachten. Und es fällt auf, wie fließend die frühen Inszenierungen in die Dokumentararbeit übergehen, in denen ganz selbstverständlich der Lebensraum zur Kulisse wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. November 2007
Wie stehen Zwerg und Schwein zum Plattenbau?
Von Leonie Wild
(…) Und so versinnbildlicht schon der Eingang in die Ausstellung eine der charakteristischen Positionen Ottingers: ihr spielerisches Verhältnis zur Realität, gespeist von der Frage, wie sich Landschaft und Industrie durch Inszenierung verändern (…): etwa wenn sie fotografisch eine Zwergwüchsige vor den Toren des Berliner Olympiastadions inszeniert, wo bei den Olympischen Spielen 1936 ein gegenteiliges, menschenfeindliches Körperbild propagiert wurde. (…) So sehr Ottinger in Berlin auf der Suche nach absurden Realitäten war, so wenig hat sie Exotik auf ihren zahlreichen Reisen nach China und in die Mongolei gesucht – ein anderer Schwerpunkt der Ausstellung. (…) »Heitere Komplizenschaft«, das ist das Wort, mit dem Ottinger ihren Draht zu den Motiven beschreibt; jene Heiterkeit lässt eine mongolische Bärentöterin oder ein greises Paar vor seiner Jurte jede Aura von »Fremdheit« gar nicht erst aufkommen. Und selbst inszenierte Fotografien aus dem Kontext von Johanna d'Arc of Mongolia (1989), wie jene, in der Irm Hermann über einer mongolischen Familie thront, reproduzieren keine Stereotype.(…)