Martin Scorsese
10.1. – 12.5.13
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten seines Landes. Die Ausstellung macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar; sie zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
In den Filmen von Martin Scorsese mögen die Schauplätze und Zeiten wechseln, den Lebensthemen seiner Protagonist*innen aber begegnen wir immer wieder. Das Verhältnis seiner filmischen Figuren untereinander ist geprägt von Misstrauen, Angst und Verrat einerseits und der Suche nach Sicherheit, Vertrauen und Nähe anderseits. Oft wirken die Beziehungsgeflechte eher schicksalhaft als selbst gewählt. Gewalt spielt eine zentrale Rolle, ebenso wie die Suche nach Spiritualität.
Schauplatz der Filme ist häufig New York, insbesondere Little Italy, eine früher überwiegend von italienischen Eingewanderten bewohnte Gegend, in der Scorsese aufgewachsen ist. Aus diesem urbanen Mikrokosmos stammen die Figuren seiner New-York-Filme, hier, in den Straßen seiner Kindheit, entwickelten sich seine filmischen Obsessionen.
Das Spektrum von Scorseses Œuvre reicht von den experimentellen Anfängen über Dokumentar- und Musikfilme bis hin zum Psychothriller. Auch der Einfluss von Werken des europäischen Autorenkinos und des klassischen Hollywood-Repertoires ist in seinem Werk erkennbar. Auf der Grundlage seines Interesses für die Motive menschlichen Handelns und für die Sprache des Kinos hat Martin Scorsese seine eigene filmische Handschrift entwickelt.
Die erste große Ausstellung über den Regisseur speist sich vornehmlich aus seiner privaten Sammlung aus New York sowie den Sammlungen von Robert De Niro und Paul Schrader aus dem Harry Ransom Center der Universität Texas in Austin. Neben seinem künstlerischen Werk würdigt die Ausstellung außerdem Martin Scorseses Engagement für den Erhalt des internationalen Filmerbes, mit dem er eine Brücke zwischen der Geschichte und der Zukunft des Kinos schlägt.
Zur Ausstellungsstation im Museo Nazionale del Cinema in Turin ist ein zweisprachiger Katalog (Italienisch/Englisch) erschienen.
Schwerpunkte der Ausstellung
Familie
Martin Scorsese wuchs in den 1950er-Jahren im New Yorker Stadtviertel Little Italy auf. Nicht nur er, sein Bruder und seine Eltern lebten dort, sondern die ganze Familie mit Großeltern, Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen. Die italienische Großfamilie war für den Jungen neben der katholischen Kirche und der rauen Welt der Straßengangs der prägendste Einfluss. Schon in seinen frühen studentischen Kurzfilmen beschäftigte Scorsese sich mit der Lebenswelt von Immigrierten. Später verkörperte seine Mutter Catherine Scorsese in seinen Filmen fast drei Jahrzehnte lang meist in sehr kleinen Rollen die typische italienische »Mamma«. Auch sein Vater Charles und andere Familienmitglieder wurden von Scorsese immer wieder in Statistenrollen besetzt. Über seine Eltern drehte Scorsese 1974 den preisgekrönten Dokumentarfilm Italianamerican, der beispielhaft die Geschichte einer italienischen Einwandererfamilie im 20. Jahrhundert in den USA beschreibt. Die Familie ist in Scorseses Filmen aber nicht nur ein behütender Schutzraum, sondern vor allem auch eine reglementierende Macht, die die Freiheit ihrer Mitglieder einschränkt und Konflikte erzeugt. Diesem Druck entkommen Scorseses Helden auch nicht, indem sie sich der Mafia zuwenden: Auch in deren familienähnlichen Strukturen sind strenge Regeln zu beachten. Nach Filmen wie Who’s That Knocking at My Door? (1967/1969) oder Mean Streets (1973) setzte Scorsese mit Goodfellas (1990) der italo-amerikanischen Welt der Großfamilien und des organisierten Verbrechens ein Denkmal.
Brüder
Scorseses älterer Bruder Frank erinnert sich: »Mein Bruder war ein kränklicher Junge. Marty hatte eine harte Kindheit. Aber ich achtete darauf, dass er in meiner Nähe blieb; nahm ihn mit ins Kino. Er war sechs Jahre jünger als ich, also passte ich auf ihn auf.« Im Zentrum vieler Scorsese-Filme stehen Bruderpaare – im verwandtschaftlichen wie im übertragenen Sinn. Inspiriert wurde er hierzu nicht allein durch seine Familie, sondern auch durch Freundschaftsbeziehungen in seinem weiteren Umfeld. Charakteristisch für diese Konstellationen ist vor allem der Umstand, dass zwei Männer aneinandergefesselt sind: Häufig macht der eine sich schuldig, während der andere, wie ein Schutzengel wider Willen, die Verantwortung übernimmt. Es geht um Schuld und Sühne, um Treue und Pflicht. Robert De Niro als Johnny Boy schlägt in Mean Streets (1973) über die Stränge, »macht Probleme«. Immer wieder missbraucht er das Vertrauen seines Freundes Charlie (Harvey Keitel), der sich nicht aus der Beziehung lösen kann. Ähnlich ergeht es den Brüdern Jake La Motta (Robert De Niro) und Joey (Joe Pesci) in Raging Bull (1980): Der Boxer Jake ist aggressiv und hält sich nicht an Absprachen; dennoch steht sein Bruder und Manager Joey ihm lange Zeit bei. Als er sich aber eines Tages von Jake trennt, zitiert dieser – obgleich er um seine Schuld weiß – den bekannten Monolog aus On the Waterfront (1954, Regie: Elia Kazan): »Es war deine Schuld, Charlie. Du warst mein Bruder. Du hättest ein bisschen auf mich aufpassen müssen. Du hättest dich um mich kümmern sollen.« In Goodfellas (1990) und Casino (1995) begegnen sich De Niro und Pesci unter zum Teil umgekehrten Vorzeichen wieder. Harvey Keitel verkörpert in The Last Temptation of Christ (1988) Judas, der Jesus (Willem Dafoe) bei dessen Selbstfindung begleitet und immer wieder herausfordert. Auch er trägt schwer an seiner Verantwortung.
Männer und Frauen
Als Martin Scorsese nach Mean Streets (1973) das Drehbuch für Alice Doesn’t Live Here Anymore (1974) angeboten wurde, war dies für ihn eine willkommene Gelegenheit um zu zeigen, dass er auch eine weibliche Hauptdarstellerin zu führen vermag. Ellen Burstyn wurde für ihre Rolle als alleinerziehende Mutter, die nach dem Tod ihres Ehemanns mit neuer Freiheit, aber auch mit existenziellen Sorgen konfrontiert ist, mit einem Oscar ausgezeichnet. Während die Männerfreundschaften in Scorseses Filmen von klaren Hierarchien und Ritualen geprägt sind, wirken die Annäherungen zwischen seinen männlichen und weiblichen Figuren wie ein unsicheres Tasten. In New York, New York (1977) scheitert die Ehe des Künstlerpaars Jimmy Doyle (Robert De Niro) und Francine Evans (Liza Minnelli) daran, dass die Frau erfolgreicher ist als der Mann. Der Anwalt Newland Archer (Daniel Day-Lewis) und die in Trennung lebende Gräfin Ellen Olenska (Michelle Pfeiffer) können in The Age of Innocence (1993) aufgrund gesellschaftlicher Konventionen nicht zueinanderkommen. Das starre Reglement der New Yorker Gesellschaft spiegelt sich auch in den enggeschnürten Korsetts und steifen Kragen der Kostüme in dem Film. In The Aviator (2004) sind sich Howard Hughes (Leonardo DiCaprio) und Katharine Hepburn (Cate Blanchett) mit all ihren Ticks und Eigenheiten zu ähnlich, um zusammenleben zu können. Die Psychologin Madolyn (Vera Farmiga), die sich in The Departed mit ihrem Patienten Billy (Leonardo DiCaprio) trifft, gesteht ihm: »Ihre Sensibilität bringt mich ziemlich aus der Fassung.« Scorsese inszeniert Männer, die Schwäche zeigen möchten, aber die Gesten und das Vokabular dafür nicht kennen. So bleiben ihre Annäherungen an die Frauen fragil und müssen stets neu erprobt werden.
Lonely Heroes
Viele von Martin Scorseses Figuren sind einsam und stehen mit der Gesellschaft in Konflikt. Sie sind keine lonely heroes im klassischen Sinn, sondern eher Antihelden: häufig zur Gewalt neigende junge Männer auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft. Am eindrücklichsten hat Scorseses langjähriger Weggefährte, der Schauspieler Robert De Niro diese Figuren verkörpert. In seiner legendären Darstellung des durch den Vietnamkrieg traumatisierten Travis Bickle in Taxi Driver (1976) wird neben der bedrohlich wachsenden Gewaltbereitschaft des Protagonisten gleichermaßen dessen tiefe Verzweiflung spürbar. Scorseses kompromissloseste Heldenfigur ist Jesus Christus: The Last Temptation of Christ (1988) nach dem Roman von Nikos Kazantzakis war für den Regisseur, der als junger Mann zunächst Priester werden wollte, ein besonders bedeutsames Projekt. Nachdem die Verfilmung mit Aidan Quinn in der Hauptrolle 1983 aus finanziellen Gründen scheiterte, spielte schließlich Willem Dafoe den zweifelnden Weltenretter. In Scorseses späteren Filmen hat mehrfach Leonardo DiCaprio die Rolle des einsamen Helden übernommen. Seine Verkörperung des von Kriegserlebnissen und Schuldgefühlen gezeichneten US-Marshals Edward »Teddy« Daniels in Shutter Island (2010) bleibt den Zuschauende in ähnlich starker Erinnerung wie die von Robert De Niro dargestellten Figuren.
New York
1950 zog die Familie Scorsese von Queens in die Elizabeth Street 253 in Little Italy um. Der an einer Asthma-Erkrankung leidende Martin verbrachte viel Zeit zu Hause; das Leben auf der Straße verfolgte er vom Fenster aus. Früh beschäftigte ihn das Spannungsgeflecht zwischen den moralischen Werten der katholischen Kirche und den Gesetzen der New Yorker Gangsterwelt. 1960 nahm er ein Filmstudium am benachbarten Washington Square College (später New York University) auf, wo sein Lehrer Haig Manoogian ihm riet, seine Filme in genau diesem Milieu anzusiedeln. So entstand Scorseses Abschlussfilm Who’s That Knocking at My Door? (1967) rund um die Elizabeth Street. Nur selten richtet der Regisseur den Blick der Kamera von außen auf die Stadt – beispielsweise für spektakuläre Aufnahmen von der Skyline –, meistens bewegt sie sich mit den Protagonist*innen durch die Straßen und die Innenräume in dem Viertel. Mit den Augen des Helden Travis Bickle (Robert De Niro) zeigt auch Scorseses berühmtester New-York-Film Taxi Driver (1976) die damals noch von Drogen und Prostitution geprägte Gegend um den Times Square in Midtown Manhattan. In späteren Filmen wie The Age of Innocence (1993) oder Gangs of New York (2002) wendete Scorsese sich der Geschichte der Stadt im 19. Jahrhundert zu, erschuf das historische New York mit aufwendigen Studiobauten oder an authentisch anmutenden Locations außerhalb Manhattans. Neben Woody Allen ist Scorsese, dessen aktueller Film Wolf of Wall Street ebenfalls in der Metropole spielt, über die Jahrzehnte zu einem der wichtigsten Chronisten New Yorks geworden.
Kino
Das früheste Kinobild, an das Martin Scorsese sich erinnert, stammt aus einem Western mit Roy Rogers und dessen Pferd Trigger. Seine ersten italienischen Filme sah er auf dem 16 Zoll großen Schwarz-Weiß-Fernseher, den seine Eltern im Jahr 1948 angeschafft hatten. Später nahm sein Vater ihn mit ins Kino, wo den Jungen vor allem die großen Hollywood-Klassiker faszinierten. Die Ästhetik von The Big Shave (1967), Martin Scorseses Kommentar zum Vietnamkrieg, lässt sich auch als ein früher Verweis auf Alfred Hitchcock lesen. Die Einladung des Films zum Experimentalfilmfestival ins belgische Knokke verschaffte dem Regisseur erste internationale Aufmerksamkeit.
Scorsese verfügt über immense filmhistorische Kenntnisse, die er häufig als Referenzen in seine Filme einfließen lässt. Dabei werden die Zitate niemals zum Selbstzweck; vielmehr gelingt es Scorsese stets, sie neu zu kontextualisieren, ohne dass sie dadurch ihre Erkennbarkeit einbüßen. Wiederholt arbeitete er auch mit etablierten Vertreter*innen des klassischen Hollywood-Kinos zusammen: Unter anderen entwarfen Elaine und Saul Bass die Titel für mehrere seiner Filme, darunter auch für das Remake eines Thrillers von J. Lee Thompson aus dem Jahr 1962: Cape Fear (1991).
Als Martin Scorsese Ende der 1970er-Jahre auf das Problem der mangelnden Haltbarkeit von Farbfilmkopien aufmerksam wurde, richtete er gemeinsam mit Kollegen einen Appell an den Konzern Eastman Kodak, in dem er forderte, dass dieser künftig farbechtes und haltbares Filmmaterial entwickeln solle. 1990 gründete er zusammen mit berühmten Kollegen wie Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und Stanley Kubrick in New York The Film Foundation, die sich dem Erhalt des internationalen Filmerbes widmet. Zum 100. Geburtstag des Films im Jahr 1995 realisierte Scorsese den Dokumentarfilm A Personal Journey with Martin Scorsese Through American Movies, 2001 kam mit Il mio viaggio in Italia sein Blick auf das italienische Kino hinzu. Mit seinem Engagement für das Filmerbe und seiner kontinuierlichen künstlerischen Arbeit schlägt Martin Scorsese auf einzigartige Weise eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft des internationalen Films.
Kamera
Martin Scorsese komponiert jedes Detail seiner Filme. Der Rhythmus der einzelnen Szenen wird durch das Zusammenspiel von Kamera, Schnitt und Sound bestimmt. Trotz der Gewalt und Brutalität, von der Scorseses Filme häufig handeln, zeichnen sie sich durch eine besondere Leichtigkeit aus. Diese entsteht sowohl durch den Inszenierungsstil des Regisseurs als auch durch die virtuose Kameraarbeit von directors of photography wie Michael Ballhaus (The Age of Innocence, 1993) oder Robert Richardson (Casino, 1995). The Age of Innocence nach dem gleichnamigen Roman von Edith Wharton erzählt die Geschichte einer geschiedenen Gräfin, deren Lebensweise nicht den Konventionen der New Yorker High Society der 1870er-Jahre entspricht. Schwerelos gleitet die Kamera durch opulente Säle und Empfangsräume und zeigt das von Äußerlichkeiten geprägte gesellschaftliche Leben. Auch in »Spieler«-Filmen wie The Color of Money (1986, Kamera: ebenfalls Michael Ballhaus) oder Casino erscheint die Leichtigkeit der Kamerabewegungen als Sublimierung der inneren Anspannung der Protagonisten. Wie in einem Pas de deux tanzt die Kamera gemeinsam mit Vincent (Tom Cruise) um den Billardtisch, jede seiner Bewegungen ist choreografiert. Legendär ist die zweieinhalbminütige Plansequenz in Goodfellas (1990), in der die Kamera Henry (Ray Liotta) und seiner Frau in den Copacabana-Club folgt. Mit seiner ausgefeilten Bildsprache findet Scorsese für jede Szene den richtigen Ausdruck: Häufige Wechsel der Geschwindigkeit, gegenläufige Bewegungen von Kamera und Protagonist, scheinbar endlose Fahrten mit der Steadicam dienen der Dramaturgie der Filme und verstärken deren suggestive Wirkung auf die Zuschauenden.
Schnitt
Martin Scorsese zählt zu den Regieführenden, die bei der Planung von Dreharbeiten den exakten visuellen Aufbau eines Films Bild für Bild in Storyboards festlegen. Er bestimmt dabei nicht nur Ausschnittgrößen und Kamerabewegungen, sondern skizziert in dieser Phase bereits auch die Montage der Bilder. Wie ein Architekt plant er die komplexe Struktur seiner Filme. Typisch für sie ist der Wechsel von langen, aber dynamischen Plansequenzen und atemberaubenden Schnittfolgen, bei denen das Auge der Flut extrem kurzer visueller Eindrücke kaum folgen kann. Schon während seines Filmstudiums an der New York University lernte Scorsese die Cutterin Thelma Schoonmaker kennen. Sie montierte seinen ersten Langfilm Who’s That Knocking at My Door? (1967). 1980 setzten beide ihre Zusammenarbeit mit Raging Bull fort, für den Schoonmaker ihren ersten Oscar gewann. Eine der eindrücklichsten Sequenzen dieses Films ist der letzte Boxkampf des Champions Jake La Motta gegen seinen Herausforderer Sugar Ray Robinson. Der Kampf leitet die Wende zum Niedergang der Karriere La Mottas ein. Scorseses Vorbild für den Aufbau der Szene war die wohl berühmteste Schnittsequenz der Filmgeschichte, die »shower sequence« aus Alfred Hitchcocks Psycho (1960). Darin wird den Zuschauenden durch den schnellen Schnitt die Gewalt des Kampfes lediglich suggeriert. Im Gegensatz dazu machte die virtuose Montage Schoonmakers es Scorsese möglich, die blutenden, geschundenen Körper der beiden Boxer in sämtlichen Details zu zeigen. In Verbindung mit der komplex komponierten Tonebene und dem permanenten Wechsel zwischen Normalgeschwindigkeit und Zeitlupe wird das brutale Geschehen ästhetisch überhöht.
Musik
Musik spielt in Martin Scorseses Leben und Werk eine bedeutende Rolle. So berichtet er, dass er zu seinem Film Mean Streets (1973) durch die Musik inspiriert worden ist, die nachts aus den Wohnungen und Bars in Little Italy tönte. Songs wie „Jumpin’ Jack Flash“ und »Be My Baby« von den Rolling Stones inspirierten ihn zu zahlreichen seiner Filmbilder. „Jumpin’ Jack Flash“ war mehr als dreißig Jahre später der Eröffnungssong der Rolling Stones bei ihrem Konzert im New Yorker Beacon Theatre; Martin Scorsese begleitete das Ereignis mit der Kamera – Shine a Light erlebte seine Uraufführung als Eröffnungsfilm der Berlinale 2008. Auch mit The Last Waltz (1978) hat Scorsese einen Konzertauftritt dokumentiert: das legendäre Abschlusskonzert von The Band. Seine Dokumentarfilme über Bob Dylan und George Harrison erzählen nicht nur von den Karrieren dieser Musiker, sondern liefern darüber hinaus auch differenzierte Zeitporträts. Schon in Taxi Driver arbeitete Scorsese mit einem der berühmtesten amerikanischen Filmkomponisten zusammen: Bernard Herrmann, von dem zahlreiche Filmmusiken für Alfred Hitchcock stammen, schrieb für Taxi Driver seinen letzten Filmscore mit einem zwischen melancholischen und bedrohlichen Saxophonklängen changierenden Jazzthema. Weitere Soundtracks ließ Scorsese von Peter Gabriel The Last Temptation of Christ (1988), von Philip Glass zu Kundun (1997) sowie von Howard Shore zu Gangs of New York (2002), The Aviator (2004), The Departed (2006) und zu Hugo (2011) komponieren. Bei Shutter Island (2010) wagte Scorsese ein besonderes Experiment, indem er ausschließlich Neue Musik aus den 1950er-Jahren einsetzte – der Zeit, in der der Film spielt. So prägen avantgardistische Klänge von Komponisten wie Krzysztof Penderecki oder György Ligeti die Atmosphäre dieses Psychothrillers.
Galerie
Pressereaktionen
Tagesspiegel, 10. Januar 2013
Martin Scorsese Gewalt der Schönheit
Von Peter von Becker
Ein blutdurchtränktes Hemd hinter Glas, ausgestellt wie eine Reliquie. Ein leicht gruseliger Augenschmaus. Doch es ist Kunstblut, vom Besten! Robert De Niro hat in seinen Verträgen stehen, dass er nach Drehschluss die Kostüme seiner Filme behalten darf. (…) Und so sehen wir jetzt in Berlin jenes letzte Hemd, das De Niro als Exsträfling vor gut 20 Jahren in Martin Scorseses Thriller Kap der Angst getragen hat. Oder die Boxershorts und Handschuhe, als De Niro, legendär und wieder bei seinem Lieblingsregisseur, 1980 in Raging Bull der tanzende, taumelnde Faustkämpfer Jake La Motta war. (…) Nicht nur für eingefleischte Cineasten, auch für das größere Publikum ist das eine Verführung ins künstliche Paradies. Ein Paradies freilich auch der Gewalt – alle haben ihre Unschuld verloren und sind nackt noch in ihren Roben: wie Cate Blanchett, die man sich in ihrer Oscar-preisgekrönten Rolle als Katherine Hepburn im gleichfalls ausgestellten Originalkostüm aus Scorseses Aviator von 2004 vorstellen darf. Es sind Zeugnisse von gewalttätiger, gewaltiger Schönheit. (…)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. Januar 2013
Ein Tempel für Gottes einsamsten Mann. Eine große Ausstellung feiert den amerikanischen Regisseur Martin Scorsese
Von Andreas Kilb
Mit elf Jahren zeichnet Martin Scorsese das Storyboard für einen Sandalenfilm in Cinemascope: ‚The Eternal City’. Die Geschichte, liebevoll und gründlich mit Buntstift ausgemalt, beginnt mit einem Triumphzug durch die Straßen Roms (…). E gibt viele Jungen, die solche Träume träumen. Das Besondere an Scorseses Träumen besteht darin, dass sie sich erfüllt haben. In der Ausstellung, die Kristina Jaspers und Nils Warnecke für die Deutsche Kinemathek in Berlin kuratiert haben, sieht man, was aus den frühen Allmachtsphantasien des Knaben Marty geworden ist: die Silbervögel, mit denen Leonardo DiCaprio in Aviator durch den Himmel rast; die üppig gedeckten Tische und raschelnden Ballkleider aus Zeit der Unschuld; die kreisenden Rouletteräder aus »Casino« (…). Es ist, wie man staunend erfährt, die erste Ausstellung über den größten lebenden amerikanischen Filmregisseur, und sie setzt eine Marke, die schwer zu übertreffen ist. Man läuft durch einen Palast der Erinnerungen, den Traum eines Knaben, der zum Meister des Träumens wurde. Es ist das reine Glück.“
Berliner Zeitung, 10. Januar 2013
Nahaufnahme Martin Scorsese
Von Anke Westphal
Der Hurricane Sandy ist schuld daran, dass Martin Scorsese gestern nicht persönlich angereist ist zur Eröffnung der weltweit ersten Ausstellung über ihn. (…) Immerhin hat Scorsese eine freundliche Videobotschaft nach Berlin geschickt, in welcher er mit heiterem Erstaunen konstatiert, dass er für die neue Sonderausstellung des Museums für Film und Fernsehen doch recht viel beigesteuert haben muss, denn er vermisse so einiges in seiner Wohnung wie im Produktionsbüro. Und ja, die Schau »Martin Scorsese« tröstet einen fast über die Abwesenheit dieser Kinolegende hinweg, so wunderbar vielfältig, kenntnisreich und liebevoll ist sie eingerichtet. Scorsese hat hierfür sein Privatarchiv geöffnet; dazu kommen Exponate aus den Collections von Robert De Niro, dem Hauptdarsteller vieler Scorsese-Filme, sowie Paul Schrader in Austin, Texas. Wer der Person Martin Scorsese näher kommen will, wird diese Ausstellung lieben. Wer seinen Eindruck von Filmen des Regisseurs auffrischen und um Einblicke in dessen Werdegang und Arbeitsweise ergänzen will, wird beglückt sein. (…)
Berliner Morgenpost, 10. Januar 2013
So tüftelt und tickt Kultregisseur Martin Scorsese
Von Peter Zander
(…) »Martin Scorsese«, so der schlichte Titel dieser Schau, ist eine der besten Filmausstellungen der letzten Jahre. Weil hier ein Oeuvre nicht bloß biographisch abgearbeitet und mit Fotos bebildert wird, sondern weil hier ein seltener und spannender Einblick in eine Werkstatt ermöglicht wird: So tüftelt, so tickt Scorsese. Wir lernen den privaten Scorsese kennen. Fotos als Baby und als Vater. Die Ahnengalerie seiner italienischen Vorfahren. Und wie all das, das Familiäre, die Geschichte der Einwanderung und auch der italienische Familien-»Ersatz« Mafia in sein Werk Einzug fanden. (…) Dann spielt natürlich New York eine große Rolle. In einem Stadtmodell sind seine Drehorte mit Stecknadeln markiert, so dass man verfolgen kann, wie er die ersten Filme noch in seinem unmittelbaren Kiez, in Little Italy drehte, und wie sich dann der Radius in konzentrischen Kreisen immer weiter auswuchs. (…) Ganz zuletzt landet man in einem dunklen Raum, in dem auf vier Leinwänden eine zwölf Minuten lange Bild- und Toncollage aus seinen Werken irrlichtert. Und man buchstäblich eintaucht in die Welt des Martin Scorsese.
Süddeutsche Zeitung, 12. Januar 2013
Konstruktionsplan fürs Kino
Von Anke Sterneborg
Da ist also dieser kränkliche Junge, der häufig zuhause hockt, in den Fünfziger Jahren in Little Italy, New York. Er verfolgt die Filme, die sich vor seinem Fenster abspielen, flüchtet sich in die Geschichten, die er im Fernsehen sieht. Wie Martin Scorsese aus den Versatzstücken der Wirklichkeit im Laufe der Jahre seine ganz eigene Welt erschuf, kann man jetzt in Berlin in einer wunderbaren Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen in der Deutschen Kinemathek erleben. Man kann dort allen Einflüssen auf sein Werk nachspüren, die Erfahrungen in der italienischen Großfamilie, die Rituale der katholischen Kirche und der Mafiagangster – und immer wieder die Musik und das Kino der anderen. Die große Kunst der Kinematheks-Ausstellungen liegt darin, dass sie dem Betrachter kein festes Korsett schnüren. (…) Bis heute sind seine Helden genauso beseelt und besessen, getrieben und zerrissen wie er, und es ist ein Verdienst dieser Ausstellung, dass sie die Verbindungslinien transparent macht, die Wurzeln und Inspirationsquellen so klug zur vielstimmigen Sinfonie eines Lebenswerks choreografiert, zu einem Lebensfilm.
Neues Deutschland, 15. Januar 2013
Herzblut fließt unterm Eis. Martin Scorsese – eine starke Ausstellung in der Deutschen Kinemathek
Von Hans-Dieter Schütt
Das Museum für Film und Fernsehen am Potsdamer Platz in Berlin zeigt die weltweit erste Ausstellung zu Leben und Werk des US-Regisseurs Martin Scorsese (…). Und gleich vorweg: Es ist eine großflächige Ausstellung, die aber verblüffend intim wirkt. Als habe der Grandiose jeden Besucher persönlich hereingebeten in Büro, Schneideraum, private Filmvorführungsstätte – ins Lebenswerk. Die Exposition, kuratiert von Kristina Jaspers und Nils Warnecke, zeigt Kostüme, Notizbücher, Briefe, Vertragskopien, eine Kamera von 1980 – da, der Wohnzimmertisch der Familie Scorsese, die Ahnengalerie, die Bilder und katholischen Requisiten von den Wänden des Elternhauses, natürlich unzählige Fotos, und an die Wände geworfen: Szenenausschnitte aus 32 Filmen des Regisseurs. Es ist das Schönste, was man über diese Schau sagen kann: Technik präsentiert sich, und doch entsteht Zauber; Information füllt Räume, jedoch strahlt eine Atmosphäre des spannenden Erzählens von Dingen, die kein Fakt zu vermitteln vermag; aus dem Wirklichen der Stücke schimmert jenes Unwirkliche der bösen, bitteren, beseelenden Märchen des Wunders Film. (…)
Credits
Künstlerischer Direktor: Dr. Rainer Rother
Kurator*innen: Kristina Jaspers, Nils Warnecke
Projektsteuerung: Peter Mänz
Ausstellungskoordination: Vera Thomas
Koordination Sikelia Productions, New York: Marianne Bower
AV-Medienprogramm: Nils Warnecke
Lektorat: Karin Herbst-Meßlinger
Übersetzung ins Englische: Wendy Wallis, transART, Berlin
Gestaltung Werbegrafik: Pentagram Design, Berlin
Gestaltung Ausstellungsgrafik: Jan Drehmel, befreite module, Berlin
Produktion Ausstellungsgrafik: PPS Imaging, Berlin und Bartneck Print Artists, Berlin
Architektur: Camillo Kuschel Ausstellungsdesign, Berlin
Ausstellungseinrichtung: m.o.l.i.t.o.r. – art in motion
Stadtmodell New York: Ingrid Jebram, jebram-szenografie, Berlin
Grafik Stadtmodell New York: Oliver Temmler, sujet.design, Berlin
Kostümrestaurierung: Barbara Schröter
Konservatorische Betreuung: Sabina Fernández, Berlin
Schnitt AV-Medien: Stanislaw Milkowski, Concept AV, Berlin
Lichtdesign: OSRAM
Einrichtung Medien und Licht: Stephan Werner
Technik: Frank Köppke, Roberti Siefert
Leitung Kommunikation: Tatjana Petersen
Marketing: Sandra Hollmann
Pressearbeit: Heidi Berit Zapke
Bildung und Vermittlung: Jurek Sehrt
Mitarbeit Ausstellungsbüro: Antje Materna, Georg Simbeni
Finanzen: Uwe Meder-Seidel
Audioguide: Linon Medien, Berlin
Leihgeber*innen
Martin Scorsese Collection, New York
Brigitte Lacombe, New York
Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv, Berlin
Dante Ferretti, Rom
Harry Ransom Center, University of Texas at Austin, Austin
Margaret Herrick Library, Academy of Motion Picture Arts and Sciences, Los Angeles
Museo Nazionale del Cinema, Turin
Museum of the Moving Image, New York
Sandy Powell, London
Danksagung
Unser besonderer Dank gilt Martin Scorsese für die großzügige und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Für die hervorragende Koordination und ihre Unterstützung bedanken wir uns bei Marianne Bower von Sikelia Productions, New York.
Unser Dank gilt außerdem
Michael Ballhaus, Berlin und München
Alberto Barbera, Turin
Claudia Bozzone, Turin
Anna Maria und Riccardo Buzzanca, Rom
Anne Coco, Los Angeles
Dante Ferretti, Rom
Janet Johnson, New York
Brigitte Lacombe, New York
Keith Lodwick, London
Jill K. Morena, Austin
Nicoletta Pacini, Turin
Sandy Powell, London
Sonja P. Reid, Austin
Angela Savoldi, Turin
R. Colin Tait, Austin
Apryl L. Voskamp, Austin
Molly Welch, New York
Steve Wilson, Austin
sowie allen Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen.
Partner
OSRAM
In Zusammenarbeit mit
Museo Nazionale del Cinema Torino
Ghent International Film Festival
Mit Unterstützung von
Italienisches Kulturinstitut Berlin / Kulturabteilung Italienische Botschaft
Lufthansa Cargo
Medienpartner
radio eins rbb
Filmdienst
Dussmann das KulturKaufhaus
Die Deutsche Kinemathek wird gefördert durch:
Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
An anderen Orten
Scorsese
12.6.–15.9.2013
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten seines Landes. Die Ausstellung macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar; sie zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
Martin Scorsese
11.10.2013–26.1.2014
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten in den USA. Die Ausstellung der Deutschen Kinemathek, die auch in Gent zu sehen war, macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar; sie zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
Martin Scorsese
14.10.2015–14.2.2016
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten in den USA. Die Ausstellung der Deutschen Kinemathek war auch in Paris zu sehen. Sie machte Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar und zeigte, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
Scorsese
26.5.–18.9.2016
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten in den USA. Die Ausstellung der Deutschen Kinemathek macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar und zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
Martin Scorsese
11.12.2016–23.4.2017
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten in den USA. Die Ausstellung der Deutschen Kinemathek macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar und zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
Martin Scorsese
25.5.–3.9.2017
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten in den USA. Die Ausstellung der Deutschen Kinemathek macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar und zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.
Martin Scorsese
23.3.–15.7.2018
Martin Scorsese, einer der bedeutendsten Regieführenden unserer Zeit, ist ein großer Stilist und Archäologe des Kinos. In seinen Filmen erzählt er von den Menschen und den gesellschaftspolitischen Konflikten in den USA. Die Ausstellung der Deutschen Kinemathek macht Scorseses Inspirationsquellen und seine spezifische Arbeitsweise nachvollziehbar und zeigt, wie sehr seine künstlerische Erzählweise das moderne amerikanische Kino geprägt hat.