Bernd Eichinger – ... alles Kino
28.6. – 6.10.13
Bernd Eichinger (1949–2011) war Deutschlands erfolgreichster Filmproduzent der vergangenen Jahrzehnte. Er hat in unterschiedlichen Funktionen mehr als 100 Film- und Fernsehproduktionen betreut und verantwortet. Sein Name ist verbunden mit der Münchener Verleih- und Produktionsfirma Constantin Film, an der er bis 2006 beteiligt war und die er seit den 1980er-Jahren – zunächst als Neue Constantin – zu großen Erfolgen geführt hatte.
Was machen Filmproduzent*innen? Sie tragen die wirtschaftliche Verantwortung für ein Filmprojekt von der Entwicklung des Stoffes bis zur internationalen Vermarktung, sie sind der »Motor« jeder Filmproduktion, müssen sämtliche Abläufe kennen und Risiken abwägen. Der Filmproduzent Bernd Eichinger, der an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film studiert hatte, verkörperte diese Rolle mit ganzer Leidenschaft wie kein Zweiter auch als kreative Instanz. Seit seiner Zeit bei der Constantin machte Eichinger Filme für das »große Publikum«; bei der heimischen Kritik waren seine Produktionen dagegen oft umstritten. Im internationalen Filmbusiness genoss er große Anerkennung.
Die Ausstellung präsentiert erstmals die 2012 von der Deutschen Kinemathek übernommene »Sammlung Bernd Eichinger« der Öffentlichkeit. Sie nähert sich der Person und dem Werk aus verschiedenen Perspektiven: Eine Zeittafel kombiniert wichtige Daten des beruflichen, privaten und öffentlichen Lebens mit Objekten, Fotos und Filmausschnitten. In den Bereichen »Helden«, »Deutschland«, »Amerika« und »Außenseiter« geht es um Lebensthemen Bernd Eichingers, die sich in seinen Filmen und Projekten widerspiegeln. Am Ende der Ausstellung bietet eine Medieninstallation mit drei choreografierten Großprojektionen Einblicke in die Gedankenwelt und das kreative Potenzial Bernd Eichingers.
Schwerpunkte der Ausstellung
Helden
Das Kino erzählt häufig von Held*innen. Sie überwinden ihre Ängste und Schwächen und kämpfen für das Gute, sind Vorbilder, mit denen sich das Publikum identifizieren kann. Die Frage danach, »was in einem steckt«, trieb Eichinger privat wie als Filmemacher an. Seine Lieblingshelden waren Winnetou und Prinz Eisenherz. In Zeiten persönlicher Krisen griff er auf seine Karl-May-Bände und die Comicalben von Hal Foster zurück. Ein weiterer Heldenmythos, mit dem er sich zeitlebens beschäftigt hat, ist die Nibelungensage. Bernd Eichinger, der selbst mit einer Reihe von Ängsten zu kämpfen hatte, darunter auch Höhenangst, empfand das Filmemachen stets als ein »Gipfelstürmen« und damit als eine Selbstüberwindung. »No Fear!« notierte er einmal – als Motto oder Selbstermahnung – auf einer Serviette.
Die erste große Heldengeschichte, die Eichinger auf die Leinwand brachte, war Die unendliche Geschichte (BRD/USA 1984, Regie: Wolfgang Petersen). Der Einsatz aufwändiger Technik machte diese Verfilmung des Romans von Michael Ende zu einer der kostspieligsten deutschen Produktionen ihrer Zeit. Erzählt wird die Geschichte des Jungen Bastian Bux, der beim Lesen in ein magisches Buch gerät und gemeinsam mit der Kindlichen Kaiserin und weiteren Freund*innen versucht, das Land Phantásien zu retten.
Heldengeschichten berichten oftmals vom Erwachsenwerden und davon, Verantwortung zu übernehmen. Dies gilt für den Mönch Adson in Der Name der Rose (BRD/F/I 1986, Regie: Jean-Jacques Annaud) ebenso wie für die jungen Wissenschaftler*innen in Fantastic Four (USA/D 2005, Regie: Tim Story). Schon Mitte der 1980er-Jahre hatte Eichinger die Filmrechte an dieser Marvel-Comicserie erworben, doch damals interessierte sich kaum jemand für Superheld*innen. Eichinger sicherte sich den Stoff endgültig 1994 mit einer Filmadaption (The Fantastic Four, Regie: Oley Sassone), die er zusammen mit Roger Corman produzierte, jedoch nie ins Kino brachte. Erst in den 2000er-Jahren war die Zeit für eine international erfolgreiche Großproduktion gekommen, der ein Sequel folgte.
Deutschland
Bernd Eichinger bewegte sich im Verlauf seiner Karriere souverän in sehr verschiedenen Milieus des deutschen Films. Durch seine Produzententätigkeit für die von ihm mitgegründete Solaris Film- und Fernsehproduktion war er seit den 1970er-Jahren gut mit Autorenfilmern wie Alexander Kluge, Edgar Reitz, Hans Jürgen Syberberg oder Wim Wenders vernetzt. Andererseits beförderte er mit Filmen wie Werner – Beinhart! (D 1990, Regie: Niki List, Michael Schaack, Gerhard Hahn), Der bewegte Mann (D 1994, Regie: Sönke Wortmann) oder Ballermann 6 (D 1997, Regie: Gernot Roll, Tom Gerhardt) vehement den kommerziell erfolgreichen deutschen Komödienboom der 1990er-Jahre.
Eine biografische Konstante in Bernd Eichingers Berufs- und Privatleben bildete – als Rückzugsort wie als professionelle Plattform – die Kunstschaffendenszene im Münchener Stadtteil Schwabing – von seinem Freund Helmut Dietl in dessen Film Rossini – Oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief (D 1997) höchst ironisch dargestellt. 1996/97 produzierte Eichinger für den Fernsehsender Sat.1 die sogenannten »German Classics« – Remakes deutscher Spielfilme der 1950er-Jahre. Bei der Neuverfilmung von Rolf Thieles Das Mädchen Rosemarie aus dem Jahr 1958 schrieb er erstmals nach 20 Jahren wieder ein Drehbuch und führte Regie. Zu seinen umstrittensten Produktionen zählt Der Untergang (D/I/R/A 2004, Regie: Oliver Hirschbiegel), inspiriert durch das Buch von Joachim C. Fest über Hitlers letzte Tage im »Führerbunker« sowie die Erinnerungen von Hitlers Sekretärin Traudl Junge. Bernd Eichinger verfasste das Drehbuch und suchte beim Filmstart die Unterstützung der Print-Leitmedien Bild, Der Spiegel und Frankfurter Allgemeine Zeitung. Den Film sahen in Deutschland mehr als 4,5 Millionen Zuschauer. Mit Der Baader Meinhof Komplex (D 2008, Regie: Uli Edel), angeregt durch das gleichnamige Sachbuch von Stefan Aust, trat der Produzent erneut als Drehbuchautor hervor. Wie Der Untergang erhielt auch dieser Film in keiner Kategorie einen Deutschen Filmpreis, der seit 2005 durch die von Eichinger maßgeblich initiierte Deutsche Filmakademie vergeben wird. Beide Filme wurden jedoch für einen Oscar nominiert.
Amerika
Bernd Eichingers Urgroßvater war nach Amerika ausgewandert und betrieb eine Brauerei in Brooklyn, New York. Die Familie kehrte um 1900 nach Bayern zurück. Drei Generationen später wurde für den jungen Bernd Eichinger Amerika erneut zu einem Sehnsuchtsland. Er begeisterte sich Zeit seines Lebens für die Bücher von Karl May und für amerikanische Comics. Als Chef der Neuen Constantin stärkte Eichinger das Verleihgeschäft mit amerikanischen Spielfilmen, die er mit einer großen Anzahl von Kopien in Deutschland startete. Er aktivierte die Beziehungen nach Hollywood und stieg mit seinen Produktionen Die unendliche Geschichte (BRD/USA 1984, Regie: Wolfgang Petersen) und Der Name der Rose (D/F/I 1986, Regie: Jean-Jacques Annaud), beides Adaptionen erfolgreicher Bücher, in das internationale Filmgeschäft ein.
Mit Letzte Ausfahrt Brooklyn (BRD/USA 1989, Regie: Uli Edel), entstanden nach dem autobiografischen Skandalroman von Hubert Selby, realisierte Eichinger eine deutsch-amerikanische Koproduktion »on location« in dem damals noch verrufenen New Yorker Stadtteil. Ein Jahr später siedelte er nach Los Angeles über, betrieb dort ein Büro und pendelte seitdem zwischen den Kontinenten. Seine internationale Koproduktion The House of Spirits (D/DK/P/USA 1993, Regie: Bille August) entstand mit amerikanischer Beteiligung. Diese Verfilmung des gleichnamigen Romans von Isabel Allende setzte mit Meryl Streep, Glenn Close, Jeremy Irons, Winona Ryder und Antonio Banderas in den Hauptrollen auf zugkräftiges Starkino.
Bernd Eichinger war Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Mit der Verleihung eines Academy Awards hätte sich für ihn gewiss ein Lebenstraum erfüllt. Immerhin erhielt 2003 mit dem von ihm koproduzierten Spielfilm Nirgendwo in Afrika (D 2001, Regie: Caroline Link) erstmals seit über 20 Jahren wieder ein deutscher Spielfilm einen Oscar. 2002 gelang Eichinger mit der Verfilmung des Computerspiels Resident Evil (Regie: Paul W. S. Anderson) ein großer kommerzieller Erfolg in den USA.
Am 24. Januar 2011 verstarb Bernd Eichinger in Los Angeles.
Außenseiter
Zeitlebens fühlte sich Bernd Eichinger von Außenseiter*innen angezogen. Als Filmproduzent sah er in ihren Lebensgeschichten ein Identifikationspotential für breite Zuschauermassen. Sein erster großer Erfolg, Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (BRD 1981, Regie: Uli Edel), erzählt von Drogenabhängigen und Kinderstrichern in Berlin. Der Film, ohne Drehgenehmigung an Originalschauplätzen entstanden, schockierte mit seiner Authentizität das Publikum und traf zugleich das Lebensgefühl einer Generation. Auch Eichingers Begeisterung für Hubert Selbys düsteren Roman Last Exit to Brooklyn zeugt von seinem Interesse an gesellschaftlichen Außenseitern wie zum Beispiel Prostituierten oder Transvestiten. Auch andere seiner Literaturverfilmungen, etwa das Inzestdrama The Cement Garden (GB/D/F 1993, Regie: Andrew Birkin) oder Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders (D/F/E/USA 2006, Regie: Tom Tykwer) nach Patrick Süskinds Bestseller, erzählen Geschichten außerhalb der gesellschaftlichen Norm. 15 Jahre lang bemühte sich Eichinger um die Rechte an Süskinds Stoff, von dessen filmischem Potenzial er überzeugt war.
Geprägt durch seine eigene Jugend in einem katholischen Internat, beschäftigten Eichinger zwei weibliche Biografien in besonderer Weise: jene von Rosemarie Nitribitt und Natascha Kampusch. Bei der TV-Produktion Das Mädchen Rosemarie (D 1996) über die Prostituierte Nitribitt, die in einem Heim für Schwererziehbare aufwuchs und deren Tod 1957 einen Skandal auslöste, führte Eichinger auch Regie. An dem Drehbuch über die Leidensgeschichte der Natascha Kampusch, die als Zehnjährige entführt und mehr als acht Jahre lang von einem Mann gefangen gehalten wurde, arbeitete Eichinger bis kurz vor seinem Tod.
Galerie
Pressereaktionen
Berliner Morgenpost, 27. Juni 2013
»Die volle Dosis Bernd«
Von Matthias Wulff
Filmemacher Bernd Eichinger wird in einer Retrospektive in der Deutschen Kinemathek gewürdigt. Für seine Witwe war die Übergabe der Sammlung »Trauerbewältigung«, für das Publikum ist sie ein Glück. (…)
Bernd Eichinger, das vergegenwärtigt man sich wieder beim Gang durch die Ausstellungsräume, war auch ein verdammt cooler Typ – und sich dessen allzu bewusst. Auf einem Bild liegt er in einem leicht verwühlten Bett, das linke Bein angewinkelt, im Hintergrund das Plakat von Letzte Ausfahrt Brooklyn. Auf dem Bild daneben steht Jennifer Jason Leigh, an ein Auto gelehnt, im roten Top, mit blonder Perücke und der unvermeidlichen Zigarette. Jennifer Jason Leigh war Hauptdarstellerin, Bernd Eichinger der Produzent von Letzte Ausfahrt Brooklyn (einer seiner besten Filme; sehr kalt, sehr misanthropisch, sehr großartig). Wer das nicht weiß, könnte gut glauben, Bernd Eichinger sei der Star in dem Film. Die Pose, die Selbstinszenierung, das würde schon passen. Geschossen hat das Bild Karin Rocholl, die zwei Jahrzehnte Fotografin des Stern war. Sie steht zufällig neben einem, sie möge das Bild, sagt sie, weil es Eichingers rebellische, aufmüpfige Seite zeige. Mit Schuhen ins Bett – wo kommen wir denn dahin?
Berliner Zeitung, 27. Juni 2013
Die volle Dosis Bernd
Von Anke Westphal
Nun kann sich der Besucher also »die volle Dosis Bernd« (Katja Eichinger) geben. Warum er das tun sollte? Weil jeder in seinem Leben mindestens einen von Eichinger produzierten Film – und sei es Die unendliche Geschichte – gesehen hat, auch wenn er den Namen dieses Mannes noch nie gehört zu haben meint. Außerdem ist »... alles Kino« eine sehr schöne und kundige sowie ehrenhafte Würdigung des Toten. (…)
Höhepunkt und Zentrum von »Alles Kino« bildet dann eine Installation mit dem Schreibtisch aus Bernd Eichingers Münchener Wohnung und mehreren großflächigen Projektionen. Das Ganze verbindet die Bilderwelten, Risikobereitschaft, Energie und doch auch den Eigensinn einer Ausnahmepersönlichkeit – eben volle Dosis.
Süddeutsche Zeitung, 27. Juni 2013
»Eine volle Dosis Bernd«: Eichinger-Ausstellung in Berlin
Von Caroline Bock
In der Ausstellung wird deutlich: Eichingers Filme sind facettenreicher als ihr Ruf. Die Spanne reicht von Der Untergang mit Bruno Ganz als Hitler über Umberto Ecos Der Name der Rose, das Kriegsdrama Das Boot, Michael Endes Die unendliche Geschichte bis zu Das Mädchen Rosemarie mit der noch sehr jungen Nina Hoss. Und natürlich sind da die Komödien Der bewegte Mann und Das Superweib. (...)
Den Nachlass, von dem nur ein Bruchteil zu sehen ist, hat Katja Eichinger Ende 2012 der Deutschen Kinemathek übergeben. »Bernd hat ja alles aufgehoben«, sagte sie am Donnerstag. »Ich wusste, dass er ein Archiv haben wollte.« Vor der Ausstellung sei sie »natürlich sehr nervös« gewesen – und jetzt »extrem zufrieden«.
Der Tagesspiegel, 28. Juni 2013
Bange machen gilt nicht
Von Christiane Peitz
Wenn es um Bernd Eichinger geht, ist man hin- und hergerissen, das hört einfach nicht auf. Da sind zwei meterlange Wandvitrinen, vollgestopft mit Publikums- und Branchenpreisen, Goldenen Leinwänden, Goldenen Tickets, Bogeys und Jupiters, lauter kiloschweren, schrecklich hässlichen Trophäen, und darüber hängen Plakate von Manta Manta, Werner – Beinhart! oder Ballermann 6, all die Komödien, mit denen Bernd Eichinger zuverlässig ein Millionenpublikum versorgte. (…)
Ein Foto von den Dreharbeiten zu Syberbergs Karl May – auch das ist Eichinger: einer, der Anfang der 70er Jahre Syberberg produzierte. Die anderen sind ins Gespräch versunken, Inkarnationen des grübelnden, gründelnden Deutschland. Nur Eichinger, der Schlaks, schaut in die Kamera, ungeschützt, unverblümt, was kost’ die Welt. Ohne Wagemut, ohne Wahnsinn funktioniert keine Filmkunst. (…)
Deutschlandradio, 28. Juni 2013
Leben wie im Film
Von Michael Meyer
Spannend ist diese Gegenüberstellung, weil Eichinger wie wohl kein anderer genau diese beiden Gegensätze verkörpert hat: zum einen die Vorliebe für große, bombastische Filmstoffe, dann aber wieder ein Hang zur Düsternis und Außenseitern. (…)
Was bleibt von Bernd Eichinger, ist das Bild eines Produzenten, der zeitlebens auch seine Dämonen, seine Ängste jagte – und bei den meisten seiner Filme richtig lag. Er hatte ein Gespür für das, was die Leute sehen wollten. Tragisch war nur, dass die Kritik sein Werk oft ablehnte – zu vielen Filmen sind in der Ausstellung als Zeitungsausschnitt die krassesten Verrisse zu lesen. Sein Leben, das sei ununterbrochen Kino, sagte Eichinger in einem Interview, und: »Alles, was ich lese, was ich sehe, was ich beobachte, ob ich hier rüber schaue, hier rüber schaue oder hier rüber schaue, ist für mich alles Kino, alles.«
Die Tageszeitung, 29. Juni 2013
Überschäumende Tatkraft
Von Jenni Zylka
Man könnte ihn mächtig nennen: Bernd Eichinger, der 2011 überraschend 62-jährig starb, produzierte oder verantwortete mehr als 100 Filme, darunter Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Das Parfum, Letzte Ausfahrt Brooklyn und Der Baader Meinhof Komplex. Oder man nennt ihn energetisch: In der von der Deutschen Kinemathek soeben eröffneten »Sammlung Bernd Eichinger« finden sich in 350 Exponaten und rund 120 Minuten Sound- und Filmmaterial jede Menge Hinweise auf die Unermüdlichkeit des Mannes aus Oberbayern. Und auf seine Wandelbarkeit, die ihn für den einen zu kommerziell und für den anderen zu revolutionär machte.
Frankfurter Allgemeine, 30. Juni 2013
Der Rebell als Diktator des Kinos
Von Andreas Kilb
Ein Vorteil der Ausstellung, der zugleich ein Handicap ist, liegt in der Herkunft ihrer Exponate. Fast alle stammen aus dem privaten Nachlass Bernd Eichinger, der im vergangenen Jahr an die Stiftung Deutsche Kinemathek überging. Sie zeigen Eichinger so, wie er sich sehen wollte, in Texten und Bildern; sie zeigen aber auch seine erstaunliche Souveränität im Umgang mit sich selbst. Denn auf einigen Bildern, besonders auf jenen, die die Stern-Fotografin Karin Rocholl von ihm aufgenommen hat, kommt eben doch der andere Eichinger zum Vorschein, der Grübler und Zweifler, der Zerrissene von Hollywood. (...)
Denn Eichinger war kein Buchhalter, sondern ein Condottiere, ein Feldherr des Kinos. (...) Eine Art Jekyll und Hyde sei Eichinger gewesen, sagt Doris Dörrie, die mit ihm drei Filme gemacht hat, in einem Fernsehporträt, das in der Ausstellung läuft: tagsüber knallharter Geschäftsmann, nachts Filmstudent, Diktator und Rebell zugleich.
Die Welt, 3. Juli 2013
Große Schuhe
Von Anke Sterneborg
Europa und Amerika sind zwei der vier großen Ausstellungskapitel, Helden und Außenseiter zwei weitere. Überall nistet der Widerspruch, der das Schaffen dieses „Jekyll and Hyde" des deutschen Kinos von Anfang an bestimmt hat. Ein Widerspruch, den das bewährte Kuratorenteam Paul Mänz und Kristina Jaspers nicht aufzulösen versucht, sondern als Kraft der Ausstellung nutzt: Aus Filmausschnitten, Interviewpassagen, Filmrequisiten und einer Fülle von Dokumenten entsteht ein Gerüst. Es bietet jedem Besucher die Freiheit, seine eigenen Assoziationswege durch ein Werk zu gehen, das nicht in sich geschlossen ist, sondern bis heute lebendig schillernd weiterstrahlt. So wie der letzte Raum der Ausstellung, in dem auf drei Leinwänden eine Bild- und Toncollage aus Filmausschnitten und Interviewpassagen läuft, funktioniert im Grunde die ganze Ausstellung. (...)
Man mag über Bernd Eichinger denken, was man will, doch diese ungestüme, visionäre Kraft fehlt dem deutschen und dem internationalen Kino. Die Schuhe, die in der Vitrine stehen, sind zu groß, als dass ein anderer sie ausfüllen könnte.
Fimdienst, 14/2013
Bernd Eichinger ...alles Kino
An Bernd Eichinger kommt man schwerlich vorbei, wenn man sich mit deutschem Kino beschäftigt, ob man seine Filme nun liebt oder Eichingers Arbeit, die stets versuchte, die Massen zu erreichen, als rotes Tuch empfindet. Als den »wichtigsten und einflussreichsten deutschen Produzenten der letzten Jahrzehnte« bezeichnet ihn das Museum für Film und Fernsehen in Berlin, das ihm vom 28.6. bis zum 6.10. eine Ausstellung widmet. In vier thematische Felder aufgeteilt (»Deutschland«, »Amerika«, »Außenseiter« und »Helden«), befasst sich die Schau mit dem Leben und der Karriere Eichingers und bietet die Möglichkeit, sich ein Bild von seiner Arbeit zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei eine Medieninstallation, die Eichingers Bilderwelten heraufbeschwört.
Stuttgarter Zeitung, 5. Juli 2013
Bernd Eichinger: Der Kinomane mit der Sammelwut
Von Katja Bauer
Man könnte Skrupel verspüren angesichts dieser sehr persönlichen Habseligkeiten, die nun in der Ausstellung in Vitrinen beleuchtet werden, angesichts der Zeitleiste, die durch die Ausstellung führt und es nicht versäumt, den Betrachter darüber zu informieren, wann Eichinger mit wem eine Beziehung führte und wie lange: Hannelore Elsner (1982), Barbara Rudnik (1985), Katja Flint (1993) oder Corinna Harfouch (1998–2002). Aber anders wäre diese Annäherung nicht gegangen: Eichingers ganzes Leben war Film, da ließ sich nichts voneinander trennen. Die Stoffe, die ihn beschäftigten, beschrieb er einmal als Monster, die ihn anfielen, in ihren Klauen hätten und nicht mehr losließen. Oder wie er bei der Verleihung der Lebenswerk-Auszeichnung des Deutschen Filmpreises 2010 schlicht sagte: »Ich liebe Filmemachen, das ist mein Leben.« Gezeigt wird Eichingers Bewerbungsfilm für die Hochschule, und in einem Interview, in dem er dessen Entstehen erklärt, wird deutlich, was diesen Menschen ausmachte: der Wille, etwas zu schaffen, der so stark war, dass er jeden Zweifel wegspülte.
Credits
Künstlerischer Direktor: Dr. Rainer Rother
Kurator*innen: Peter Mänz, Kristina Jaspers
Projektsteuerung: Peter Mänz
Ausstellungskoordination: Vera Thomas
Medieninstallation: Gerlinde Waz
AV-Medienprogramm: Nils Warnecke, Gerlinde Waz
Verantwortlicher Archivar der Sammlung Bernd Eichinger: Gerrit Thies
Archivierung der Sammlung Bernd Eichinger: Peter Jammerthal, Anke Vetter
Ausstellungsmitarbeit: Georg Simbeni
Lektorat: Rolf Aurich
Redaktion Website: Karin Herbst-Meßlinger
Übersetzung ins Englische: Wendy Wallis, Transart, Berlin
Gestaltung Werbegrafik: Pentagram Design, Berlin
Gestaltung Ausstellungsgrafik: Jan Drehmel, Befreite Module, Berlin
Produktion Ausstellungsgrafik: Bartneck Print Artists und PPS Imaging GmbH, Berlin
Architektur: Camillo Kuschel Ausstellungsdesign, Berlin
Kostümrestauratorin: Barbara Schröter
Kostümeinrichtung: Theaterkunst GmbH Kostümausstattung
Konservatorische Betreuung: Sabina Fernández, Berlin
Schnitt AV-Medien: Anette Fleming, Concept AV, Berlin
Schnitt AV-Medien Zeitleiste: Volkmar Ernst
Einrichtung Medien und Licht: Stephan Werner
Technik: Frank Köppke, Roberti Siefert
Marketing: Sandra Hollmann
Presse: Heidi Berit Zapke
Bildung und Vermittlung: Jurek Sehrt
Programmgalerie: Holger Theuerkauf
Praktikant*innen: Friedrich Thorwald, Anne Ziegenbruch
Finanzen: Uwe Meder-Seidel
Audioguide: Linon Medien, Berlin
Video-Installation »No Fear!«:
Buch und Regie: Gerlinde Waz
Schnitt: Anette Fleming, Concept AV, Berlin
Sprecher: Lutz Riedel
Tonmischung und Sprachaufnahme: Jochen Voerste
Fotos Exponate: Marian Stefanowski
Cutterassistenz (Grafik): Ruth Tromboukis
Colour Matching: Stefan Engelkamp
Leihgeber*innen
Constantin Film AG, München
Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv
Deutsche Kinemathek – Grafikarchiv
Deutsche Kinemathek – Kostümarchiv
Deutsche Kinemathek – Sammlung Bernd Eichinger
Deutsche Kinemathek – Sammlung Rolf Giesen
Deutsche Kinemathek – Sammlung Uli Hanisch
Deutsche Kinemathek – Sammlung Theaterkunst
Katja Eichinger, München
Nina Eichinger, München
Katja Flint, Berlin
Yasmina Majid, München
Jürgen Olczyk, München
Waldemar Pokromski, Berlin/Warschau
Karin Rocholl, Hamburg
Rainer Stock, Essen
Hans Jürgen Syberberg, München und Nossendorf
Theaterkunst GmbH Kostümausstattung
Herman Weigel, München
Leihgeber*innen Medien
ARD
Bayerischer Rundfunk, München
David Dietl, München
dctp Entwicklungsgesellschaft für TV-Programm mbH, Düsseldorf
Diana Film GmbH, München
Fettfilm, Leipzig
Filmgalerie 451, Berlin
Global Screen GmbH, München
Hochschule für Fernsehen und Film München
Radio Bremen, Bremen
Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berlin
Solaris Film GmbH & Co. Produktions KG, München
Südwestrundfunk, Stuttgart
Zweites Deutsches Fernsehen, Mainz
Danksagung
Unser besonderer Dank gilt Katja Eichinger und Nina Eichinger
Sabine Ambros, München
Husam Chadat, München
Marianne Dennler, München
Corinna Dobrott, Berlin
Sabine Eichinger, München
Katja Flint, Berlin
Susanne Franke, Hamburg/Berlin
Tanja Goll, München
Nina Goslar, Mainz
Uli Hanisch, Köln/Berlin
Momme Hinrichsen, Leipzig
Robert Jarmatz, Berlin
Susan Joergensen, München
German Kral, München
Yasmina Majid, München
Torge Møller, Leipzig
Martin Moszkowicz, München
Thomas Müller, Stuttgart
Jürgen Olczyk, München
Waldemar Pokromski, Berlin/Warschau
Josef Reidinger, München
Christine Rothe, München
Stephan Rothmund, Stuttgart
Frieder Schlaich, Berlin
Nicole Schmidt, Mainz
Sandra Schmidt, München
Isabel Siben, München
Hans Jürgen Syberberg, München und Nossendorf
Tom Tykwer, Berlin
Christina Voigt, Frankfurt/Main
Julia Weber, München
Herman Weigel, München
Gabriele Wenger-Glemser, München
Hans Weth, München
sowie allen Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen.
Partner
Mit freundlicher Unterstützung von
Versicherungskammer Bayer Sparkassen Finanzgruppe
Produzentenallianz
Constantin Film
Theaterkunst Kostümausstattung
barefoot films
ARD
ZDF
Medienpartner
Inforadio rbb
tip Berlin
Yorck Kinogruppe
Mobilitätspartner
Deutsche Bahn
Die Deutsche Kinemathek wird gefördert durch:
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
An anderen Orten
Bernd Eichinger – ... alles Kino
29.10.2013–2.2.2014
Bernd Eichinger (1949–2011) war der wichtigste und einflussreichste deutsche Filmproduzent der vergangenen Jahrzehnte. Die Ausstellung stellte den Produzenten Eichinger als »kreative Instanz« vor. In vier großen Bereichen mit den Titeln »Deutschland«, »Amerika«, »Außenseiter« und »Helden« wurde seine Biografie aus den verschiedenen Perspektiven erzählt. Nach dem Auftakt in Berlin war die Ausstellung in München im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern zu Gast.