Eine Frau mit vielen Namen: Billie, Kittie, Lino Rossi und andere – das war Lucy von Jacobi (1887–1956), Schriftstellerin, Feuilletonistin und Schauspielerin. Seit 1905 stand sie auf der Bühne und spielte unter Max Reinhardt. Journalistische Arbeiten bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, darunter ›Vossische Zeitung‹ und ›Weltbühne‹, schlossen sich ab 1917 an. Frauenpolitisch engagiert, wurde sie in den 1920er Jahren zu einer prominenten Figur im Kulturleben der Weimarer Republik; Klaus Mann widmete ihr später ein kleines Porträt in seinem ›Mephisto‹-Roman. Als 1928 der Ullstein Verlag das mehrmals täglich erscheinende ›Tempo‹ auf den Markt brachte, war Lucy von Jacobi als vielfältig agierende Redakteurin dabei – bis zum Ende der Zeitung 1933 verfasste sie mehrere tausend Artikel über Kultur und Frauenfragen, aber auch literarische Essays und Glossen. Film, Literatur, Theater, Kunst und Mode waren ihre Schwerpunkte. Bei aller Kürze ihrer Texte schrieb sie gleichermaßen elegant und informativ. Mit ihrer Sicht auf die männerdominierte Filmwelt hielt sie nicht hinterm Berg. Der Weg ins Exil begann für sie 1933 und führte über Prag, Tirol und Ascona nach Florenz und 1938 wieder zurück in die Schweiz, wo sie unter Decknamen Übersetzungen, aber auch Zeitungsartikel veröffentlichte. Die enttäuschende Realität nach 1945 und eine schwierige ökonomische Situation trübten ihre letzten Lebensjahre. 1956 starb Lucy von Jacobi an den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Der Band enthält eine Auswahl der Filmkritiken von Lucy von Jacobi. Ein Essay von Irene Below erschließt anhand der zersplitterten Archivbestände die Biografie, ein Aufsatz von Ruth Oelze untersucht die Texte der Feuilletonistin.
»Irene Below, der die Wiederentdeckung der Verschollenen zu verdanken ist, hat die Stationen dieses bewegten Lebens mit bewunderungswürdiger Genauigkeit im Eingangsessay dargestellt und gemeinsam mit Ruth Oelze sowie den Herausgebern Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen die Auswahl eines film- und zeitgeschichtlich hochinteressanten Bandes getroffen«.
Hans-Jörg Rother, ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹, 22.10.09