Berlinale Classics 2020
Die Berlinale Classics bringen im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin digital restaurierte Filmklassiker und Wiederentdeckungen zurück auf die große Leinwand.
Filme
A Fish Called Wanda
(›Ein Fisch namens Wanda‹), GB/USA 1988, Regie: Charles Crichton
Nach einem spektakulären Juwelenraub kommt es unter den Dieben zum Zwist. Der Londoner Anwalt Archie Leach ist davon insofern betroffen, als dass er den von seinen Kumpanen verpfiffenen Anführer verteidigen soll. Dieser hat die Beute vor seiner Verhaftung beiseitegeschafft. Um in ihren Besitz zu gelangen, macht sich die Diebeskomplizin Wanda an Archie Leach heran. Den Verführungskünsten der energischen Amerikanerin hat der verklemmte Brite nichts entgegenzusetzen. Vorbei ist es mit dem Frieden – und als er sich in Wanda verliebt, auch mit der körperlichen Unversehrtheit. Denn Wanda hat einen Geliebten, der pathologisch eifersüchtig ist – und ganz und gar nicht dämlich … Anarchischer Humor und britische Komödientradition fanden im Gemeinschaftswerk von Monty-Python-Mitglied John Cleese und Regieveteran Charles Crichton glücklich zusammen. Die US-Stars Jamie Lee Curtis und Kevin Kline steuerten neben Tempo und Härte jene Weltläufigkeit bei, die ›A Fish Called Wanda‹ zu einem internationalen Kino-Hit machte – und jede Menge anglophober Sprüche, die ihre britischen Kontrahenten souverän kontern.
Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung.
Bushido zankoku monogatari
(›Bushido‹ (›Schwur der Gehorsamkeit‹)), Japan 1963, Regie: Tadashi Imai
Den Suizidversuch seiner Verlobten nimmt ein junger japanischer Büroangestellter zum Anlass, bei der Lektüre der Familienchronik auf die Geschichte seiner Ahnen zurückzublicken. Dabei handelt es sich um Angehörige des Militäradels, die von ihren jeweiligen Landesherren zu Gewalttaten genötigt wurden, mehr aber noch unter deren Grausamkeiten zu leiden hatten und sich oftmals zur rituellen Selbsttötung (Seppuku) gezwungen fühlten. Ständig drohte die Entführung und Vergewaltigung der Frauen und die willkürliche Verstümmelung und homosexuelle Versklavung der Männer … In radikaler Abkehr von der Romantisierung des Samurais übt Regisseur Tadashi Imai – in historischen Dekors und zum Teil drastischen Bildern – fundamentale Kritik am mittelalterlichen Obrigkeitssystem Japans und seinem inhumanen Ehrenkodex Bushido. Darüber hinaus zieht er in den zwei letzten seiner acht Episoden Parallelen zum Gehorsamskult der Kamikaze-Flieger im Zweiten Weltkrieg und in der japanischen Leistungsgesellschaft. ›Bushido zankoku monogatari‹ wurde bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 1963 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet.
Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung.
Daleká cesta
(›Der weite Weg‹), CSK 1949, Regie: Alfréd Radok
Der Weg der Prager Juden in die deutschen Vernichtungslager, nachgezeichnet am Beispiel der Familie Kaufmann. Tochter Hana ist Ärztin und heiratet nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Nazis ihren nicht-jüdischen Kollegen Dr. Antonín Bureš. Doch die Eheschließung kann nicht verhindern, dass Hanas Eltern ins KZ Theresienstadt deportiert werden. Als Antonín sich dort heimlich einschleicht, muss er nicht nur die entwürdigenden Lebensbedingungen zur Kenntnis nehmen, sondern auch die Nachricht, dass die Schwiegereltern bereits in den Osten »verlegt« worden sind – nach Auschwitz, Majdanek oder Sobibor … Mit ›Daleká cesta‹ schuf Alfréd Radok, der selbst im Arbeitslager interniert war und enge Verwandte in den KZs verlor, ein künstlerisch gültiges Abbild des Grauens im Holocaust. Stetig unterbrochen von dokumentarischem Filmmaterial, das die Einzelschicksale mit der Zeitgeschichte verknüpft, verdichten sich die Spielszenen zu einem albtraumhaften, expressionistischen »Totentanz«. ›Daleká cesta‹ verschwand 1949 nach wenigen Vorstellungen aus den tschechischen Kinos und wurde erst 1991 wiederaufgeführt.
Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung.
Das Wachsfigurenkabinett
D 1924, Regie: Paul Leni
Ein junger Dichter erhält vom Besitzer eines Panoptikums den Auftrag, Geschichten über drei seiner Wachsfiguren zu verfassen: Harun al-Raschid, Iwan den Schrecklichen und Jack the Ripper. In den drei Episoden des Films ist die Liebe eines jungen Paares (in dem stets der junge Dichter und die Tochter des Jahrmarktbudenbesitzers wiederzuerkennen sind) von den drei genannten Unholden bedroht: Den Kalifen Harun al-Raschid gelüstet es nach der Frau eines Bäckers, der Zar Iwan verschleppt eine Braut sowie ihren Bräutigam in seine Folterkammer und Jack the Ripper lauert der Tochter des Jahrmarktbudenbesitzers auf … Bei seiner letzten Spielfilmregie vor dem Wechsel nach Hollywood 1926 ließ sich der Grafiker, Bühnen- und Szenenbildner Paul Leni (1885–1929) stark vom filmischen Expressionismus anregen, den er zugleich zur Vollendung führte. Künstlerisch abstrahierte Kulissen, fantastische Kostüme, kameratechnische Extravaganzen und ein bewusst outriertes Spiel der drei Hauptdarsteller Emil Jannings, Conrad Veidt und Werner Krauß – all das zusammen ließ ›Das Wachsfigurenkabinett‹ zu einer Sternstunde des Weimarer Stummfilmkinos zwischen Kunsterlebnis und Jahrmarktsvergnügen werden.
Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung 2015–2019
Il bidone
(›Die Schwindler‹), I/F 1955, Regie: Federico Fellini
Ein römisches Gaunertrio um den alternden Wortführer Augusto bringt die Ärmsten der Armen um ihr Erspartes. Dazu überlassen die drei, als Priester verkleidet, arglosen Bauern wertlosen Plunder als vermeintlich kostbaren Goldschatz, oder sie verkaufen, als Beamte getarnt, Obdachlosen gefälschte Wohnberechtigungsscheine. Auf der Silvesterparty eines reich gewordenen Ganoven wird Augusto klar, dass er sein Leben verpfuscht hat. Nun will er wenigstens seiner Tochter Gutes tun, die von einem Studium träumt und vom erbärmlichen Lebenswandel ihres Vaters nichts ahnt … Fast ausschließlich außerhalb des Studios an Originalschauplätzen entstanden, gilt ›Il Bidone‹ als Federico Fellinis letzter neorealistischer Film. Die Weltpremiere der digital restaurierten Fassung wird zum Gedenken an seinen 100. Geburtstag (20. Januar 2020) gezeigt und markiert zugleich das 30-jährige Bestehen der von Martin Scorsese gegründeten The Film Foundation. Sie ist eine der weltweit führenden Institutionen für die Bewahrung und Restaurierung des Filmerbes. In Partnerschaft mit Filmarchiven und Studios hat sie im Laufe der vergangenen 30 Jahre über 850 Filme der Öffentlichkeit erneut zugänglich gemacht.
Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung 2019
Ostatni etap
(›Die letzte Etappe‹), PL 1948, Regie: Wanda Jakubowska
Im KZ Auschwitz-Birkenau sind Frauen aus vielen Nationen interniert. Aus einer Fülle bezeugter Einzelschicksale fügt Wanda Jakubowska das realistische Bild eines Alltags zwischen Zwangsarbeit und Krankenbaracke, zwischen Todesandrohung und Lebenswillen. Sie zeigt die Grausamkeiten des Wachpersonals und die kalkulierte Massenvernichtung durch die SS. Doch im Angesicht stets rauchender Schornsteine gibt es auch Akte des Widerstands und der Solidarität unter den Frauen, die sich auf die Befreiung durch die Rote Armee vorbereiten … Am Originalschauplatz und mit Laiendarstellerinnen aus der Umgebung von Oświęcim inszeniert, gewinnt ›Ostatni Etap‹ einen stark dokumentarischen Charakter. Dazu trägt wesentlich bei, dass alle Protagonistinnen ihre Landessprache sprechen. Das Originalnegativ des Films ist nicht überliefert. Als Grundlage für die Restaurierung diente ein Duplikatnegativ, das infolge eines Kopierfehlers starke Lichtschwankungen aufwies. Diese konnten ebenso korrigiert werden wie der Bildstand, mechanische Schäden und Störungen im Ton; fehlende Bildkader wurden ergänzt. Weltpremiere der vom National Film Archive in Kooperation mit dem Tor Studio digital restaurierten Fassung.
Welterstaufführung der digital restaurierten Fassung 2019
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