Vom aufrechten Gang – 30 Jahre Basis-Film Verleih Berlin
11.11.04 – 16.1.05
Allgemeine Informationen
Mit Filmen, die die Lebenswirklichkeit in der Bundesrepublik dokumentieren und Spannungen und Konflikte der Gesellschaft aufspüren, ist der Berliner Basis-Film Verleih etwas Besonderes in der deutschen Filmlandschaft. »Nützliche Filme sind solche, die uns helfen, unsere Lebensbedingungen zu ändern«, schrieb 1972 Christian Ziewer, dessen Regiedebüt Liebe Mutter, mir geht es gut (1971) der erste von Basis-Film produzierte Spielfilm ist. Zwei Jahre später nimmt die Basis-Film GmbH dann ihren Verleihbetrieb auf. Auch nach drei Jahrzehnten stehen bei Basis-Film Kino- und nichtgewerbliche Auswertung gleichberechtigt gegenüber, und die Verleiharbeit wird als kulturelle Vermittlung zwischen Zuschauern und Film gesehen.
Mit der Ausstellung präsentiert das Filmmuseum Berlin das von Basis-Film übernommene, einzigartige Firmenarchiv, das 30 Jahre Berliner Autorenfilm dokumentiert. In der Atmosphäre einer Werkstatt zeigt die Ausstellung Produktionsunterlagen, Verleihprogramme, Drehbuchauszüge und Begleitmaterialien zu Filmvorführungen.
Eng verbunden mit der politischen Entwicklung der Bundesrepublik spiegelt das Verleihprogramm von Basis-Film die Arbeiter-, Frauen- und Umweltschutzbewegung, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, die Wende und den Aufbruch im wiedervereinten Deutschland.
Thematische Schwerpunkte werden in einer Kompilation von Filmausschnitten und in Bildern zur Firmengeschichte präsentiert. Es sind nicht zuletzt die persönlichen Perspektiven und der vermittelnde Blick der Filmemacherinnen und Filmemacher, die das Verleihkonzept von Basis-Film unverwechselbar machen. So widmet sich ein Kapitel der Ausstellung dem Werk von Regisseurinnen und Regisseuren wie Harun Farocki, Rainer Werner Fassbinder, Helga Reidemeister, Ula Stöckl und Andreas Voigt.
Herz und Motor von Basis-Film ist die Gesellschafterin und Geschäftsführerin Clara Burckner, deren dreißig Jahre währendes Engagement für Basis-Film mit dieser Ausstellung geehrt wird. Sie hat zahlreiche Filmbegegnungen initiiert, sich als Mitglied verschiedener Gremien für den deutschen Autorenfilm eingesetzt und nach der Wende ein filmkulturelles Zentrum in Neustrelitz mit aufgebaut.
Aus dem umfangreichen und zuvor noch nie präsentierten Material ergeben sich aufschlussreiche Vernetzungen, die vom Wandel des Autorenfilms und den Veränderungen der kulturellen und politischen Landschaft Deutschlands erzählen.
Parallel zur Ausstellung erscheint eine DVD-Edition mit zwölf Titeln aus dem Basis-Film-Verleihprogramm und umfangreichem Begleitmaterial. Die Filmreihe zur Ausstellung ist im Kino Arsenal zu sehen.
Pressereaktionen
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Der Tagesspiegel, 11.11.2004
Das alte Lied von der Arbeit
30 Jahre Basis-Verleih: Eine Schau im Berliner Filmmuseum präsentiert ein Großkapitel westdeutscher Filmgeschichte
Von Christina Tilmann
1971, im Jahr der eigentlichen Gründung von Basis-Film, kommt vieles zusammen. In Frankfurt/Main gründet sich, unter Mitwirkung von Wim Wenders und Rainer Werner Fassbinder, der Filmverlag der Autoren, später auch das erste Programmkino in Westdeutschland.
Das erste »Internationale Forum des Jungen Films« findet parallel zur Berlinale statt. Willy Brandt erhält den Friedensnobelpreis. Und 18 Studenten der Berliner Filmhochschule dffb werden von der Akademie relegiert, weil sie 1968 an Protesten gegen die Notstandsgesetze teilgenommen haben. Einige von ihnen, darunter Harun Farocki und Christian Ziewer, gründen eine Filmgruppe, die im damaligen Berliner Neubaugebiet »Märkisches Viertel« Basisfilme drehen will. Der erste, Ziewers Liebe Mutter, mir geht es gut, wird so etwas wie die Basis der Basis-Filmproduktion bilden.
Drei Jahre später, 1974, als neben der Filmproduktion auch der Basis-Filmverleih seine Arbeit aufnimmt, hat sich die Situation dramatisch verändert. Willy Brandt ist im Zuge der Guillaume-Affäre zurückgetreten, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof sind verhaftet, Holger Meins ist an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben. Und Deutschland ist mit dem 2:1 Sieg gegen die Niederlande Weltmeister geworden.
Der politische Impetus der Entstehungszeit ist dem Basis-Filmverleih, der mit einer Ausstellung im Berliner Filmmuseum sein 30-jähriges Bestehen feiert, erhalten geblieben. Und die persönliche Kontinuität auch: Seitder Gründung der Verleihs steht Clara Burckner an der Spitze des Unternehmens, das sich eine kulturelle, nichtgewerbliche Filmarbeit auf die Fahnen geschrieben hat. Das Ziel: »Zuschauer zu qualifizieren, qualifizierte Filme zu sehen«, wie es in einem Prospekt von 1990 heißt. Doch viel, so die zierliche, charismatische Gründerin, hat sich seit damals nicht verändert: »Der aufrechte Gang ist geblieben.«
Auch etwas anderes gilt bis heute: die Konzentration auf den deutschen Autorenfilm, seit den neunziger Jahren verstärkt durch Dokumentar- und Kinderfilme. »Basis-Filme haben immer etwas quer zum Mainstream gelegen«, fasst es Filmmuseums-Chef Hans Helmut Prinzler zusammen. Namen wie Harun Farocki, Christian Ziewer, Ula Stöckl, Helga Reidemeister, Jeanine Meerapfel oder Helke Sander waren von Anfang an im Programm und werden bis heute gepflegt. Hinzugekommen sind ein Großteil des Werks von Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders. Und, bis heute, die Förderung des künstlerischen Nachwuchses: Andreas Kleinert oder Andreas Voigt waren Entdeckungen der Neunzigerjahre, Ulrich Köhlers Bungalow und Torsten Löhns Paule und Julia ragten zuletzt heraus.
Arbeiterfilme, Berlin-Filme, Frauenfilme, deutsche Geschichte, vor allem Nationalsozialismus, Krieg und Ökologie: das Basis-Programm, inzwischen auf fast 400 Filme angewachsen, spiegelt die gesellschaftlichen Debatten der vergangenen drei Jahrzehnte. Nicht nur die Geschichte eines Verleihs, ein Kapitel deutsche Filmgeschichte isthier präsent, mit einem schrägen, sehr charmanten Blick.
Dass nach 1989 alles noch einmal anders wurde, war klar. Das Thema Arbeiterfilme hatte schon vor der Wende zu Kontakten geführt – die Ausstellung dokumentiert den Briefwechsel mit Christa Wolf. 1990 schließlich präsentiert sich Basis-Film auf dem ersten Dresdner Filmfest und wird gefeiert – so sehr, dass Ula Stöckl spontan beschließt, den nächsten Film in Dresden zu drehen. Das alte Lied wird der erste Nachwende-Film.
Vor elf Jahren zog Basis-Film, auch aus Kostengründen, in die Provinz: Eine ehemalige Kachelofenfabrik in Neustrelitz wird zur Kulturfabrik umgebaut, ein Programmkino entsteht, das Basislager zieht um. Doch auch dort sind bald die Keller voll, mit Plakaten, Pressematerial, Korrespondenz. 4000 Leitz-Ordner zählt der Bestand, jeder Vorgang, jede Korrespondenz mit Regisseuren oder Kinobetreibern ist archiviert. Nun ist das Archiv an die Stiftung Deutsche Kinemathek gegangen – ein Geschenk, das den Anlass zur Ausstellung bildet. Wer immer künftig etwas über den deutschen Autorenfilm erfahren will, wird sich an die Kinemathek halten können. Und dort etwa erfahren, dass der Tisch, mit dem sich Basis-Film 1982 auf der Berlinale präsentierte und der in der Ausstellung noch einmal aufgebaut ist, immer noch überquillt. »Hier wird der deutsche Film instandbesetzt«, verkündet das Spruchband dazu.
die tageszeitung, Berlin, 16.11.2004
Die Boten der Autorenfilmer
Seit 30 Jahren widmet sich der "Basis-Film Verleih Berlin" der kulturellen Verleiharbeit. Eine Ausstellung im Filmmuseum am Potsdamer Platz blickt zurück auf eine berlintypische Institution, die aus dem 1968er-Milieu auszog, Kino anders zu machen.
von Jan Bakels
Berlin. Großer Stern. Hektischer Autoverkehr in Schwarzweiß. In einer Totalen erfasst die Kamera die Siegessäule, wandert hoch bis zu deren Spitze auf der der Schauspieler Otto Sander zu sehen ist. "Wir sind nicht Licht, nicht Botschaft. Wir sind die Boten", erklingt seine Stimme aus dem Off. So beginnt Wim Wenders Film In weiter Ferne, so nah! – eine Hommage an die Stadt.
Ob Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder, Harun Farocki oder Ula Stöckl – knapp 400 VertreterInnen des deutschen Autorenfilms fanden in den letzten 30 Jahren den immer gleichen Boten für ihre Werke: Den Basis-Film Verleih Berlin, dem das Filmmuseum am Potsdamer Platz jetzt eine Ausstellung widmet. "Vom aufrechten Gang" ist die Schau überschrieben – ein programmatischer Titel.
Mit Christian Ziewers Beitrag Liebe Mutter, mir geht es gut fing 1972 alles an. Basis-Film hieß damals Ziewers Produktionsfirma, die 1974 unter der Leitung von Clara Burckner auch ins Verleihgeschäft eintrat.Es wurden Filme verliehen ganz im Sinne der Westberliner antikapitalistischen 68er-Generation, Filme, die "die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Lohnabhängigen beschreiben und sich im sozialen Kampf auf Seiten der Lohnabhängigen engagieren". Das versprach der erste Verleihkatalog. Die Frauenbewegung erhielt ebenfalls einen Vermittler: Helke Sanders Redupers wurde von Basis ab 1977 an die Kinos verliehen.
Drei Jahrzehnte später steht Basis-Film "für eine andere, eine kulturelle Vermittlungsarbeit", wie es Burckner ausdrückt. Dennoch habe man sich weiter gegen das "Prinzip Ex und hopp" entschieden, gegen Verleiharbeit, die ihre Aufgabe darin sieht, Filme allein auf ihre ökonomische Verwertbarkeit zu reduzieren. Burckner spricht von Basis als "Autorenfilmfirma", von der engen Zusammenarbeit mit den Filmemachern und der Hoffnung, "dass das auch mit der neuen Generation weitergeht".
Dass Erstlingswerke – wie zuletzt Torsten Löhns Paule und Julia – im Basis-Sortiment einen festen Platz einnehmen, macht deutlich, dass der deutsche Autorenfilm immer noch mehr als eine filmhistorische Kategorie ist. Es unterstreicht jedoch auch, dass sich Basis-Film als Institution innerhalb der deutschen Filmlandschaft fest etabliert hat. Derzeit hat Burckner rund 200 Filme im Angebot.
Die 30-jährige Verleiharbeit und den Wandel des Hauses feiert das Filmmuseum mit einer ersten umfassenden Retrospektive mit Filmausschnitten, Filmplakaten und Briefen aus drei Jahrzehnten Basis-Geschichte. Der Blick bleibt dabei nicht auf den Mikrokosmos Film beschränkt. Ob Willy Brandt, die RAF oder die deutsche Wiedervereinigung – die Ausstellung rückt auch den realpolitischen Kontext ambitionierter Verleih-Arbeit in den Fokus und zeigt damit auch die Rolle von Basis-Film als Protagonist und Konservator von 30 Jahren bewegter Berliner, deutscher und deutsch-deutscher Geschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2004
Aufrecht und quer. Dreißig Jahre Basis-Filmverleih: Eine Ausstellung in Berlin
von Hans-Jörg Rother
Einen roten Teppich hat noch niemand für einen Filmverleih ausgerollt. Auch sonst fehlt es an Würdigungen dieses Geschäfts, das um so weniger Gewinn verspricht, je weiter vom Mainstream es seinen Inhalt und sein Publikum sucht. Der Berliner Basis-Filmverleih wirbt, nein, kämpft seit dreißig Jahren für Filme, die selten einen großen Kinoerfolg versprechen, um so mehr aber zu gesellschaftskritischen Debatten im großen und kleinen Rahmen beitragen können. Hervorgegangen ist er aus der Basis-Film OHG, die Christian Ziewer und Max Willuzki, zwei Absolventen der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, 1971 eigens für ihr Erstlingswerk Liebe Mutter, mir geht es gut ins Leben riefen. Es war ein Film "aus der Arbeitswelt", wie man damals sagte, und er leitete eine kurzzeitige Wiederbelebung der proletarischen Filmbewegung der Weimarer Zeit ein.
Am 1. Mai 1973 lief Liebe Mutter, mir geht es gut zur besten Sendezeit im ersten Programm der ARD. Am nächsten Morgen rief eine begeisterte Zuschauerin bei Basis-Film an – und erhielt prompt das Angebot, als Produktionsassistentin in die Firma einzutreten. Clara Burckner, so hieß die junge Anruferin, erfüllte die Aufgabe zu höchster Zufriedenheit. Sie übernahm dann die Verleiharbeit und stieg schon 1974 zur Geschäftsführerin auf. Ihrem starken Willen in schwierigen Zeiten verdankt Basis-Film seine bis heute währende Existenz. Dem Verleih und damit nicht zuletzt Clara Burckner widmet das Berliner Filmmuseum nun eine kleine Ausstellung.
Basis-Film stand stets am linken Rand des deutschen Autorenfilms, dessen bedeutendere Regisseure sich 1971 im Münchener Filmverlag der Autoren zusammengeschlossen hatten. Auch die Münchner Kollegen wollten Produktion und Verleih selbst in die Hand nehmen. Kapitalschwach waren beide Unternehmen, aber Basis überlebte dank seiner unermüdlichen Kleinarbeit, welche die richtigen Filme an das richtige Publikum brachte. Ursprünglich sollte die Verleiharbeit "dem täglichen Klassenkampf" dienen und "sich im sozialen Kampf auf seiten der Lohnabhängigen engagieren", wie es im ersten Verleihkatalog von 1975 hieß. Gewerkschaftsgruppen, Lehrlingen und Schülern galt besondere Aufmerksamkeit: von ihnen wollte man erfahren, welche Filme das Land braucht. Bald benötigte der Verleih größere Büroräume, um die 16-mm-Kopien für Diskussionsveranstaltungen auf den Postweg zu bringen. Oft erledigten Oberschüler die gering bezahlte Arbeit. "Zuschauer zu qualifizieren, qualifizierte Filme zu sehen", hieß die selbstgestellte Aufgabe. Doch das neue Medium Video stürzte die Firma Anfang der achtziger Jahre in eine Krise. Basis-Film konnte nur als auf Verleihförderung angewiesener Kleinbetrieb überleben.
Die Ausstellung ruft viele seinerzeit leidenschaftlich diskutierte Werke in Erinnerung: Das Ende des Regenbogens von Uwe Frießner, Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers von Helke Sander, Arbeiten von Ulrike Ottinger und Helga Reidemeister aus den siebziger Jahren. Die Filme von Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders kamen hinzu. Manche Titel klingen heute wie Agitationslosungen einer fernen Zeit, zum Beispiel Rote Fahnen sieht man besser von Theo Gallehr und Rolf Schübel aus dem Jahr 1977. Der Fall der Mauer, so hoffte man, könnte das Verleihgeschäft und auch die Produktion neu beleben. 1990 drehte Ulla Stöckl, eine der Hausregisseurinnen von Basis, in Dresden Das alte Lied. Doch die schnelle Replik auf die Wiedervereinigung war ein Weg in die Sackgasse. Produzieren wollte Clara Burckner seitdem nicht mehr, aber ihr Verleih überrascht bis heute mit wichtigen Spiel- und vor allem Dokumentarfilmen aus den neuen Bundesländern.
In der Ausstellung hängt keine rote Fahne, es erklingt nicht einmal Brecht/Eislers "Solidaritätslied". Eine Wand aus Filmplakaten dient als graphische Augenweide. Arbeitswelt, Berlin-Filme, deutsche Geschichte, Jugend, Kinderfilme, Krieg, NS-Zeit, Wende, so lauten die parallel geschriebenen Kapitel der Verleihgeschichte, die man hier chronologisch und mit Verweisen auf die Zeitgeschichte nachlesen kann. Stahlbänder sichern zwei Dutzend Aktenordner mit authentischem Schriftgut des Verlags. Clara Burckner hat ihr gesamtes Verlagsarchiv der Deutschen Kinemathek übergeben, die ihr auf die Weise dankt und dieses Erbe für die Forschung aufbereiten wird.
Während der bis zum 16. Januar geöffneten Schau zeigt das im gleichen Haus ansässige Arsenal im Dezember und Januar elf Filme aus dem umfangreichen Verleihangebot von Basis. Clara Burckner und die Regisseure werden, wie einst und immer, zur Diskussion bereitstehen. Wer es bequemer haben will, kann sich die erste DVD-Edition mit vierzehn Basis-Filmen nach Hause bestellen.
Berliner Morgenpost, 11.11.2004
Vom aufrechten Gang
Wim Wenders. Rainer Werner Fassbinder. Rosa von Praunheim. Harun Farocki. Ula Stöckl. Jeanine Meerapfel. Helke Sander. Helma Sanders-Brahms. Ulrike Ottinger. Jean-Marie Straub / Danielle Huillet. Thomas Kufus. Andreas Voigt. Andreas Kleinert. Regisseure, deren Filme über Basis-Film verliehen und damit den Weg ins deutsche Kino fanden. Fassbinder posthum: 20 Jahre nach seinem Tod bringt seit 2002 Basis den größten Teil seines Werkes mit neuen Kopien wieder auf die Leinwand. Die Geschichte des Berliner Basis-Film Verleihs ist geknüpft an die Geschichte des (Berliner) Autorenfilms. Diese dokumentiert das Filmmuseum seit heute nun mit der Ausstellung "Vom aufrechten Gang: 30 Jahre Basis-Film Verleih Berlin".
In Folge der Studentenunruhen Ende der Sechziger bildet sich eine Gruppe von Absolventen der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), die kritische, politische "Basis"-Filme mit und für die Arbeiter im Märkischen Viertel drehen. 1974, als Clara Burckner Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin der Basis-Film Verleih GmbH wird, beginnt auch der Verleih von fremdproduzierten Filmen. Das Programm spiegelt die Arbeiter-, Frauen- und Umweltschutzbewegung der Bundesrepublik, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, die Wende und den Aufbruch im wiedervereinten Deutschland. So wächst seitdem das Verleihprogramm um die Filme junger ostdeutscher Regisseure wie Kleinert und Voigt.
Neben Produktionsunterlagen, Verleihprogrammen und Drehbuchauszügen zeigt die Schau in Großprojektionen Ausschnitte aus 29 Basis-Filmen. Dokumentarische Impressionen von Festivals, Gesprächen mit Regisseuren sowie Schnappschüsse aus 30 Jahren Arbeitsalltag sind auf mehreren Monitoren zu sehen. Hörstationen ergänzen das Programm u.a. mit Auszügen eines Interviews, das Erika und Ulrich Gregor 1983mit Clara Burckner führten.
taz, 11.11.2004
Mit der Ausstellung "Vom aufrechten Gang" dokumentiert das Berliner Filmmuseum die 30-jährige Geschichte des Basis-Film-Verleihs. Seinen Ursprung hat der Verleih darin, dass Studenten der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb), unter ihnen die späteren Regisseure Christian Ziewer und Harun Farocki, eine Filmgruppe gründeten. Sie setzten sich zum Ziel, in dem vor allem von Arbeiterfamilien bewohnten Berliner Neubaugebiet Märkisches Viertel "Basisfilme" zu produzieren – Filme, die den Alltag und die Lebensbedingungen der Arbeiter zeigen sollten. Den Auftakt machte Christian Ziewer mit seinem Film Liebe Mutter, mir geht es gut, es folgten u. a. Zwischen zwei Kriegen (1978) von Harun Farocki, Von wegen Schicksal von Helga Reidemeister (1976) und Die allseitig reduzierte Persönlichkeit von Helke Sander (1977/78). Die Ausstellung des Filmmuseums möchte die Atmosphäre einer Werkstatt einfangen, indem sie Produktionsunterlagen, Verleihprogramme, Filmausschnitte und Drehbuchauszüge präsentiert.
Berliner Zeitung, 11.11.2004
Kinogeschichte von unten
Eine Ausstellung über den Basis Film Verleih im Filmmuseum
Eine Ausstellung im Filmmuseum Berlin will ab heute Anspruch und Bedeutung des Basis-Film Verleihs würdigen. Eng verbunden mit der politischen Entwicklung der BRD spiegelt das Verleihprogramm der Anfang der 70er Jahre begründeten Firma die Arbeiter-, Frauen- und Umweltschutzbewegung, Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit und die Wende. Mit der Ausstellung präsentiert das Museum das von Basis-Film übernommene Firmenarchiv, das dreißig Jahre Berliner Autorenfilm dokumentiert. In Werkstatt-Atmosphäre sind Produktionsunterlagen, Verleihprogramme, Drehbuchauszüge und Begleitmaterialien zu Filmvorführungen zu sehen. Parallel zur Schau erscheint eine DVD-Edition mit zwölf Titeln aus dem Basis-Film-Programm (99 €). Die Filmreihe zur Ausstellung ist ab Dezember im Arsenal zu sehen.
Schwäbische Zeitung, 10.11.2004
"Vom aufrechten Gang": Schau zu "30 Jahre Basis-Film Verleih"
Berlin (dpa). Mit der Ausstellung "Vom aufrechten Gang" dokumentiert das Berliner Filmmuseum am Potsdamer Platz die 30-jährige Geschichte des Basis-Film Verleihs. Seinen Ursprung hat der Basis-Film Verleih in der Zeit der Studentenrevolten der 68er.
Studenten der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb), unter ihnen die späteren Regisseure Christian Ziewer und Harun Farocki, hatten eineFilmgruppe gegründet. Sie setzten sich zum Ziel, in dem vor allem von Arbeiterfamilien bewohnten Berliner Neubaugebiet Märkisches Viertel "Basisfilme" zu produzieren – Filme, die den Alltag und die Lebensbedingungen der Arbeiter zeigen sollten.
Den programmatischen Auftakt machte Christian Ziewer mit seinem Film Liebe Mutter, mir geht es gut. Der Film schildert den Konflikt zwischen Arbeitern eines Berliner Metall verarbeitenden Betriebes und der Firmenleitung. Das Programm von Basis-Film spiegelt die Arbeiter-, Frauen- und Umweltschutzbewegung der Bundesrepublik, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, die Wende und den Aufbruch im wiedervereinten Deutschland.
Zu den frühen Filmen gehören Zwischen zwei Kriegen (1978) von Harun Farocki, Von wegen Schicksal von Helga Reidemeister (1976) und Die allseitig reduzierte Persönlichkeit von Helke Sander (1977/78). Weitere Werke sind Sterne ohne Himmel von Ottokar Runze (1980) und Peppermint Frieden von Marianne Rosenbaum (1983).
In der Atmosphäre einer Werkstatt zeigt die Schau Produktionsunterlagen, Verleihprogramme, Filmausschnitte und Drehbuchauszüge. Die bis zum 16. Januar geöffnete Ausstellung ist auch mit Werkschauen verschiedener Regisseure verbunden, darunter Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Rosa von Praunheim und Jeanine Meerapfel. Mit der Sonderausstellung wird das vom Filmmuseum übernommene Firmenarchiv des Verleihs öffentlich präsentiert.
Frankfurter Neue Presse, 29.10.2004
Filmmuseum Berlin zeigt Sonderschau "30 Jahre Basis-Film Verleih"
(dpa) Die Geschichte des Berliner Autorenfilms wird in der Sonderausstellung "30 Jahre Basis-Film Verleih" des Filmmuseums am PotsdamerPlatz dokumentiert. In der Atmosphäre einer Werkstatt zeige die Schau Produktionsunterlagen, Verleihprogramme, Filmausschnitte und Drehbuchauszüge, teilte das Museum am Freitag mit.
Ein besonderes Kapitel ist dem Werk von Regisseuren wie R.W. Fassbinder, Harun Farocki oder Helga Reidemeister gewidmet. Angefangen in den siebziger Jahren spiegelt das Programm von Basis-Film die Arbeiter-, Frauen- und Umweltschutzbewegung der Bundesrepublik, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, die Wende und den Aufbruch im wiedervereinten Deutschland. Der erste von Basis-Film produzierte und verliehene Spielfilm war 1971 Christian Ziewers Liebe Mutter, mir geht es gut. Ziewer schrieb damals: "Nützliche Filme sind solche, die uns helfen, unsere Lebensbedingungen zu ändern." Die Ausstellung ist vom 11. November bis 16. Januar geöffnet.
epd Film, 12/2004
Engagiert und politisch
»Vom aufrechten Gang« lautet der Untertitel einer Ausstellung zum 30. Geburtstag des Verleihs Basis-Film, die noch bis 16. Januar im Filmmuseum Berlin zu sehen ist. Liebe Mutter, mir geht es gut (1971) von Christian Ziewer, der erste Film der so genannten »Berliner Schule«, war gewissermaßen der programmatische Beginn des Basis-Film Verleihs. Basis-Film hat zwar auch Filme produziert, etwa Der aufrechte Gang, Schneeglöckchen blühn im September und Zwischen zwei Kriegen, doch lag der Schwerpunkt immer auf der kulturellen Verleiharbeit. Unter der Ägide von Clara Burckner, die Basis-Film als Leiterin von Anbeginn geprägt hat, bekam der engagierte Dokumentar- und Spielfilm seine Chance auf Öffentlichkeit. »Thematische Leitlinie« war dabei die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Phasen der deutschen Geschichte. Gerade in der letzten Zeit hat Basis seine Aktivitäten im dokumentarischen Bereich intensiviert, hat Malte Rauchs Die Rollbahn und Lilo Mangelsdorffs Damen und Herren ab 65 und in diesem Monat Andrzej Klamts Carpatia in die Kinos gebracht, aber auch Spielfilmdebüts wie Ulrich Köhlers Bungalow und Thorsten Löhns Paule und Julia. In der Ausstellung sind Plakate zu sehen, Fotos, Drehbücher, Filmausschnitte, eine Diashow, das erste Verleihprogramm und anderes mehr. Im Rahmenprogramm werden im Kino Arsenal Filme von »Basis«-Filmemachern wie Farocki, Ziewer, Reidemeister, Praunheim und Ottokar Runze gezeigt.
tip Berlin, Nr. 25/2004
Der aufrechte Gang
Der Berliner Basis-Film Verleih wird 30 und feiert mit einer Filmreihe, 14 DVDs und einer Ausstellung im Filmmuseum
Von Nicolaus Schröder
Wer die Revolution will, muss die Basis mobilisieren. Denn über das revolutionäre Bewusstsein beim bundesdeutschen Proletariat machte man sich auch vor 30 Jahren keine Illusionen mehr. An der Basis war Überzeugungsarbeit nötig. Die Filme für die Revolte kamen damals von einem Verleih aus Lichterfelde, der schon mit seinem Namen für das richtige Programm bürgte: Basis-Film Verleih.
1975 verspricht der Katalog »realistische Filme für den alltäglichen Klassenkampf«. Christian Ziewers Liebe Mutter, mir geht es gut und Schneeglöckchen blühn im September geben die programmatische Richtung vor, später gelten sie als genrebildend für den Berliner Arbeiterfilm.
Die Geschichte des Basis-Film Verleihs führt tief hinein in die Geschichte der westdeutschen Linken. Keine Schülergruppe, kein Jugendzentrum und keine Initiative, die nicht irgendwann mal einen Basis-Film bestellt hätte. Die Titel des Verleihprogramms zeichnen die Kämpfe der außerparlamentarischen Linken nach: Der aufrechte Gang (Christian Ziewer), Vera Romeyke ist nicht tragbar (Max Willutzky), Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers (Helke Sander), Rote Fahnen sieht man besser (Theo Gallehr, Rolf Schübel), Schade, dass Beton nicht brennt (Kollektivfilm). In ihnen geht es um Berufsverbote, Frauenemanzipation, Arbeitskampf und Hausbesetzung. Für eine ganze Generation sind diese Filme identitätsstiftend.
Bei Basis war die nichtkommerzielle Auswertung immer genauso wichtig wie die kommerzielle. »Filme müssen an die Öffentlichkeit, damit sie nicht verboten werden«, sagt Clara Burckner heute, und man fühlt sich sofort in eine Zeit versetzt, als gegen Schnittauflagen noch rebelliert wurde. Wenn dem Fernsehen Dieter Süverkrüps Schlusslied aus Rote Fahnen sieht man besser zu weit ging und die Passage einfach geschnitten wurde, bewarb Basis-Film kurz darauf die unzensierte Fassung, das verstand sich von selbst.
Clara Burckner gehörte 1974 zur Gründungsgruppe der Basis-Film Verleih GmbH, deren Geschäftsführerin und Gesellschafterin sie heute noch ist. Zu den Besonderheiten des Verleihs gehört, dass die damals in verfeindete Fraktionen aufgespaltene Linke bei Basis zusammenfand. Zwar wurde diskutiert und gestritten, der Verleih besaß aber wohl »eine integrative Kraft«, wie Burckner rückblickend meint. Auch wenn sie sich daran erinnert, dass manche im Büro sich aus dem Weg gegangen sind, »um sich nicht die Hand geben zu müssen«. Einheitslohn und Mitbestimmung waren bei Basis-Film selbstverständlich. Das Basis-Kollektiv entschied über die Verleihtitel und es hatte keinen schlechten Geschmack: Domino von Thomas Brasch, Klassenverhältnisse von Jean- Marie Straub und Danièle Huillet oder Marianne Rosenbaums Peppermint Frieden stehen für Filme, die keineswegs nur gut gemeint waren.
Mit der Wende wurde der Verleih zum zentralen Vermittler zwischen Ost und West. Banale Tage (Peter Welz), Das Land hinter dem Regenbogen (Herwig Kipping) oder Neben der Zeit (Andreas Kleinert) erzählten von einem Land, das für Westdeutsche auf einem fremden Kontinent liegen musste. Für viele junge Regisseure aus der untergegangenen DDR ebneten Clara Burckner und Basis-Film den Weg.
Und heute? Im Prinzip sind es immer noch »realistische Filme für den alltäglichen Klassenkampf«, die Basis-Film herausbringt, auch wenn man das Debütfilmen wie Bungalow (Ulrich Köhler) oder Paule und Julia (Torsten Löhn) vielleicht nicht sofort anmerkt. Der Klassenkampf sieht heute eben etwas anders aus.