The Unseen Seen – Film im neuen Licht
23.1. – 27.4.14
»Was ist das?«, fragt man sich beim Betrachten der kreisrunden Fotografien des österreichischen Fotografen Reiner Riedler. Einige wirken wie die Iris eines Auges, andere haben die Anmutung einer Vinylplatte oder eines sich drehenden Kreisels. Die Feingliedrigkeit, die Transparenz und die Unebenheit des Abgebildeten lassen zunächst einmal nicht erahnen, dass diese großformatigen Bilder Filmrollen aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek zeigen.
Das ungewöhnliche Projekt »The Unseen Seen« von Reiner Riedler und dem Filmarchivar Volkmar Ernst lässt Film in seinem physischen Zustand zu einem fotografischen Kunstwerk werden. Während mehrerer Besuche des Filmarchivs fotografierte Riedler Filmarchivalien, hinterleuchtete sie bei gleichbleibendem Licht und unterstrich so die Physis und die Beschaffenheit jedes einzelnen Sammlungsgegenstandes. So strahlen die Filmrollen in vielfältigen Farben. Diese in der Regel nur Archivaren und Filmvorführern bekannte Ästhetik und Einzigartigkeit dieses Materials wird nun auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Jeder Besucher ist eingeladen, im Museum für Film und Fernsehen seine eigenen Kino- und Filmerinnerungen gleichsam auf die Fotografien von Filmen wie Good Bye, Lenin! (D 2003, Regie: Wolfgang Becker) oder Casablanca (USA 1942, Regie: Michael Curtiz) zu »projizieren«.
Neben der ästhetischen Neuentdeckung ruft die Ausstellung die Vergänglichkeit des analogen Filmmaterials ins Bewusstsein, durch die jedes Filmarchiv vor große Herausforderungen gestellt wird. Die Filme müssen sicher aufbewahrt, oftmals restauriert und durch Digitalisierung für die Zukunft nutzbar gehalten werden. Das Filmarchiv der Deutschen Kinemathek versammelt mehr als 13.000 Titel – Filme der verschiedensten Formate, Genres und Richtungen, ausgesprochen künstlerische Filme und Filme als historische Dokumente, nationale und internationale Produktionen. Reiner Riedlers Fotografien von Der blaue Engel (D 1930, Regie: Josef von Sternberg), Citizen Kane (USA 1941, Regie: Orson Welles), Trois couleurs: Bleu (PL, F, CH 1993, Regie: Krzysztof Kieślowski) oder Gespenster (D 2005, Regie: Christian Petzold), die in der Ausstellung zu sehen sein werden, verschaffen auf diese Weise auch einen Einblick in die umfangreichen Bestände des Filmarchivs der Deutschen Kinemathek.
Galerie
Pressereaktionen
Berliner Zeitung, 23. Januar 2014
Die Sinnlichkeit des Zelluloids
Gerhard Midding
Welch Pracht Filmkopien entfalten können, demonstriert die Ausstellung »The Unseen Seen« im Filmmuseum. Der österreichische Fotograf Reiner Riedler hat Filmrollen mit seinen Bildern eine eigene, faszinierende Aura verleiht. Sie leuchten in unterschiedlichsten Farben: Howard Hawks Air Force in militärischem Khaki, Werner Herzogs Fitzcarraldo in verschiedenen Brauntönen und Sissi in entmutigendem Schwarz. Den Zerfall des Trägermaterials ignoriert der Österreicher nicht. (...)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Januar 2014
Wo das weiße Blut der Leinwand fließt
Andreas Kilb
Zusätzlich zur Ausstellung im vierten Stock zeigt die Kinemathek drei Stockwerke tiefer ein Projekt des Fotografen Reiner Riedler, der Filmrollen aus dem Archiv von hinten angestrahlt hat, bis sie von selbst zu leuchten begannen. Berühmte, berüchtigte und völlig unbekannte Werke schillern bei Riedler in allen Regenbogenfarben, und nicht immer sind es die größten Filme, die am hellsten glänzen. Was zu beweisen war.
Berliner Morgenpost, 23. Januar 2014
Erst das Dunkel schafft Glanz
Peter Zander
Der österreichische Fotograf Reiner Riedler hat einmal zufällig eine Filmspule gegen das Licht gehalten. Und überrascht festgestellt, dass das Licht durchscheint. Und jede Spule, bei gleicher Belichtung, anders aussieht. Riedler hat deshalb zahllose Spulen berühmter Filme belichtet. Und einige der schönsten davon hängen jetzt, quasi als Kunstinstallation, in einem Raum des Filmmuseums. Jeder Film hat seine eigene, oft knallbunte Farbe und eine eigene Schraffur. Nicht nur die gedrehten Bilder also, selbst die Filmspule ist ein Licht-Spiel für sich. Ein Grund mehr, dem alten Material Film nachzutrauern, das in unseren digitalen Zeiten bald verschwinden wird.
Tagesspiegel, 24. Januar 2014
Alle Bilder stehen still
Helmut Merker
Eine große Überraschung bietet die zweite, gleichzeitig eröffnete und ebenso lange laufende Ausstellung, die ihrem Titel nichts schuldig bleibt: „The Unseen Seen – Film im neuen Licht“. Wer denkt, dass alle 35-mm-Filmrollen gleich aussehen, wird darin eines Besseren belehrt. Vor immer gleichgesetztem Licht aufgenommen, werden – je nach Material, Alter, Lagerung – Formen aus Licht und Schatten, Farbfelder, Linien und geometrische Muster deutlich. Rollen mit einem klaren Blau sind der Film Drei Farben: Blau, die einzige Rolle in Rosa ist Stadt der verlorenen Seelen, und der ist von Rosa von Praunheim. Man weiß nicht, warum; aber den Assoziationen sind keine Grenzen gesetzt: Keiner würde nun die Rollen von Bambi und King Kong verwechseln, und die Oberfläche von Fitzcarraldo ist derart von mäandrierenden Linien durchzogen, dass man an Schlangen oder Lianen im Dschungel denken muss. Reiner Riedlers Bilder zeigen die Filmrollen, kreisrund und bunt, als Artefakte in der Phase ihres Verschwindens – eine Erinnerungsarbeit im digitalen Zeitalter.
Film-Dienst, 3/2014
Blick ins Herz der Finsternis
Jens Hinrichsen
Alte Schallplatten? Unterschiedlich gefärbte Regenbogenhäute? Rotierende Kreisel? Nein, der österreichische Fotograf Reiner Riedler hat im Rahmen des Ausstellungsprojekts »The Unseen Seen. Film im neuen Licht« Filmrollen aus dem Berliner Archiv fotografiert. Gemeinsam mit dem Filmarchivar Volkmar Ernst beleuchtet Riedler etwas, das Filmzuschauern meist verborgen bleibt: den Stoff, aus dem die Kinoträume sind – oder waren, wie man in einer Zeit des weitgehend digitalisierten Kinobetriebs schon fast sagen muss. Doch die Archivare und Restauratoren kostbarster Zelluloidstreifen verlieren ja nicht an Bedeutung, auch wenn ihre Arbeit von der Öffentlichkeit eher selten gewürdigt wird. Abgesehen davon, dass die Bilder des Dokumentarfotografen auf eine bedrohte Art hinweisen, sind die Aufnahmen – 20 davon werden in Berlin als Leuchtkästen, 45 als Abzüge an der Wand gezeigt – einfach schön. Und geheimnisvoll, denn viele der Rollen scheinen in Farbe und Struktur das abzubilden, was sich in ihnen abspielt.
Credits
Künstlerischer Direktor: Dr. Rainer Rother
Kuratoren: Volkmar Ernst, Reiner Riedler
Fotografien: Reiner Riedler
Projektsteuerung: Peter Mänz, Nils Warnecke
Ausstellungskoordination: Vera Thomas
AV-Medienprogramm: Volkmar Ernst
Ausstellungsmitarbeit: Georg Simbeni
Lektorat: Rolf Aurich
Texte Begleitbroschüre: Volkmar Ernst
Redaktion Begleitbroschüre: Annika Schaefer
Übersetzung ins Englische: Rhodes Barrett, Berlin und Wendy Wallis, transART, Berlin
Gestaltung Werbegrafik: Pentagram Design, Berlin
Gestaltung Ausstellungsgrafik: Jan Drehmel, befreite module, Berlin
Produktion Ausstellungsgrafik: PPS Imaging GmbH, Berlin und Bartneck Print Artists, Berlin
Architektur: Rüdiger Stern, stern-gestaltung, Berlin
Konservatorische Betreuung: Sabina Fernández, Berlin
Einrichtung Medien und Licht: Stephan Werner
Technik: Frank Köppke, Roberti Siefert
Kommunikation: Sandra Hollmann
Marketing: Linda Mann
Presse: Heidi Berit Zapke
Bildung und Vermittlung: Jurek Sehrt
Finanzen: Uwe Meder-Seidel
Danksagung
Dank
Bundesarchiv Filmarchiv:
Egbert Koppe, Monika Kaiser, Maria Larrazabal-Soto
Anna Arenas Marr
Harun Farocki
Werner Herzog
Ulrike Ottinger
Rosa von Praunheim
Helke Sander
Helma Sanders-Brahms
Ula Stöckl
Klaus Wildenhahn
sowie an alle Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Kinemathek
Partner
Medienpartner
Filmdienst
Die Deutsche Kinemathek wird gefördert durch
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
An anderen Orten
The Unseen Seen
10.4.–14.6.2015
Das ungewöhnliche Projekt »The Unseen Seen« von Reiner Riedler und dem Filmarchivar Volkmar Ernst lässt Film in seinem physischen Zustand zu einem fotografischen Kunstwerk werden. Während mehrerer Besuche des Filmarchivs fotografierte Riedler Filmarchivalien, hinterleuchtete sie bei gleichbleibendem Licht und brachte so die Physis und die Beschaffenheit jedes einzelnen Sammlungsgegenstands auf besondere Weise zur Geltung.